Im Oscar-Rennen: Die Entdeckung der Unendlichkeit

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Das Oscar-Rennen

Die Oscar-Verleihung steht vor der Tür. Man merkt’s. Woran? Das ganze Jahr über laufen Special Effects-geladene Action- und Superhelden-Filme (bessere und schlechtere) und ab Jänner kommt eine geballte Ladung „wertvoller Filme“, die um einen Oscar buhlen. Ich weiß dann gar nicht, woher ich die Zeit nehmen soll, um alles anzusehen, was mich interessiert.

Auf Zartbitter möchte ich allen einen kleinen Überblick geben, die diese Gelegenheit wahrnehmen und sich noch ein paar schöne Kinoabende machen möchten. Hier meine erste Kurzkritik:

Die Entdeckung der Unendlichkeit (The Theory of Everything)
Stephen Hawking ist sicher einer der brillantesten Menschen unserer Zeit. Er ist zu wichtigen Erkenntnissen im Bereich der theoretischen Physik und Astrophysik gekommen. Dabei ist er nicht nur unter Wissenschaftlern bekannt: Er hat komplexe Themen in populärwissenschaftlichen Büchern einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Selbst wer seine Bücher nicht gelesen hat, kennt den Mann, der bewegungslos im Rollstuhl sitzt und über einen Computer mit mechanischer Stimme spricht.

DieEntdeckung_PlakatDer Film beginnt mit dem jungen Stephen Hawking, wie er als nerdiger Student auf seinem Rad wild durch Cambridge rast. Doch bald schon wird bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert – eine nicht heilbare Schädigung der Nervenzellen, die für Muskelbewegungen verantwortlich sind. Während sein körperlicher Zustand sich verschlechtert, schließt er sein Studium ab, heiratet, wird Vater, lehrt an der Universität.

Eddie Redmayne spielt diesen außergewöhnlichen Mann mit großer körperlicher Disziplin. Denn um die Stadien in einem Krankheitsverlauf darzustellen, bei dem ein Mensch schrittweise die Beherrschung über seinen Körper verliert, muss der Schauspieler jeden einzelnen Muskel kontrollieren können – bis ins letzte Fingerglied. Die Darstellung von Stephen Hawking im fortgeschrittenen Stadium seiner Erkrankung lässt wenig Mimik zu. Wie es dem britischen Schauspieler trotzdem gelingt, den brillianten Geist des Wissenschaftlers und seinen Sinn für Humor stets durchblitzen zu lassen, ist faszinierend.

Filmbiografien sind für die Oscars immer ein heißer Tipp, obwohl sie – ehrlich gesagt – sehr oft nicht wirklich zu den besten Filmen des Jahres gehören. Die sogenannten Biopics holen aber trotzdem regelmäßig die Academy Awards für den besten Film (und oft auch für die beste Hauptrolle). Sei es Lawrence von Arabien, Gandhi, A Beautiful Mind, The King’s Speech, … die Liste ist endlos. Die Entdeckung der Unendlichkeit könnte sich trotz Schwächen in diese Liste einreihen.

Es ist zwar mal ganz interessant, etwas über das Leben eines außergewöhnlichen Menschen zu erfahren. Nur: Das Fortschreiten von Stephen Hawkings ALS-Erkrankung und die Entwicklung seiner Ehe reichen nicht als Haupthandlung für 120 fesselnde Film-Minuten. Zumindest habe ich das so empfunden. Der Film zeigt die Geschichte episodenhaft und verläuft dabei völlig ohne Überraschungen. An einigen Stellen wirken die Ereignisse ein wenig geschönt, besonders wenn es darum geht, wie sich die Beziehung von Stephen Hawkings zu seiner Frau Jane (Felicity Jones) auseinanderentwickelt.

Im letzten Jahr wurde viel über ALS geredet. Tausende Leute ließen sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf gießen – als Charity für die ALS-Forschung. Wer sich dabei gefragt hat, was die Diagnose ALS wirklich bedeutet, erfährt es in diesem Film. Es ist tatsächlich schwer, sich einen derartigen Einschnitt in ein Leben vorzustellen. Die Entdeckung der Unendlichkeit hat hier eine wunderbare Botschaft: Seine Mobilität zu verlieren ist nicht das Ende, ob durch ALS oder auf andere Art. Solange man sich nicht aufgibt, Erfüllung in einer Beschäftigung findet – und in einer Beziehung. Aber auch, solange man den Humor nicht verliert.

Verdient er den Oscar?
Bester Film: 40 %
Bester Hauptdarsteller: 100 %

 

https://www.youtube.com/watch?v=575tESPdUbM