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Eine rasante Verfolgungsjagd als Eröffnung. Danach folgt ebenso pure Action an den spektakulärsten Schauplätzen der Welt. Der Hauptheld muss ständig sein Leben verteidigen, während er gleichzeitig nichts weniger versucht, als die Welt zu retten. Dabei steht ihm eine junge, attraktive Frau zur Seite. Das sind mehr oder weniger die Zutaten einer der erfolgreichsten Filmserien der Welt. Ihr Held: Geheimagent 007, James Bond.

Alle Welt schaut sich die Bond-Filme an. Ich auch. Und in meiner Bewertung kommt Bond stets mit einem Folklore-Bonus davon – selbst wenn die Schwächen der Story durch die viele Action nicht übertüncht werden können [siehe die zartbitter Kritik zu Spectre]. Seit 50 Jahren gibt es alle paar Jahre ein neues Abenteuer und man weiß immer, was man zu erwarten hat. Schlüssigkeit ist dabei keine Kategorie.

Inferno ist der dritte Film nach den Büchern von Dan Brown mit Professor Robert Langdon als Held. Die Serie folgt ganz dem erfolgreichen Bond-Rezept. Geht es auf?

Der Inhalt

Robert Langdon [Tom Hanks] wacht in einem Krankenhaus in Florenz auf. Er kann sich an nichts erinnern. Noch im Krankenhaus entgeht er knapp einem Mordversuch und flieht. Seine behandelnde Ärztin Dr. Sienna Brooks [Felicity Jones] ist mit ihm in diese Situation geraten und weicht fortan nicht von seiner Seite. Nach und nach kommen Erinnerungsfetzen und Langdon, Harvard-Professor für religiöse Ikonologie, ist dabei, ein großes Rätsel zu lösen. Ein künstlich geschaffenes Virus, das die Hälfte der Menschheit ausmerzen kann, soll freigesetzt werden. Entwickelt hat es der Milliardär Bertrand Zobrist [Ben Foster], denn er ist überzeugt, dass bei der drohenden Überbevölkerung der Erde die ganze Menschheit dem Untergang geweiht ist.

Rätsel-Rallye vor historischer Kulisse

inferno

Lauf, Robert Langdon, lauf

Robert Langdon befindet sich also wieder auf einer Geschichts-Schnitzeljagd, die ihn von Florenz nach Venedig und schließlich nach Istanbul führt – und das alles innerhalb 12 Stunden. Dabei stellt sich allerdings alles, aber auch wirklich alles, was in diesem Film passiert von vorn bis hinten als sinnlos heraus. Warum hängt der Plan des Milliardärs davon ab, dass Langdon alle Rätsel löst, bevor das Virus freigesetzt wird? Das Ganze funktionert auch ohne Langdon und ohne dieses aufgeblasene, pseudo-gelehrte und symbolbehaftete Getue unter Berufung auf Dante. Warum die Freisetzung des Virus in der Zisterne von Istanbul? Wozu? Der „versunkene Palast“ ist zwar atemberaubend, aber Zobrist sieht in seinem Vorhaben Pragmatismus. So jemand würde sein Vorhaben wahrscheinlich nicht mit all dem mystischen und rituellen Beiwerk hochdramatisieren.

Zugegeben, das klingt jetzt alles nicht viel anders als bei James Bond. Ist es auch nicht unbedingt. Darf man denn Filme mit zweierlei Maß messen? So ungerecht es klingt: Ich finde, man darf. James Bond nimmt sich selbst nicht so ernst. All die bewusst überdrehte Action und die absurden Storys sollen dem dem Publikum einfach Spaß machen. In Inferno laufen wir mit Robert Langdon durchs Museum, wie in Der DaVinci Code, aber von Spaß ist hier keine Spur. Denn zu allen Widersinnigkeiten ist unser Held auch noch ziemlich humorlos. Wenn ich schon im Kino dieser Ernsthaftigkeit und diesem Geschichts-Blabla ausgesetzt werde, dann will ich wenigstens etwas über Dantes Inferno lernen – oder über die wirklichen Probleme einer drohenden Überbevölkerung in den nächsten 40 Jahren. Das hab ich nicht.

Meine Bewertung bei IMDB: 5 Punkte
Aufgeblasenes, schwerfälliges Nichts. Das beste daran ist Tom Hanks, der für die Rolle des Robert Langdon diesmal sogar eine neue Perücke erhalten hat und somit die infernale Frisur der ersten beiden Teile endlich los ist.

Das Oscar-Rennen

Die Oscar-Verleihung steht vor der Tür. Man merkt’s. Woran? Das ganze Jahr über laufen Special Effects-geladene Action- und Superhelden-Filme (bessere und schlechtere) und ab Jänner kommt eine geballte Ladung „wertvoller Filme“, die um einen Oscar buhlen. Ich weiß dann gar nicht, woher ich die Zeit nehmen soll, um alles anzusehen, was mich interessiert.

Auf Zartbitter möchte ich allen einen kleinen Überblick geben, die diese Gelegenheit wahrnehmen und sich noch ein paar schöne Kinoabende machen möchten. Hier meine erste Kurzkritik:

Die Entdeckung der Unendlichkeit (The Theory of Everything)
Stephen Hawking ist sicher einer der brillantesten Menschen unserer Zeit. Er ist zu wichtigen Erkenntnissen im Bereich der theoretischen Physik und Astrophysik gekommen. Dabei ist er nicht nur unter Wissenschaftlern bekannt: Er hat komplexe Themen in populärwissenschaftlichen Büchern einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Selbst wer seine Bücher nicht gelesen hat, kennt den Mann, der bewegungslos im Rollstuhl sitzt und über einen Computer mit mechanischer Stimme spricht.

DieEntdeckung_PlakatDer Film beginnt mit dem jungen Stephen Hawking, wie er als nerdiger Student auf seinem Rad wild durch Cambridge rast. Doch bald schon wird bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert – eine nicht heilbare Schädigung der Nervenzellen, die für Muskelbewegungen verantwortlich sind. Während sein körperlicher Zustand sich verschlechtert, schließt er sein Studium ab, heiratet, wird Vater, lehrt an der Universität.

Eddie Redmayne spielt diesen außergewöhnlichen Mann mit großer körperlicher Disziplin. Denn um die Stadien in einem Krankheitsverlauf darzustellen, bei dem ein Mensch schrittweise die Beherrschung über seinen Körper verliert, muss der Schauspieler jeden einzelnen Muskel kontrollieren können – bis ins letzte Fingerglied. Die Darstellung von Stephen Hawking im fortgeschrittenen Stadium seiner Erkrankung lässt wenig Mimik zu. Wie es dem britischen Schauspieler trotzdem gelingt, den brillianten Geist des Wissenschaftlers und seinen Sinn für Humor stets durchblitzen zu lassen, ist faszinierend.

Filmbiografien sind für die Oscars immer ein heißer Tipp, obwohl sie – ehrlich gesagt – sehr oft nicht wirklich zu den besten Filmen des Jahres gehören. Die sogenannten Biopics holen aber trotzdem regelmäßig die Academy Awards für den besten Film (und oft auch für die beste Hauptrolle). Sei es Lawrence von Arabien, Gandhi, A Beautiful Mind, The King’s Speech, … die Liste ist endlos. Die Entdeckung der Unendlichkeit könnte sich trotz Schwächen in diese Liste einreihen.

Es ist zwar mal ganz interessant, etwas über das Leben eines außergewöhnlichen Menschen zu erfahren. Nur: Das Fortschreiten von Stephen Hawkings ALS-Erkrankung und die Entwicklung seiner Ehe reichen nicht als Haupthandlung für 120 fesselnde Film-Minuten. Zumindest habe ich das so empfunden. Der Film zeigt die Geschichte episodenhaft und verläuft dabei völlig ohne Überraschungen. An einigen Stellen wirken die Ereignisse ein wenig geschönt, besonders wenn es darum geht, wie sich die Beziehung von Stephen Hawkings zu seiner Frau Jane (Felicity Jones) auseinanderentwickelt.

Im letzten Jahr wurde viel über ALS geredet. Tausende Leute ließen sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf gießen – als Charity für die ALS-Forschung. Wer sich dabei gefragt hat, was die Diagnose ALS wirklich bedeutet, erfährt es in diesem Film. Es ist tatsächlich schwer, sich einen derartigen Einschnitt in ein Leben vorzustellen. Die Entdeckung der Unendlichkeit hat hier eine wunderbare Botschaft: Seine Mobilität zu verlieren ist nicht das Ende, ob durch ALS oder auf andere Art. Solange man sich nicht aufgibt, Erfüllung in einer Beschäftigung findet – und in einer Beziehung. Aber auch, solange man den Humor nicht verliert.

Verdient er den Oscar?
Bester Film: 40 %
Bester Hauptdarsteller: 100 %