Mit elektrischem Rollstuhl ist jede Obusfahrt eine Herausforderung. Daher versuche ich es zu vermeiden. Doch heute war es wieder so weit, mir war nach Abenteuer!

Als Obusnutzerin mit Erfahrung wusste ich, dass das heute möglich ist, weil es erstens nicht regnete und zweitens kein einzuhaltender Termin meine pünktliche Ankunft erforderte, sondern ein lockeres Treffen, wo ein Zuspätkommen keine gröbere Rolle spielt. Ich plante also vom Mirabellplatz bis zu meinem Ziel in Salzburg Süd mit dem Obus zu fahren. Eine Linie und somit ohne Umsteigen.

Ich rechnete zwar ohnehin damit, hatte dann aber doch ein leises Grummeln im Bauch, als der erste Bus der Linie 3 ohne Rampe und sogar einer der ganz alten Generation vorfuhr. So einer, der beim Einstieg Stufen hat und sich das Geländer in der Mitte befindet. In diesem Fall auch für Kinderwägen nicht wirklich nutzbar, von Rollstühlen und Rollatoren ganz zu schweigen.  Der zweite Bus, zehn Minuten später, war schon neuerer Bauart, aber ohne ausklappbare Rampe. Wie soll ein 180 kg schwerer Rollstuhl den Spalt zwischen Gehsteig und Obus überwinden? Flügel als Zusatzausstattung werden nicht bezahlt. So schickte ich meine Assistentin zum Fahrer, mit der Bitte in der Leitzentrale nachzufragen, ob denn der nächste eine Rampe hat. Der Fahrer meinte spontan, dass auf der Linie 3 „nie mehr Rampenbusse“ fahren. Auf das etwas verdutzte Gesicht meiner Assistentin rief er dann doch an und gab zur Auskunft, dass wir Glück (!) haben, der nächste hat eine.

Wieder zehn Minuten später kam dann die ersehnte Transportmöglichkeit … und kaum zu glauben erst der dritte und schon MIT Rampe! Juhuuu!

Der Fahrer dieses Busses gab auf die Bitte die Rampe auszuklappen zur Antwort „ja, ich bin ja ohnehin schon zu spät“. Kurz zog das Wort „Beleidigung“ durch mein Gehirn. Ich wollte über die Bedeutung dieser Aussage aber nicht intensiver nachdenken, also ignorierte ich sie.

Er kam mit dem Eisenhaken den er zum Ausklappen der Rampe benötigt (Anm.: dieser Obusfahrer war ein ganz pfiffiger, da ich ihm nicht sagen musste, wo genau er diesen Haken findet), ich stand schon einfahrbereit, er zog die Rampe mit dem Haken aus dem Bus hoch und …. ließ sie aus dem Scheitelpunkt mit einem lauten Knall außen auf den Boden donnern. Ich stand in einer meterhohen Staubwolke und konnte nur noch schnell die Augen zumachen.CAM00173[1]

Als ich sie wieder öffnen konnte, erblickte ich auf dem für Rollstühle angedachten Platz zwei Kinderwägen und drei Personen mit je einem großen Reisekoffer. Etwas ratlos blickte ich in den Bus und genauso ratlos und auch etwas mitleidig und gelangweilt blickten die im Bus stehenden oder hinter den Fensterscheiben sitzenden Fahrgäste aus dem Bus heraus.

Der Fahrer sagte (wiederum unerwartet), dass sie aussteigen und hinten einsteigen sollen. Menschen und Koffer folgten der Aufforderung, die Kinderwägen blieben stehen. Freundlicherweise wurde mir so viel Platz gemacht, dass ich gerade noch reinpasste – im Einparken bin ich Meisterin meines Fachs! Vor mir das Schild mit dem Rollstuhlzeichen und daneben das mit dem Hund mit Beißkorb ……  Sollte ich darüber nachdenken? Nein, heute nicht!

In meinem Rücken hörte ich das Einklappen der Rampe mit einem Knall. Ich freute mich richtig, dass ich diesmal die Augen nicht schließen musste, da nun meine Rückseite gleichmäßig bestaubt wurde und auch andere Fahrgäste in den Genuss der kostenlosen Staubwolke kamen – so haben mehrere was zum gleichen Preis.

Die Unruhe im Obus legte sich langsam und alle begannen wieder vor sich hinzustarren. Beim Aussteigen war dann nur noch ein einziges Knallen und eine einzige weitere Staubwolke zu überstehen und mit Schwung verließ ich die Busstation fluchtartig. Gestärkt für die nächsten Unbilden des Lebens erreichte ich also nach 45 Minuten meinen Zielort. Das Ziel des Abenteuers zeigte sich durch meinen angestiegenen Adrenalinspiegel ebenso als erreicht.

Ich fahre sicherlich bald wieder mit dem Obus. So viel Abenteuer ist kaum sonst wo für so wenig Geld zu bekommen.

Wenn ein weiteres Abenteuer meine Lebenslinie ziert, werde ich euch wieder berichten. Bis dahin – one life, live it! :)

von Christian Namberger, Oberinspektor i.R.

…wie unpassend, bei den zwei großen I in den Leiden des jungen Christian N. Vorab gesagt, handelt es sich bei den besagten I um die Inkontinenz und die Impotenz. Nicht gerade prickelnde Themen für einen mitten im Leben stehenden Mann.

Im letzten Kapitel erzählte ich ja, dass der Krebs mit 8 Zyklen Chemotherapie restlos besiegt wurde. Klingt jetzt nicht so üppig, aber da ich jeweils 96 Stunden an den Nadeln hing, summierte es sich doch auf 768 Stunden. Die Chemo besiegte auch meine Libido, während dieser Zeit war mein Verlangen gleich Null.

chr3

Kein Klogehen möglich!

Die Chemotherapie endete im Dezember 2010. Im darauffolgenden Jahr durchschritt ich mein bisher tiefstes Tal. Durch die Abmagerung auf zarte 80 kg und der mittlerweile schweren Polyneuropathie, konnte ich mich so gut wie gar nicht selbst fortbewegen. Ich wohnte damals noch in meiner alten Wohnung am Fuße des Untersbergs, in einem 60er-Jahre Bau im vierten Stock ohne Lift. Durch die Schwäche verbrachte ich die meiste Zeit liegend. Muttern besuchte mich fast täglich und versorgte mich. Die Polyneuropathie lähmt mich ja vom Becken abwärts. Somit sind nicht nur die Haxerl beeinträchtigt, auch die Ausscheidungen waren gestört. Anfangs hatte ich eine Stuhl-und Harninkontinenz. Wobei das mit der Harninkontinenz nicht so war, wie man es sich vorstellt. Ich hatte eine spastische Beckenbodenverkrampfung. Beim Mann läuft der Harnleiter scheinbar durch den Beckenboden, durch die Verkrampfung wurde dieser abgedrückt und somit kam nichts mehr durch. Was man nicht alles lernt im Krankheitsfall. Dafür kam es hinten unkontrolliert. Lulu und AA (so heißt es in der Fachsprache J) konnte ich also nicht mehr steuern. Somit verbrachte ich einige Wochen stationär auf der Urologie.

Leben mit Windeln

chr2Fürs Lulu wurde mir empfohlen, mich selbst zu katheterisieren. Ich habe mein Gemächt wahrlich gerne in der Hand und erfreue mich jeden Tag darüber, aber ein Plastikschläucherl ins Spitzerl einzuführen und bis zur Blase durchzuschieben, das gehört nicht zu meinen Freuden.  Also wurde versucht, mir einen Blasenschrittmacher einzusetzen. Hierzu wurden Drähte an meine Nerven angeschlossen und diese mit einem elektronischen Kastl verbunden. Leider funktionierte es bei mir nicht und ich bekam einen sogenannten suprapubischen Katheter gelegt. Das ist ein Katheter, der durch die Bauchdecke in die Blase geführt wird. Ein praktisches Teil. Wenn ich Druck verspürte, machte ich das Ventil auf und lies das Lulu in die Harnflasche laufen. Alle vier Wochen wurde das Teil gewechselt. Nach drei Wochen bildeten sich meist Keime, was den Harn verunreinigte und mich zusätzlich schwächte.

Das AA wie gesagt, konnte ich gar nicht steuern. Wenn der Druck da war, flutschte es und ich konnte nichts dagegen tun. Somit wurde ich mit Ende Vierzig wieder Windelträger. Entzückend! Speziell bei körperlicher Anstrengung ging es dahin. Damit ich nicht nur in meinem taubenblau gestrichenen Schlafzimmer liegen musste, hievte mich Muttern immer ins Wohnzimmer. Natürlich konnte sie mich nicht aufrichten. Ich rutschte mit Mühen ans Bettende und ließ mich auf eine Decke plumpsen. Muttern zog mich dann übers Echt-Eiche Parkett ins Wohnzimmer. Niemand hatte solch ein glänzendes Parkett wie ich. Dort schob sie mich zur Couch und ich versuchte mich mit den Händen nach oben zu drücken. Das klappte auch, nur durch die Anstrengung ist´s meist schon wieder geschehen…sprich das Hoserl war voll. Zum Glück hatte ich damals eine pflegeleichte Ledercouch. Natürlich legten wir Handtücher unter, doch alles abdecken funktioniert auch nicht. Leder ist ja zum Glück resistent gegen Flüssigkeiten, oder hat schon mal wer eine Kuh gesehen, in die es rein regnet?

Durch Reha-Aufenthalte ging es mir in kleinen Schritten besser. Im Spätsommer nötigten mich Robert und Anjabella in eine barrierefreie Wohnung zu ziehen. Ich sträubte mich natürlich, da ich dachte, das ist so was wie ein Altersheim. Zum Glück waren sie energisch genug und ich willigte ein. Die beiden organisierten auch eine passende Wohnung samt Umzug, somit konnte ich Anfang 2012 in die schattige Pinie einziehen. Als alter Golden Girls Fan nenne das Gebäude so als Reminiszenz an die göttliche Sophia Petrillo. Dadurch konnte ich wieder rollstuhlmobil einigermaßen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Meist im Hause von Robert&Robert.  Das Schutzhoserl machte in der Feincordhose sogar einen knackigen Hintern. Da ich mich immer schon gerne am Weinglas festhielt, stieg natürlich auch immer der Blasendruck. Dort eingeladen ging der Druckabbau relativ einfach. Ich wurde auf die Terrasse gekarrt und ich konnte ganz einfach das Schläucherl rausfischen, den Zapfhahn öffnen und mit dem gräflichen Lulu die Rabatten beglücken. In dieser Zeit grünte es auffallend üppig bei den Roberts.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

chr1

Wird es wieder?

Mit der Zeit kam ich immer mehr zu Kräften und siehe da, es kam auch was übers Gemächt und dass AA konnte ich großteils halten. Nach einiger Zeit wurde mir der Katheter entfernt. Jetzt musste ich wieder das Zusammenzwicken lernen. Was aber ein mühsamer Prozess war. Ich brauchte zwar keine Windeln mehr, jetzt reichten Einlagen. Tena men! Zuerst die stärkste Variante, was in besagter Stretchcordhose wie nach einer Erektion aussah. Aber eben leider nur so aussah. Peu a peu konnte ich die Stärke der Einlage reduzieren, jetzt komm ich tagsüber ohne aus.

Nach der Chemo kam auch schön langsam die Lust wieder zurück. Nur rührte sich das einst so stolze Teil noch immer nicht. Ist schon blöd, wenn der Kopf funktioniert und man mit Fantasie gesegnet ist, aber nicht für Entspannung sorgen kann. Das ist bis zum heutigen Tag so, aber seit ein paar Wochen regt sich ab und an wieder was, wenn auch nur auf Halbmast. Jetzt bin ich hoffnungsschwanger, dass sich zumindest da bald wieder der Urzustand herstellt. Mein überaus aufgeschlossener Urologe hat mir letztes Mal eine Probepackung mit den berühmten blauen Pillen mitgegeben. Mangels vis a vis spare ich mir die vier Stück auf und hoffe derweilen auf eine natürliche Erholung.

Mit diesen zum Schluss doch erfreulichen Erlebnissen schließe ich für heute und ziehe mich ins mittlerweile höher gelegte Bett zurück. Im teuer bezahlten Fernsehen läuft nichts Sehenswertes, somit lösche ich das Licht, schalte die in Regenbogenfarben schimmernde Unterbettbeleuchtung ein und höre über Kopfhörer die bezaubernde Daliah Lavi mit ihrem tollen Liedchen “Willst Du mit mir gehen“.

Von wegen Fantasie und so… :)

Zu Kapitel 5 der Leiden des jungen Christian N.

Traditionen sind manchmal überholt und langweilig oder liebgewonnen und nicht mehr weg zu denken. Zu zweiterem gehört die Integrations-Weltmeisterschaft in Salzburg. Eine typische Wirtshausgeschichte vor einigen Jahren hat zum größten Amateur- Fußballereignis in Salzburg geführt. Heuer sind 48 Mannschaften dabei. Von Albanien über Mongolei bis zum Vatikan. Hunderte Spielerinnen und Spieler, unzählige Zuschauer und ein Traumwetter.

i4

Eröffnung mit einem interreligiösen Gebet

 

i1

Lamin und Erwin Himmelbauer

Der beste Mix für ein Miteinander voller Spaß, Respekt und Lebensfreude. Und natürlich auch ein bisserl Sport. Was Thomas Ebner und Erwin Himmelbauer mit vielen ehrenamtlichen Helfern auf die Füße stellen sucht seinesgleichen. Wie oft jammern wir, dass Integration ja nicht gelingt. Die wollen nicht, wer immer DIE ist und was immer mit WOLLEN gemeint ist. Das gefällt mir an der Integrations-WM. Es ist so leicht miteinander ins Gespräch zu kommen, sprachliche, kulturelle und religiöse Grenzen zu überwinden. Der Mittler ist der Fußball, aber es entstehen dabei so viele Kontakte und Freundschaften, die über das Fußballspiel hinausgehen.

Und in Zeiten, wo Flüchtlinge wieder einmal im Mittelpunkt des medialen Interesses stehen tut es gut ihnen einfach als Menschen zu begegnen. Denn im Kontakt bauen wir die Vorurteile und Ängste ab.

Danke an alle Integrations-WMler, die organisieren, helfen, mitmachen oder einfach nur zuschauen.

Ihr seid ein großes Beispiel, wie wir friedlich und respektvoll miteinander leben können!

Danke dafür!!!

 

 

IMG_4405[1]

Coole Location – das Stadtwerk Salzburg!

So wurde von einer Zeitung unsere Stadt am Freitag bezeichnet und das wegen einer Idee, eines Traums von fünf engagierten Frauen: Claudia, Carl, Sonja, Sabina und Minnie organisierten das erste Food und Lifetyle-Bloggercamp letztes Wochenende hier in Salzburg. Vorneweg muss ich sagen: ich mag Bar-Camps und die entspannte Atmosphäre und daher wird dieser kurze Bericht sicher nicht ganz objektiv sein.

Am Freitag startete „Salt & the City“ mit einem interessanten Instawalk (ist quasi ein Web 2.0-Spaziergang) durch unsere Stadt. Mein Eindruck war, dass nicht nur die (ausländischen) Gäste von den verborgenen Seiten unserer Stadt beeindruckt waren, auch Salzburgerinnen (ja zu fast 90% waren die Teilnehmer Frauen): Marmorsaal, Rathausturm, Hotel Sacher (inklusive Apfelstrudel-Shake) uvm. Am Samstag ging es dann richtig ums Blogger-Camp und Barcamp. Im STADTWERK in Lehen trafen sich rund 120 Bloggerinnen mit ein paar männlichen Farbtupfern in der Privatmedizinischen Universität und der Volkshochschule um gemeinsam in Workshops Themen wie „Ran ans Leder!“ (no na ned ging es ums Leder), Kreatives Grünzeug (= Gemüseschnitzen), aber auch ein „Showkochen“ mit den Kochhelden. Ergänzt wurde die Workshopschiene durch die Barcamp-Slots. Wirklich witzig war die Session zum Thema „Toy-Fotografie“. Mich hatten die beiden „Marriedwithbricks“ schon bei der Vorstellungsrunde mit dem Wort „Lego“. Ebenso spannend war die SEO-Session oder das Thema „Social Media für Blogs“. Wie immer bei einem Barcamp wichtig sind die Gespräche dazwischen und da bleibt mir eines gut in Erinnerung. Nämlich das mit Simone von Lecker Box Sie macht in „Bentoboxen“ Das Bentō (jap. 弁当) ist eine in Japan weit verbreitete Darreichungsform von Speisen, bei der in einem speziellen Kästchen mehrere Speisen durch Schieber voneinander getrennt sind. Ihr kennt das vielleicht vom Japaner ums Eck und kurz gesagt sind das aufwendig gemachte Lunchboxen. Auf ihrem Blog heißt es:

„Der Grundstein zu LeckerBox wurde im Sommer 2011 gelegt. Durch Zufall habe ich im Netz einen Artikel mit Bildern über die japanische Bento Box entdeckt. Von den Bildern und der Idee, die hinter einer Bento Box steckt war ich total begeistert. Bis dahin wurden morgens die typischen „Schnitten“ geschmiert und abends warm gekocht. Dass das Mahl am Abend nicht wirklich gesund ist und direkt auf die Figur geht brauche ich denke ich nicht zu erzählen, das wissen wir alle…

Von der Idee zur täglichen Umsetzung einer Bento Box angetan, begannen meine Überlegungen zur realistischen Umsetzung.

Jeden Tag japanisch kochen wollte ich nicht, daher überlegte ich mir mit Hilfe von neuen Kochbüchern und Kochzeitschriften, wie man die „LeckerBox“ mit europäischen Speisen und Leckereien füllen könnte.“

Nach einem Blick auf ihren Blog kann ich nur sagen. Sie liefert tolle Rezepte für Mittags-Boxen oder einfach zum Nachkochen.Mit einer sicher netten Party in der Trumerei ging ein interessanter Abend zu Ende. Ich entschied mich, auf Grund heftiger Intervention meines Sohnes, für das deutsche Cupfinale.

Am Sonntag hieß das Motto des Blogger-Camps „Landpartie“ und wie der Name ging es raus auf Land. Genau gesagt in den Tannengau und es wurde gekäst, die Saline in Hallein entdeckt und die Köpfe wurden in Troadkästen gesteckt. Was immer das ist. Man merkt ich war am Sonntag selbst nicht mit von der „Partie“, aber die Reaktion auf Instagram, twitter etc. unter der #Hashtag #sbgatc15 waren begeistert.

Kurzes Fazit:

Super – nächstes Jahr wieder. Salzburg braucht so etwas!!!

von Michael König

Was würde ich eigentlich tun, würde mich die Not wochenlang zum Betteln zwingen, 1000 Kilometer entfernt von Salzburg in einer bulgarischen Stadt? Ich würde versuchen, für mein psychisches Überleben mit Menschen zu reisen, die mir vertraut sind und deren Sprache ich spreche. Ich würde versuchen, mit ihnen einen Schlafplatz zu organisieren. Ich würde mich mit ihnen am Abend treffen wollen. Ich würde organisieren, dass jemand das Geld meiner Gruppe einsammelt, damit es bei Polizeikontrollen wegen des Verdachtes von organisiertem Betteln nicht abgenommen wird. Das alles wäre Ausdruck eines gesunden Überlebenswillens und von sozialen Kompetenzen.
Das wenige, das man landläufig von den bettelnden Menschen aus südosteuropäischen Ländern weiß oder vermutet, ist, dass viele gemeinsam mit einigen Familienangehörigen, Freunden oder Nachbarn die lange Anreise organisieren. Und um nicht in völliger Isolierung wochenlang alleine auf den Straßen von Salzburg, Wien, Graz oder Linz Beschäftigung zu suchen oder zu betteln. Sie scheinen sich auch bei der Aufteilung der Bettelplätze in irgendeiner Form abzustimmen. Manche organisieren auch ihre Schlafplätze, in ihren Autos oder unter regengeschützten Brücken.
Viele dieser Notreisenden scheinen in der Erfahrung starker familiärer Bande ihr psychisches und soziales Überleben in der Fremde zu sichern. Eine extreme Notsituation stärkt familiäre Bande. Not hält Menschen zusammen. Jeder kennt aus eigener Erfahrung, wie wichtig tragende solidarische menschliche Bindungen gerade in Krisen- und Notzeiten sind. Bettlern und Bettlerinnen im gesellschaftlichen Diskurs in Würde zu begegnen heißt, sie nicht nur als arme Menschen zu sehen: sie sind auch Menschen mit Kompetenzen, die ich  würdigen kann.

Vierter Gedanke