Die Nachricht erreichte uns völlig unerwartet: Servus TV stellt bald seinen Sendebetrieb ein. Der Grund: Der Sender verschlingt im Jahr einen dreistelligen Millionenbetrag. Dabei erreicht er nur 1,7 Prozent der Zuseher in Österreich. [Nachtrag: Der wahre Grund wurde nur einen halben Tag später nachgereicht: Es sollte ein Betriebsrat gegründet werden. Diese Wendung ändert aber nichts am nachfolgenden Inhalt.]

Kaum war die Nachricht vom Ende des Senders veröffentlicht, meldeten sich viele Stimmen. Die meisten bedauern das Verschwinden des „einzigen Qualitätssenders“ in Österreich. Es stimmt schon, Servus TV hat einige recht gute Sendungen. Am beliebtesten sind wohl die hervorragenden und hochinteressanten Terra Mater Dokumentationen. Ansonsten gibts Vieles mit Österreich-Bezug, Talk-Sendungen und auch gute Filme. Nicht die großen Blockbuster, sondern oftmals ältere Filme – durchaus mit gewissem Qualitätsanspruch.

Es ist so, wie wenn der letzte kleine, praktische Lebensmittelladen in unserer Straße für immer seine Pforten schließt. Wir fanden es gut, dass das Geschäft da war, haben aber kaum dort eingekauft. Und wenn es heißt, der Laden sperrt zu, dann bemerken wir erst, dass wir dennoch damit etwas verbunden haben. Dass er in unserer Straße eine Bedeutung hatte.

Na zumindest ergattern wir dann beim Totalabverkauf eines Geschäfts noch die letzten Reste um Minus 70 Prozent. Das ist uns beim Verschwinden von Servus TV nicht gegönnt. Es wird nur auf einmal schwarz sein – ganz ohne Räumungsverkauf.

Viel Österreich-Bezug im Programm

Viel Österreich-Bezug im Programm

Spontan hatte ich zuerst das Gefühl, ich hätte einfach öfter mal Servus TV schauen sollen, ja, sogar müssen. Bei größerem Erfolg des Senders, würde er wohl nicht eingestellt. Und vielen anderen wirds wohl ähnlich gegangen sein. In der [ursprünglichen] Presseaussendung des Senders heißt es: „Die Veränderungen am globalen Medienmarkt bestärken uns in dieser Entscheidung, weil digitale Angebote die klassischen, linearen Programme verdrängen.“

Was immer die wahren Gründe sind, es ist tatsächlich so. Wie viele andere Leute aus meinem Bekanntenkreis, sehe zum Beispiel fast ausschließlich Filme und Serien auf Streaming-Portalen und Sendungen und Programme der „herkömmlichen“ Sender in deren Mediatheken – und zwar dann, wann ich Zeit habe.

Servus TV war sicher eine Bereicherung, die wir als gut empfunden haben. Aber, wenn das Programm nicht seinen Markt findet, dann sind [die zuerst vorgeschobenen] unternehmerischen Gründe für die Schließung nachvollziehbar. Auf Facebook hat sich binnen Stunden eine Gruppe „Servus.TV – unser Qualitätssender muss bleiben“ gebildet. Es werden dort Messages gepostet wie „Wir Seher fordern, Servus.TV muss bleiben!“

Bleibt die Frage an die Zwangsgebührengegner: Wird es euch genauso gehen, wenn der ORF von der Bildfläche verschwindet? Ja, es gibt genug am Programm und an der Entwicklung des ORF zu kritisieren, aber, wenn die Sender verschwinden, würden die Menschen in Österreich zurecht vom Staat deren Erhaltung fordern. Immerhin ist unser Staatsfunk Teil unserer österreichischen Identität.

Viele empfinden bereits beim nahenden Ende von Sevus TV den Wegfall eines Stücks Identität. Wir wissen, es wird noch weniger österreichisches und Österreich-bezogenes Programm geben. Da spürt man schon Verlustschmerzen. Auch wenns für viele von uns nur ein Phantomschmerz ist.

Angst vor der Zukunft beherrscht so viele politische Diskussionen. Angst macht aber klein, nimmt die Kraft neugierig zu sein. Sich zu freuen, etwas auszuprobieren.  Was in den letzten Tagen, Wochen und Monaten politisch diskutiert wird dreht sich immer im Kreis. Weil nur wenige sich trauen ein Bild von der Zukunft zu malen, deren Pinsel nicht die Angst ist. Das heißt aber auch die Versprechungen der Vergangenheit auf ihre Zukunftstauglichkeit zu prüfen:

Ein Beispiel:

Drei Generationen sind mit einem klaren politischen Versprechen aufgewachsen. Es hieß: Dir und deinen Kindern wird es besser gehen. Was hieß dieses besser gehen?

Ein Haus oder eine Wohnung, die einem gehört oder von der man nicht wegziehen muss. Ein Auto. Die Schule für die Kinder. Ein sicherer Arbeitsplatz und medizinische Hilfe, wenn man sie braucht. Viele Menschen haben das alles oder fast alles. Und die Politik tut so als ob das für alle ewigen Zeiten so gelten wird.

Tut es aber nicht. Viele Menschen spüren, dass es in unserer Zeit einen großen Umbruch gibt. Die Sicherheit der letzten 25 Jahre ist der Unsicherheit gewichen. Einige Politiker nutzen diese Stimmung und sagen: Die Zukunft ist furchtbar, lasst uns wieder die Vergangenheit leben. Andere Politiker wollen die Veränderungen nicht sehen, verschließen die Augen und tun so, als ob es immer so weiter gehen würde. Und dann gibt es einige Politiker, die hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Die versuchen eine Vorstellung davon zu bekommen, was sich ändert, wie man das mitgestalten kann und wie man dabei Menschen nicht zurücklässt.

Wie könnte das „Besser gehen“ in der Zukunft ausschauen?

Ist es das größere Auto, die 5-Zimmerwohnung? Das neueste Smartphone, der gesündeste Smoothie? Oder sollen wir nicht endlich die Chancen nützen, die sich uns auftun:

  1. Ein gemeinsames Europa, auf das wir stolz sind und  es nicht zu Tode jammern!
  2. Eine offene Gesellschaft, wo Herkunft Sprache und Religion zweitrangig ist und nicht Mauern und Grenzzäune!
  3. Ein respektvolles Leben im Miteinander und nicht die weitere Individualisierung, die den Menschen einsam macht!
  4. Erneuerbare Energien, die unsere Umwelt erhalten und nicht das Festhalten am Althergebrachten!
  5. Eine digitalisierte Welt, die neue Möglichkeiten schafft und nicht die Angst vor der Technik!
  6. Ein neugieriges Suchen von Antworten auf die Herausforderungen der Zukunft und nicht die Angst vor der Veränderung!
  7. Ein Aufeinander zugehen im Großen wie im  Kleinen, Vertrauen statt Misstrauen!

Es ist nicht  naiv zu glauben, dass das alles möglich ist. Das eine früher, das andere später. Und das alles aufgebaut auf den sozialen, wirtschaftlichen und bildungspolitischen Rahmenbedingungen, die wir uns gemeinsam in den letzten Jahren geschaffen haben. Die wir jetzt einfach  weiterentwickeln sollten, um ohne Angst miteinander die Zukunft zu gestalten! Und trotzdem Arbeit, Bildung, soziale Sicherheit  und ein schönes Dach über dem Kopf zu haben.

Das ist möglich!