Ein Beitrag von Gabriele Rothuber

P1030172[1]Zum 19. Mal zog die Regenbogenparade auch heuer wieder um den Wiener Ring und lockte mehr als 150.000 Schaulustige an.

Die Parade startete um 14 Uhr beim Rathausplatz und passierte gleich am Beginn die 9köpfige Jury, die heuer erstmals mit mir als Intersex-Beauftragter der HOSI Salzburg das Thema Intersex integrierte.

Gewinner der diesjährigen Parade waren H.A.P.P.Y, FAmOs – Familien Andersrum Österreich und zum 4. Mal die Aidshilfe Wien. Intersex / Zwischengeschlecht war auf der Parade kaum (öffentlich) sichtbar, wiewohl ich vertraute Gesichter auf Trucks erkennen konnte. Es war ein wenig hörbar, da von manchen Redner*innen bei der Schlussveranstaltung auf der Bühne des Rathausplatzes das „Inter“ an LGBT drangehängt wurde.

Und somit war die Parade ein Spiegel dessen, was auch in der Gesellschaft Inter* wahrgenommen wird: nämlich noch kaum bis gar nicht. Zu groß noch die Angst vor Diffamierung, Diskriminierung oder Sensationslust. Zu wenig Bewusstsein darüber, wie man Inter* erklären oder ansprechen soll oder kann. Und trotzdem freu ich mich über den Aufruf, in der Jury mitwirken zu dürfen, da die HOSI Wien hier ein klares Statement gesetzt hat, das ich bei anderen LGBT-Communities vermisse: Intersex ist – wie auch Transidentität, dessen Kürzel bei vielen Organisationen Einzug gehalten hat – keine sexuelle Orientierung, weshalb einerseits kein direkter Zusammenhang mit LGBTs gesehen wird. Andererseits kritisieren auch Inter*Interessensverbände,  dass sich LGBT-Vereine und Organisationen das „I“ sozusagen einverleiben oder (pro forma?) auf ihre Fahnen heften – und wollen als eigenständige Interessensgemeinschaften wahrgenommen werden.

rbMit der Gründung der VIMÖ (Verein Intersexueller Menschen Österreich) haben Inter*Personen nun endlich auch in Österreich die Möglichkeit, sich umfassende Hilfe und Informationen von Inter*Personen zu holen und sich in Selbsthilfegruppen zu treffen. Die Gründermenschen der VIMÖ leisten hier Enormes. Es kann aber nicht auch noch deren Aufgabe sein, die Gesellschaft darüber zu informieren, dass es mehr als Mann und Frau gibt, dass es für ein friedliches Miteinander von immenser Bedeutung ist, nicht nur sexuelle, sondern auch geschlechtliche Vielfalt anzuerkennen, alle Kinder in ihrer Einzigartigkeit willkommen zu heißen und körperlich und seelisch unversehrt aufwachsen zu lassen. Das ist die Aufgabe von uns allen – und ganz speziell der Organisationen, die sich ernsthaft und nachhaltig mit der Buntheit unserer Welt auseinandersetzen!

Und viele Themen, die untrennbar mit LGBT verflochten sind, wie etwa bürokratische Hindernisse, Namensänderung, das Erb- und Adoptionsrecht, die Einführung eines dritten Geschlechts,  eine Personenstandsänderung ohne Pathologisierung, Zwangssterilisierung, das Erb- und Adoptionsrecht etc. können und müssen im Rahmen der Diskussion um die Rechte von Inter*Personen aufgegriffen und unter teilweise anderen Gesichtspunkten wahrgenommen werden.

Es wäre wichtig, dass die LGBT-Community dies wahrnimmt und gemeinsam mit den Selbsthilfeorganisationen intersexueller Menschen für die Wahrung der Menschenrechte eintritt!

Gabriele Rothuber, Intersex Beauftragte der HOSI Salzburg, ist keine Inter*Person und kann deshalb nur wiedergeben, was sie von solchen erfährt bzw. welche Diskussionen sie mitverfolgt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit!

Infos zum Verein VIMÖ hier: http://vimoe.at/

copa riscoUnabhängig vom Ausgang des Finales der WM am Sonntag, den 13. Juli in Rio de Janeiro steht der Gewinner bereist fest: Die FIFA wird rund vier Mrd. Euro eingenommen haben. Steuerbefreit, in Brasilien. Obwohl der Sitz in der Schweiz ist. Auch die WM-Sponsoren wie Adidas, Coca-Cola, Budweiser usw. zahlen keine Steuern. Brasilien wird aus diesem Titel rund 700 Millionen US-Dollar an Einnahmen verlieren und es zeichnet sich ein ähnliches Debakel wie für Südafrika bei der WM 2010 ab: Südafrika blieb auf einem Schuldenberg von fast 3 Mrd. Dollar sitzen – während die Fifa 3 Mrd. Dollar Gewinne einsackte. Und ja, die Ausgaben für Stadien & Co. hat Brasilien natürlich mit Steuergeldern bezahlt. Lassen sich angesichts leerer Staatskassen Steuervergünstigungen für sportliche Großveranstaltungen noch rechtfertigen? Noch dazu wenn Funktionäre dieser Verbände in verschiedensten Korruptionsaffären Dauergäste in den Medien und vor Gericht sind. Selbst Gian-Franco Kasper, FIS Präsident und Mitglied des IOC ist besorgt „wenn die Leute sagen, dass sie mit dieser Mafia nicht mehr zusammenarbeiten wollen.“ Veranstaltungen mit immer höheren Kosten, ohne nachhaltigen Nutzen, die so stark in das Leben der Menschen eingreifen und sie zugleich so wenig einbinden, haben keine Zukunft. Immer höhere Ausgaben und immer weniger Beteiligung der Menschen wird zu Widerstand führen. Gegen Mega-Sport-Events und gegen FIFA & Co. In Brasilien und auch anderswo. Es braucht eine Demokratisierung der Sportverbände und statt Steuerbefreiungen für sich selbst und die Multinationale Sponsor-Konzerne, eine echte Teilhabe der betroffenen Menschen. Und zwar am Entscheidungsfindungsprozess genauso wie an den Gewinnen.

bauerManchmal hört man etwas, das dann sehr lange in einem arbeitet. Man macht sich Gedanken, liest das eine oder andere nach, spricht mit anderen darüber. Mir ist es so ergangen mit einem Vortrag vor einigen Wochen. Das Techno-Z feierte seinen 25. Geburtstag. Als Festredner war Wilhelm Bauer geladen, Leiter des Fraunhofer Instituts in Stuttgart. Sein Thema war: A smarter world – Zwischen Social Communities und realer Lebenswelt.

Aber was war da jetzt so interessant? Zum Beispiel, dass 2020 die Hälfte der Arbeitsplätze von Menschen besetzt sind die seit 2000 geboren wurden. Und diese Generation ist unter ganz anderen Bedingungen aufgewachsen als die vorherigen. Diese jungen Menschen sind vernetzt, innovativ, individuell, spontan und eines zeichnet sie besonders aus: Wenn sie etwas wollen, dann sofort und es muss sie erstaunen. Bauer nennt sie die „Now and Wow- Generation“. Unverzichtbar ist das Smartphone, das sie mit allen und allem verbindet. Sie sind individuell und haben ein anderes Beziehungsgeflecht. Junge Menschen haben viele lose Bindungen und wenige starke. Auch ihr Konsumverhalten ändert sich, nämlich hin zu Nachhaltigkeit, Verantwortung und Teilen. Nicht mehr das Haben steht im Mittelpunkt, sondern das Nutzen von Dingen. Ermöglicht durch Digitalisierung.

Nicht nur Kommunikation, sondern auch die Organisation des Alltags wird durch das Netz bestimmt. 89% der 18-24 Jährigen benutzen ihr Mobiltelefon innerhalb 15 Minuten nach dem Aufwachen. Man könnte das jetzt negativ sehen und bedauern, dass ein Mobiltelefon so präsent ist im Leben. Man kann es aber auch ganz offen sehen und akzeptieren, dass es einfach Teil des Alltags ist. Mobile Vernetzung in Freizeit und Arbeit ist selbstverständlich. Die Schattenseite ist die Überwachung und die Kontrolle. Das Neue allerdings ist die Kommunikation weg von einer Einbahn hin zu einem Dialog, ermöglicht durch die sozialen Medien, Foren und Blogs. Informationen finden immer mehr ihren Weg zwischen den Menschen ohne dass ein Medium, die Politik oder eine Firma bestimmt, ob diese Information weitergegeben wird. Das ist eine neue Form der Freiheit, die alle nutzen können, die Zugang zum Netz haben, solange das Netz nicht abgeschaltet wird.

Darum blogge ich so gerne auf zartbitter, weil ich schreiben kann, was mir gerade einfällt und Bauers Vortrag Mut gemacht hat, das Netz trotz manchmal berechtigter Bedenken als Chance für die Zukunft zu sehen :)

Hugo der Dritte beim Balzgesang; Foto: Bamer-Ebner

Hugo der Dritte beim Balzgesang; Foto: Bamer-Ebner

Es gibt in Deutschland und Österreich einen ganz klaren Trend zum Kurzurlaub. Schnell drei Tage nach Grado, Barcelona, Ischgl oder an den Wörthersee jetten. Und das mehrmals im Jahr. Das Ganze ist nicht nur kostenintensiv, sondern hinterlässt auch einen großen ökologischen Fußabdruck. Das heißt, es ist wenig umweltverträglich und stressig.

Ich mache – so oft es geht – mit meiner Frau super günstige Kurzurlaube. Passen Sie gut auf, das funktioniert so: Ich öffne die Wohnzimmertüre, gehe ein paar Schritte barfuß durch das taunasse Gras, atme tief ein und wieder aus. Die Luft ist herrlich, besonders nach einem Sommerregen. Schaue, wie weit die Tomaten gewachsen sind, koste die ersten Himbeeren und pflücke frische marrokanische Minze für den Tee. Die Strauchrosen haben sie zwar schon hinter sich, aber inzwischen stehen die Hortensien in voller Blüte. Im Biotop haben sich Schwimmfrösche lautstark eingenistet. Naja, Nachbarn kann man sich nicht aussuchen. Die Fische ersparen uns eine Mückenplage, und die Muscheln sorgen für klares Wasser. Ich liege in der Hängematte und lasse mir den nächsten Kommentar für Zartbitter einfallen. Ich bin glücklich, dankbar und lasse den Gedanken freien Lauf. Das ist Urlaub im Paradies.

Logo nosso jogoDer UN-Menschenrechtsrat stimmte letzte Woche am 27. Juni für die verbindliche Regulierung von transnationalen Konzernen. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Ende der Straflosigkeit von Menschenrechtsverstößen von Unternehmen. Starker Widerstand kam von der USA und den EU-Staaten. Besonders traurig: Österreich stimmte dagegen. Ein Grund mehr, Druck zu machen und verbindliche Menschenrechtsstandards für alle zu erreichen. Auch bei Mega-Sport-Events wie der WM.

Fordern wir daher gemeinsam von FIFA, IOC, der brasilianischen Regierung, ÖFB und ÖOC: Bei der Durchführung von sportlichen Großereignissen müssen Menschenrechte – insbesondere Kinderrechte – respektiert werden! Die gesamte Bevölkerung soll profitieren, nicht nur einige wenige. Unterschreibe online auf: www.dka.at/nossojogo

Sportliche Wettkämpfe stehen für Fairness, klare Regeln und den positiven, freundschaftlichen Umgang der Wettbewerbsteilnehmer/innen miteinander. Die Regeln, die innerhalb der Austagungsstätten gelten, sollten auch im Vorfeld und Umfeld der Spielorte eine Selbstverständlichkeit sein. Internationale Wettkämpfe dürfen keine Plattform für Zwangsumsiedlungen, Ausbeutung, Diskriminierung und Gewalt bieten. Wir fordern von FIFA, dem Olympischen Komitee, der brasilianischen Regierung, ÖOC und ÖFB:

  • Einhaltung der Arbeitsrechte im Rahmen sportlicher Großevents im Gastgeberland und in den Zulieferketten.
  • Umsetzung der Rechte auf freien Zugang zum Wohnen, öffentlichen Verkehr, Bildung, Gesundheit, Spiel, öffentlichen Raum, Kultur und gesunde Umwelt.
  • Effektive Gesetze und Maßnahmen gegen Sexismus, Diskriminierung, Gewalt, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel sowie deren wirkungsvollen Vollzug.
  • Beendigung von rassistischen Praktiken, Gewalt, Intoleranz und Diskriminierung von gesellschaftlichen Minderheiten.
  • Recht auf Information, öffentliche Debatte und Einbeziehung der Bevölkerung in Entscheidungen mit weitreichender Folgewirkung.
  • Sicherstellung von nachhaltig positiven Effekten für das Gastgeberland durch den Aufbau langfristiger Wirtschafts- und Arbeitsbeziehungen.
  • Rücknahme und Beendigung von Steuerbefreiung für FIFA und IOC sowie deren Sponsoring-Partner/innen.
  • Aufnahme bindender internationaler Arbeitsrechts-, Menschenrechts-, Kinderrechts- und Umweltschutzbestimmungen in die Vergabekriterien und den Verhaltenskodex der FIFA und in die Olympische Charta.

Österreich-Serie Teil 3 von Elisabeth Kaplan

Da ich es diesmal einfach nicht geschafft habe, einen einzigen Lieblingssong einer Band zu wählen, habe ich mich in Teil 3 meiner Österreich-Serie für einen allgemeineren Blick entschieden. Und zwar auf die Wiener Rockband Tyler.
Irgendwann 2010 wurde bei einer Sportsendung auf ServusTV ein Song gespielt, der mich gleich aufhorchen ließ. Dank Shazam konnte ich herausfinden, dass der Song „What’s Wrong“ hieß und von einer Band namens Tyler stammte. Die Musik klang für mich so dermaßen international, dass ich vollkommen baff war, als ich erfuhr, dass Tyler eine österreichische Band ist. Was mich beim ersten Hinhören an „What’s Wrong“ gefesselt hat, war der einfache, aber super wirkungsvolle Bassriff (siehe Notenbeispiel), der in der zweiten Hälfte des Intros durch eine druckvolle E-Gitarre gedoppelt wird. Genial finde ich dann auch, dass die Gesangsmelodie diese Basslinie nachahmt (sie beginnt auch mit den Tönen H – Cis – D). Das ist eine clevere Technik, um der Melodie Gewicht und Power zu geben. Jedenfalls war ich ab diesem Zeitpunkt Tyler-Fan.

Tyler Notenbeispiel

Qualität und Kreativität
„What’s Wrong“ stammt vom Debüt-Album der Band, „Don’t Play“ (2005). Meiner Meinung nach gehört dieses Album in die Mediathek jedes österreichischen Pop-Rock-Fans. Auf dem Album sind weitere sehr rockige bzw. grungige Songs wie „Separated“, „All My Weapons“, „Can’t Break Me“ oder „Any City“. Außerdem gibt es die funkige Nummer, „Wantcha“, und herrliche Rockballaden wie „Beautiful“, „Stay Awake“, „Hello“ und „Paper Maché Darts“.
Was die Songs von Tyler auszeichnet, ist ihre musikalische Originalität und Kreativität. In diesem Genre glauben ja viele Bands, dass Sie ihre schwachen/uninspirierten/eintönigen Melodien mit einer aufwändigen Produktion kaschieren können. Darum verdienen die Bands, die Wert auf die Qualität der Komposition legen, höchste Anerkennung. Songschreiber und Leadsänger Lukas Hillebrand setzt sogar Sext- und Quartsextakkorde (also z.B. C-Dur-Akkord mit Basston E bzw. G) ein! Ganz ehrlich, das beeindruckt mich.
Weiters zeichnen sich Tyler durch ihre hervorragende Produktion aus. Als Musikproduzent muss man viel Feingefühl besitzen, um zu wissen, was an welche Stelle gehört. Und es sind gerade die Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Wenn man sich beispielsweise nur die ersten 20 Sekunden von „Separated“ genauer – und öfter – anhört, findet man viele kleine Elemente, die Excitement erzeugen. Und eben diese kunstvoll arrangierten Layers finde ich bei Tyler so großartig.

Tyler Press
Als dritten Punkt möchte ich die sängerische Leistung von Lukas Hillebrand hervorheben – der Typ kann einfach singen! Er hat Bandbreite, hat die nötige Rauheit bei den rockigen Nummern aber auch eine hauchzarte Kopfstimme, die er gezielt an den passenden Stellen einsetzt, und was Phrasierung anbelangt geht’s nicht besser. Das alles kriegt er hin und kommt trotzdem absolut unaffektiert rüber. Meine einzige Beschwerde bei Tyler ist, dass die Leadvocals im Mix ein bisschen untergehen, also dass die Stimme einfach insgesamt lauter sein sollte.

Ein österreichisches Schicksal
So, und jetzt der Hammerschlag: 2011 kam Tylers zweites Album, „Favourite Sin“, heraus, aber noch im selben Jahr löste sich die Band auf. Obwohl sie sogar ein bisschen Airplay auf Ö3 genoss, war sie letztendlich eines der vielen Opfer der österreichischen Medienlandschaft, die heimische Künstler in den letzten Jahren zu wenig bis gar nicht gefördert und unterstützt hat. Nach dem Motto „zu wenig poppig für Ö3, nicht alternativ genug für FM4“. Gerade in diesem Fall finde ich das unverzeihlich, und es ist für mich einfach traurig, wenn sich Qualität nicht durchsetzen kann. Die Mitglieder von Tyler, Lukas Hillebrand, Alex Pohn (Drums) und Peter Schönbauer (Bass) machen ohne Tyler zwar alles andere als Däumchen drehen – sie alle sind begehrte Songwriter/Produzenten/Musiker (zurzeit stark im Einsatz für Julian le Play). Trotzdem fehlt mir Tyler in der österreichischen Musiklandschaft. Bleibt den vielen Tyler-Fans nur zu hoffen, dass es mal einen Reunion-Gig geben wird.

Die englische Originalfassung dieses Beitrags gibt’s auf meinem persönlichen Blog zu lesen

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Tyler auf YouTube zum Sehen und Hören