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von Ayad Salim
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Ich traf die Schlepper in Istanbul, von denen einer aus dem Irak stammte. Er arbeitete für den größten iranischen Schlepper in Europa. Wir besprachen die Route aus der Türkei hinaus und er versicherte mir, dass die Route nicht schwierig ist und nach Europa führt. Nach drei Tagen stiegen wir in einen Bus raus aufs Land. Dort blieben wir bis zum Abend. Es war Ende November 2014. Zum Tagesanbruch stiegen wir in ein Landfahrzeug und die Schlepper sagten, dass wir uns ducken sollten. Wir fuhren fast eine halbe Stunde mit dem Traktor. Dann stiegen wir aus und begannen zu marschieren. Der Boden war matschig. Wir wanderten fast eine Stunde. Dann hieß es, der Weg sei nicht mehr sicher und wir gingen wieder ins Dorf zurück. Ich wusste nicht, wo genau ich war. Wir stapften fast zwei Stunden zurück durch den Matsch. Ich schwitzte sehr und spürte erste Anzeichen von Grippe. Im Dorf angekommen, führten uns die Schlepper in einen Kuhstall. Samt Schleppern waren wir zu zehnt. Wir machten Feuer, um uns warm zu halten, denn es war bewölkt und kühl.

Meine Grippe wurde immer schlimmer. Draußen begann es heftig zu regnen. Meine Temperatur stieg über Nacht so sehr an, dass ich zu halluzinieren begann – und wegen des Rauchs und des Feuers konnte ich kaum atmen. Es gab nur Stroh, um sich darauf hinzulegen. Der Geruch von Kuhmist mischte sich mit dem Rauch. Ein unerträglicher Ort.
Ich beschloss, am Morgen nach Istanbul zurückzukehren, weil ich einfach zu krank war. Bei Tagesanbruch begannen meine Freunde ihre paar Habseligkeiten zu packen. Zu viel mitzunehmen wäre eine Belastung auf der Reise. Ich sagte einem der Schlepper, dass ich umkehren möchte, weil ich zu müde und zu krank bin. Doch er und meine Mitreisenden, Syrer und Iraker, versuchten mich wieder umzustimmen. Der Schlepper versicherte mir, dass wir nach Istanbul zurückkehren, falls dieser Versuch scheitert. Ich beschloss noch einen Versuch zu machen. Nur diesmal war ich von der Grippe und dem Fieber erschöpft. Wir verließen den Kuhstall auf dieselbe Weise, wie wir reinkamen – mit dem Traktor. Wir fuhren an den Ort, von dem aus wir unseren Weg zu Fuß starten sollten. Es hatte noch immer nicht aufgehört zu regnen und wir begannen in dem kalten Regenwetter zu marschieren. Wir kamen an einen Ort, den die Schlepper „den Punkt“ nannten. Hier hieß es warten. Es war Mittag und wir mussten bis zum Sonnenuntergang dort bleiben. Die Schlepper sagten uns, dass wir jetzt weitergehen. Wir kamen in sehr matschiges Gelände. Mein Rucksack wurde mir zu schwer und ich konnte kaum atmen. Das Gehen wurde immer beschwerlicher. Wir waren knietief im Matsch und mussten das Gebiet schnell verlassen. Ich konnte nicht mehr weiter – wegen der Grippe, des Regens und der Erschöpfung. Die Frauen fielen im Matsch hin. Wir halfen ihnen auf, damit sie weitergehen konnten. Ich bleib stehen und fiel beinahe um, aber einer der Schlepper half mir weiter. Es wurde Nacht.

Wir setzten unseren Weg fort und erreichten den nächsten Ort. Die Schlepper sagten uns, dass wir durch den Stacheldrahtzaun durch müssen. Wenn wir auf der anderen Seite sind kommen dann Autos. Ich glaube, es war eine Staatsgrenze. Die Schlepper prüften, ob die Straße sicher ist. Nach ungefähr einer Stunde kamen sie zurück und sagten, dass die Straße wegen Polizeikontrollen nicht sicher ist. Wir mussten einen anderen Weg nehmen.

Wir wanderten ca. drei Stunden durch matschiges Land und durchquerten einen ca. drei Meter breiten Bach. Für mich war das auch schon egal. Ich war ohnehin vom Regen durch und durch nass. Als wäre der Regen nicht genug, nahm auch noch der Wind zu und es wurde sehr kalt. Wir kamen in ein sehr weites, offenes Gebiet, durch das eine Straße führte. Ich dachte, dass unser Weg jetzt vorbei sei und Autos kommen würden. Die beiden Schlepper kontaktierten die Fahrer; sie werden in 15 Minuten da sein, hieß es. Eine Stunde später waren sie noch immer nicht da. Ich dachte, mein Blut würde aufhören zu fließen wegen der Kälte. Ein paar andere begannen zu schreien und die Frauen zu weinen. Wir wollten einfach nur, dass irgendjemand uns mitnimmt – und wenn es die Polizei ist. Wir wollten einfach nur raus aus dem Regen. Es war unerträglich. Ich sagte mir: „Werde ich hier sterben? Ist das mein Ende?“ Ich betete, dass ich nicht hier in diesem fremden Land sterbe. Ich fürchtete mich nicht vor dem Tod, aber ich wollte nur nicht an einem Ort sterben, an dem mich niemand kennt. Wie würden meine Familie und meine Kinder davon erfahren, für die ich mein Land verlassen hatte?

Die Sekunden kamen mir wie Jahre vor, während ich im Geiste auf mein Leben zurückblickte. Ich akzeptierte die Vorstellung, dass ich sterbe. Ich spürte meine Arme und Beine schon nicht mehr. Endlich riefen die Schlepper: „Autos! Kommt, macht euch bereit!“ Ich konnte die Autos sehen und plötzlich wurde mir wärmer. Ihre Lichter waren wie ein Hoffnungsschimmer. Doch sie fuhren an uns vorbei, ohne anzuhalten. Aber sie kamen zurück.

Es war warm in den Autos. Beide Fahrer sprachen eine Sprache, die wie Russisch klang. Ich schloss meine Augen und spürte aus Erschöpfung und wegen der Wärme gar nichts mehr.

Fortsetzung folgt …

Why Austria … episode 5
I met the smugglers in Istanbul one of whom was from Iraq. He worked for the top Iranian smuggler in Europe. We agreed on a way out by land and he assured me that the route is not difficult and will lead to good European countries. After three days we boarded a bus to a rural area where we stayed until evening. That was in late November 2014. At dawn we boarded a farmer’s trailer and the smugglers asked us to duck down. After almost half an hour we got off and continued on foot. The ground was muddy. We walked for about an hour and then they told us it was not safe, so we would have to return to the village. I did not know where I was. We walked back through the mud for more than two hours. I was sweating a lot and starting to show symptoms of flu. We reached the village and the smugglers put us in animal corrals for cows. We were ten people including two of the smugglers. We made a fire inside to keep warm because the weather was cloudy and cool. They did not allow us to open the net, fearing that people might notice us.

Outside it started raining heavily and my flu got worse and worse. My temperature rose so high during the night that I began to hallucinate, and I couldn’t breathe because of the smoke from the heating fire. There was nothing to lie back on but the straw. The smell of cow dung mixed with smoke, and the place became unbearable.

I decided to go back to Istanbul in the morning because I was very ill. The next day at dawn, my friends began to pack their few possessions, as we could not take a lot of stuff so as not to be a burden on the trip. I told the smuggler that I wanted to return because I was tired and ill. He tried to persuade me to stay, and my companions, the Syrians and the Iraqis, also tried to convince me to change my mind again. The smuggler assured me that if the attempt failed that day we would return to Istanbul. I decided to continue on the journey just once more. Only this one time. I was just fatigued from the flu and the fever.

We came out of the byre in the same way, by tractor, to the designated location to start our hike. The rain had not stopped since the night before. We started walking in this cold, rainy weather. We walked for several hours in forests and between the trees and the muddy ground. We got to a place the smugglers called “the point”, and they asked us to wait. It was noon. We waited for sunset. The smugglers asked us to walk again. We entered very muddy places. My backpack became too heavy because of the rain and I could hardly breathe. Walking became too difficult; we were knee-deep in mud and had to leave the area quickly. I couldn’t carry on walking because of the flu, the rain and the fatigue. The women fell in the mud. We helped them up so they could go on. I stopped and was about to fall down but a smuggler helped me to carry on. Night came.

We continued on our trek and reached another point. The smugglers told us to wait for the cars that would pick us up after we crossed the barbed wire. I think it was a border. The smugglers went to check the road. Rain fell constantly and I could barely breathe. After about an hour they came back and said that the road was not safe because of a police control. We had to take a different way. We walked for about three hours through muddy land and crossed a river that was about three metres wide. This made no difference to me. All my clothes, even down to my underwear, were wet anyway because of the rain. On top of the constant rain, the wind became stronger and very cold. We arrived at an open space and a road. I thought that our trip was over and the cars would now come. The two smugglers contacted the drivers; they would come within 15 minutes. An hour later they had still not arrived. I felt like my blood would stop because of the cold. Some of the others started shouting and the women screaming and crying. We just wanted anyone to take us – even if they were the police. We just wanted to get out of the rain. It was unbearable. At that time I felt I was going to die and I said to myself, “Will I die here? Is this my end?” I prayed that I wouldn’t die in this foreign place. I didn’t fear death, but I didn’t want to die in a place where no one knew me. How would they tell my family and my children, for whom I had left my country?

The seconds felt like years as I thought back on my life. Actually I succumbed to the idea of death; because I no longer had any feeling in my arms and legs. Finally the smugglers shouted, “Cars! Come, get ready.” Suddenly I felt warm as I saw the cars coming toward us, their lights like a glimmer of hope. At first, the cars passed without stopping and I felt my hope go away, but they returned.

It was very warm in the cars. Both drivers spoke a language that sounded like Russian. I closed my eyes and couldn’t feel anything anymore because of exhaustion and the warmth.

To be continued …

لماذا النمسا .. الحلقة 5 

في اسطنبول التقيت باحد المهربين وكان من العراق وهو يعمل لصالح مهرب كبير في اوربا ايراني الجنسية. اتفقنا على طريقة الخروج عبر البر واكد لي بان الطريق ليس بالصعب على ان يتم ايصالي الى احد الدول الاوربية الجيدة. بعد ثلاثة ايام ركبنا في باص الى منطقة ريفية وبقينا حتى المساء فيها. كان هذا في نهاية شهر نوفمبر 2014. وعند الفجر ركبنا جرار زراعيا وطلبوا منا خفض رؤوسنا. تحرك بنا الجرارنصف ساعة تقريبا ثم نزلنا وبدأنا المسير. وكانت الارض طينية. مشينا حوالي ساعة ثم قال لنا المهرب بانه علينا العودة الى القرية لان الطريق غير آمن. لم اعرف اين انا. عدنا مشيا واستغرقنا اكثر من ساعتين في ارض تلك الارض الطينية. تعرقت كثيرا وبدأت علي اعراض الانفلونزا. وصلنا الى القرية ووضعونا في زريبة لجمع القش والآلات الزراعية وفيها بقر ايضا. كنا عشرة اشخاص مع اثنين من المهربين. اشعلنا نارا داخل الزريبة للتدفئة لان الجو كان غائما وباردا. لم يسمحوا لنا بفتح الشباك خشية ملاحظة الناس لوجودنا.

بدأت الانفلونزا تزداد حدتها معي وبدأت الامطار تهطل بغزارة في الخارج. ارتفعت حرارتي كثيرا في الليل وبدأت اهذي ولا استطيع التنفس من الدخان بسبب اشعال النيران للتدفئة. لم يكن هناك اي شيء نستلقي عليه سوا القش. رائحة روث البقر اختلطت مع الدخان فاصبح المكان لايطاق.

قررت ان اعود الى اسطنبول عندما ياتي الصباح لاني كنت مريضا جدا. في اليوم التالي عند الفجر بدأ رفاقي يحزمون امتعتهم القليلة لانه لم يكن بمقدورنا ان ناخذ الكثير من الاغراض كي لا تكون عبئا علينا في الرحلة. قلت للمهرب اني اريد العودة فحاول اقناعي بالبقاء. وتدخل من كان معي في الرحلة من السوريين والعراقيين لاقناعي بالعدول عن قراري. المهرب اكد لي انه اذا فشلت المحاولة لهذا اليوم سنعود الى اسطنبول. عندها قررت الاستمرار في الرحلة لهذه المرة فقط وكنت مرهق من الانفلونزا والحمى.

خرجنا من الزريبة وبنفس الطريقة بواسطة الجرار الى المكان المحدد للنزول لبدء المسير. الامطار لم تتوقف منذ الليلة الماضية. بدأنا المسير في هذا الجو الممطر والبارد. مشينا لعدة ساعات وسط غابات وبين الاشجار والارض الموحلة والامطار من فوقنا تهطل باستمرار والتي كانت تخف احيانا لكنها لم تتوقف ابدا. وصلنا الى مكان يقال له (النقطة) وطلب منا المهربان ان ننتظر هنا وكان الوقت ظهرا. انتظرنا لحين الغروب ثم طلبوا منا المسير ايضا. دخلنا في اماكن موحلة جدا واصبحت حقيبة الظر ثقيلة جدا علي بسبب الامطار وبالكاد استطيع التنفس. اصبح السير صعبا جدا بحيث ان ارجلنا تغوص فيها الى حد الركبة تقريبا ولابد من تجاوز تلك المنطقة بسرعة. هنا لم اعد اقدر المشي بسبب الارهاق من المرض والامطار والتعب. كان معنا نساء سقطوا في الطين وساعدناهن في المسير. ;kj كنت على وشك السقوط لكن احد المهربين ساعدني في الاستمرار واصبح الوقت ليلا.

استمرينا بالمسير ووصلنا الى نقطة اخرى وقال لنا المهربان هنا سننتظر السيارات التي ستحملنا بعد ان عبرنا اسلاكا شائكة واعتقد انها كان حدودا فاصلة. ذهب المهربان لتفقد الطريق والامطار مستمرة بالهطول وبالكاد كنت استطيع التنفس. بعد ساعة تقريبا جاؤوا الينا ليقولا بان الطريق غير آمن ويوجد شرطة على الطريق ولابد من تغيير المسار. سرنا مرة خرى لمدة ثلاث ساعات تقريبا في اراض موحلة جدا وعبرنا نهرا صغيرا. لم يعد هذا مهما فكل ملابسي حتى الداخلية منها كانت مبللة بسبب المطر. بدات الرياح تشتد وتزداد برودة بشكل قارس. وصلنا الى مكان مفتوح ويوجد فيه شارع للسيارات. ظننا بان الرحلة انتهت وان السيارات قادمة. بدأ المهربان بالاتصال لكي تاتي السيارات الينا وقالوا انها ستاتي خلال 15 دقيقة. مضت ساعة ولم تظهر السيارات وبدأت اشعر بان دمي بدأ يتوقف عن الجريان بسبب المرض والبرد والمطر المستمر والرياح. وبدأ بعض الرفاق بالصراخ والنساء تبكي وتصرخ ايضا. كنا نريد اي شخص ياخذنا حتى لوكانت الشرطة لكي نتخلص من المطر لان البرد لم يعد يحتمل. هنا احسست باني سأموت وقلت في نفسي هل سأموت هنا؟ اهذه نهايتي؟ وصليت بان لا اموت في هذا المكان الغريب. لم اكن اخشى الموت لكني لم اكن اريد ان اموت في مكان لايعرفني فيه احد وكيف سيصل الخبر الى اهلي واولادي الذين خرجت ايضا من اجلهم.

ثواني مرت علي كانها سنين بين اليأس والامل وانا استرجع ذكريات حياتي. ثم حاولت جمع شتات نفسي واقوم بتهدئة الرفاق لكن لم اكن استطيع التحرك من البرد. استسلمت فعلا لفكرة الموت لاني لم اعد اشعر باعضائي من البرد. هنا صرخ احد المهربين قائلا „جاءت السيارات استعدوا“. كان الوقت عندها منتصف الليل. شعرت بدفئ مفاجئ وانا ارى انارة السيارات قادمة نحونا وكانها بصيص الامل في الحياة الذي اختفى. وكان لابد من الاختفاء قليلا لاحتمال ان تكون تابعة للشرطة. مرت السيارات دون توقف واحسست بان الامل انتهى، لكنها عادت مرة اخرى لانهم كانوا يستكشفون الطريق. ركبنا السيارتين بسرعة عجيبة وكانت السيارات دافئة جدا. السائقان كانا يتحدثان لغة غريبة قريبة الى الروسية. اغمضت عيني ولم اعد اشعر بشيء لاني كنت مبلل تماما..

الى اللقاء في الحلقة القادمة لتكملة الحلقة

Vier Flüchtlinge aus vier Ländern werden an der Universität Salzburg im Rahmen des Projekts „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ über ihr gefährliches Leben berichten. Darunter auch Gerald Manjuo, der von Kamerun nach Salzburg kam und den wir nun näher vorstellen. 

Früher war Gerald Manjuo als Reiseführer auf der gesamten Welt unterwegs. Er arbeitete unter anderem einige Jahre für die Swiss Air, darum spricht der Kameruner auch sehr gut Deutsch. Im Juni dieses Jahres  kam er nach Traiskirchen, seit Juli wohnt er in Salzburg. Er musste flüchten, weil er in seinem Heimatland Kamerun politisch verfolgt wurde.

Der afrikanische Staat war bis zum Ende des 1. Weltkriegs eine deutsche Kolonie. Danach wurde er zwischen den Briten und Franzosen aufgeteilt. Seit 1960 ist Kamerun eine Präsidialrepublik mit einer eigenen Verfassung, dennoch besteht noch immer eine große soziale Kluft zwischen den beiden Territorien. Gerald Manjuo kommt aus dem ehemals britisch besetzten Teil Kameruns, genauer gesagt aus der Zwei-Millionen-Metropole Douala, das im Südwesten an den Atlantik grenzt.

„Kamerun ist geprägt von Korruption, und es gibt ständig Menschenrechtsverletzungen. Der Westen des Landes steuert vor allem durch die Öl-Vorkommen einen Großteil für das wirtschaftliche Vorankommen bei, dennoch werden wir noch immer unterdrückt“,  erklärt der 43-Jährige.

Also habe er sich mit anderen Gleichgesinnten zusammengeschlossen, um gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Bei einem Treffen der 53 Staaten des Commonwealth hatte er die Möglichkeit, seine Anliegen den ausländischen Politikern zu schildern. „Ich war danach drei Wochen im Gefängnis, konnte mit niemandem sprechen.“ Sie hatten ihm während dieser Zeit auch gedroht, dass er bei einem weiteren Verstoß die Todesstrafe bekommen würde.

Dennoch ließen sich Gerald Manjuo und seine Mitstreiter nicht mundtot machen. „Wir haben eine Gruppe gegründet und versucht, vor allem über die Medien auf die Missstände aufmerksam zu machen.“ Nach einem Bombenanschlag auf ein Studentenheim wurde seine Gruppe als Drahtzieher des Attentats beschuldigt, obwohl es keinerlei Beweise gab. „Das war für die Regierung eine gute Chance, uns loszuwerden.“ Manjuo musste sich daraufhin verstecken, durch gute Kontakte gelang ihm schließlich per Flugzeug die Flucht. Zuerst in die Türkei und dann nach Österreich.

Nun versucht er, den Dialog mit Politikern in ganz Europa zu suchen. „Europa hat an unserer Misere großen Anteil und muss uns endlich helfen“, sagt er. Er hofft, dass der jetzige Präsident in Kamerun, Paul Biya, der bereits seit  1982 im Amt ist, bald Geschichte sein wird. „Er ist  82 Jahre alt. Ich sehne mich nach einem Ende seiner Herrschaft“, sagt Gerald Manjuo, der hofft, in ein paar Jahren zu seiner Familie nach Kamerun zurückkehren zu können.

Informationen zum Projekt: „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ wurde vom Friedensbüro und dem Verein Intersol ins Leben gerufen. Vier Flüchtlinge erzählen in der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät über ihr Leben auf der Flucht. Die Termine der moderierten Gespräche sind am 28. Oktober, 11. November, 25. November und 9. Dezember ab jeweils 17.30 Uhr im Hörsaal 381.

von Ayad Salim

Warum Österreich? Episode 1Warum Österreich? Episode 2  /  Warum Österreich? Episode 3

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Ich verließ Istanbul und fuhr in die Provinz, wo meine Verwandten wohnten. Ich traf dort zwei Tage später einen Araber. Er behauptete, er könne mich in ein europäisches Land bringen, nannte aber weder Datum noch Zeitraum. Wir vereinbarten, uns ein paar Tage später wiederzusehen – nach den Feiertagen zum Ende der islamischen Pilgerzeit. Nach diesem Treffen spürte ich Hoffnung und Angst zugleich. Die Hoffnung, in die Sicherheit eines Landes zu gelangen, in denen Menschenrechte geachtet werden. Und die Angst, dass etwas meine Hoffnung zunichte machen könnte.

Ayad Türkei1An den Tagen vor dem Fest (das auf Arabisch Eid heißt) füllten sich die Plätze der türkischen Städte mit Menschen und Verkaufsständen, die alles anboten – von Kleidung zu Haushaltswaren. Ich erinnerte mich daran, wie ich im Irak mit meiner Familie die Märkte besuchte. Und wie meine Söhne und ich gemeinsam darüber redeten, was wir alles kaufen wollten. Jeder von ihnen bekam etwas: Ich begann mit meinem ältesten Sohn, Abdullah, dann Omar und schließlich bekam auch Salem, mein jüngster Sohn, etwas. Ich kaufte ihnen schöne Kleidung und andere Dinge. Danach gingen wir gemeinsam essen. Das letzte Mal war ich 2011 mit ihnen einkaufen – vor der Scheidung. Es waren schöne Zeiten. Immer wenn ich nun solche Szenen in der Türkei beobachtete, blieb die Zeit für mich stehen und ich spürte, wie eine Traurigkeit mein Herz zerdrückte.

Eid kam, aber ich bekam nichts davon mit. Ich tauschte keine Glückwünsche am ersten Tag aus. Und bei all der freudigen Aufregung und dem bunten Treiben in der Stadt war ich ein Außenstehender. Ich fühlte mich, als würde ich in einem dunklen Keller leben. Ich zog mich in mein Zimmer zurück, schloss die Tür und blieb alleine.

Die Feiertage gingen vorüber und ich wartete auf einen Anruf von dem Mann, der mich aus der Türkei rausholen und nach Europa bringen sollte. Zwei Tage später trafen wir uns. Was er über die Reise sagte, war nicht schlüssig und ich fühlte mich dabei ganz und gar nicht wohl. Er konnte mir kein einziges konkretes Detail über den zeitlichen Ablauf und die Orte nennen. Er verlangte nur mehr Geld. Wir wurden uns nicht einig und so brach ich den Kontakt ab. Mich überkam daraufhin ein Gefühl, das Worte nicht beschreiben können.

Doch dann hörten meine Tränen auf zu fließen und ich beschloss, mich nicht der Traurigkeit hinzugeben, sondern dieses Gefühl als Ansporn zu nehmen, nach Europa zu gelangen. In ein Land, wo ich frei und sicher sein und ein würdiges Leben führen konnte – und das mir die Möglichkeit gibt, meinen Kindern eine anständige Zukunft zu bieten. Ich beschloss daher, wieder nach Istanbul zurückzukehren und dort einen Ausweg zu finden.

Fortsetzung folgt …

Why Austria – Episode 4

I left Istanbul and went to the province, where my relatives lived. I met an Arab two days later. He claimed he could take me to a European country but neither specified the time nor the date. We agreed to meet a few days later, after the holidays that conclude the Islamic pilgrimage season. After that meeting I felt hope and fear at the same time. The hope of getting to safety and to a country that offers a high level of human rights. And the fear that something will destroy my hopes.

In the days before the feast (called Eid in Arabic) squares in the Turkish cities became more crowded with shoppers and vending stalls that sold everything from clothes to household goods. I remembered how I used to go to the markets with my family in Iraq and how my sons and I discussed all the things we wanted to buy. Each one of them got something. I always started with my oldest son Abdullah, then Omar and finally my youngest son, Salem. I used to buy them the best clothes and nicest things and then we had a meal together. The last time I went out shopping with them was in 2011, before the divorce. Wonderful times. Time stopped to me while I saw these scenes in Turkish cities. And I felt great sadness squeezing my chest.

The days of the Eid came, but I didn’t even notice. I didn’t exchange congratulations with anyone on the first day and was not part of the excitement and the colourful hustle and bustle in the city. It felt as though I were living in a dark cellar. I got back to my room, closed the door and stayed on my own.

Eid passed, and I waited for a call from the person who was supposed to get me out of Turkey and to Europe. Two days later we met. What he said about the trip didn’t sound coherent and I didn’t feel comfortable about it. He did not give a single specific detail about the timing and places, but asked for more money. I broke off the contact, as we didn’t come to an agreement.

I felt a feeling that words cannot describe. The tears stopped in my eyes and I decided not to give in to sadness and turn it into a spur to get to Europe. To a country where I would be free and safe and live with dignity. A country where I could live a better life and secure a decent future for my children. So I decided to return to Istanbul to search for a way out.

To be continued …

لماذا النمسا ؟ .. الحلقة الرابعة وصلت من اسطنبول الى المكان الذي كان يسكن فيه اقاربي. وبعد يومين التقيت شخصا عربيا عمره مقارب لعمري. ادعى بانه قادر على ايصالي الى احد البلدان الاوربية لكنه لم يحدد الوقت والموعد. اتفقنا على ان نلتقي بعد ايام قليلة وتحديدا بعد انقضاء ايام العيد الخاص بموسم الحج للمسلمين. دفعة من الامل والخوف معا كانت تسري في جسدي. الامل بالخلاص والوصول الى بلد يتمتع بمستوى عال من حقوق الانسان والخوف من حدوث شيء يمنع هذا الامل. ايام ما قبل العيد بدأت الساحات في المدن التركية بالتزاحم بسبب الناس المتبضعين وانشاء المحلات الصغيرة المؤقتة لبيع مختلف البضائع من ملابس وحاجات منزلية خاصة بالعيد. وكلما رائيت حاجة او قطعة ملابس خاصة بالاولاد، حينها تذكرت كيف كنت اخرج مع عائلتي في العراق الى الاسواق ومعي اولادي ونحن نتبادل الحديث حول كل حاجة نريد شرائها. نقوم باختيار الملابس لكل واحد من اولادي كنت ابدأ بالكبير عبدالله ومن ثم عمر واخيرا ابني الصغير سالم. كنت معتادا ان اشتري لهم افضل الملابس والاشياء. كان اخر تسوق لي معهم عام 2011 قبل الطلاق. كانت اوقاتا رائعة ونحن نشتري الملابس وايضا ندخل بعض المطاعم لتناول السندويشات والمرطبات بعد كل جولة في الاسواق. توقف الزمن عندي وانا ارى هذا المنظر في المدن التركية. وشعرت بكل حزن الدنيا يعصر صدري. لم تعد الدموع هنا كافية للتخفيف عني. الالوان اختفت عن انظاري. اصبح اللون الرمادي هو السائد. رفعت عيني الى السماء واخرجت نفسا عميقا احسست ان كل حياتي وروحي تخرج معه. جاءت ايام العيد ولم احس بها. التبادل التهاني مع اي شخص في اليوم الاول. كنت اشعر باني داخل قبو مظلم رغم كل الالوان الزاهية التي تزينت بها المدينة من ملابس الاطفال والناس الفرحين بايام العيد. الاولاد مع ابويهم. وايضا تذكرت في اول ايام العيد كيف نتناول الفطور الخاص بهذه الايام. ويقوم الاب باعطاء النقود لاولاده وهو ما نسميه بالعيدية بعد ان يرتدوا ملابسهم الجديدة. رجعت الى غرفتي واغلقت الباب وبقيت لوحدي. شعور لاتصفه الكلمات من الحزن والحسرة. توقفت الدموع في عيني من كثرتها. وتوقفت الافكار في عقلي من تزاحمها. وفي المساء قررت ان لا استسلم للحزن وان اجعل من هذه اوقات العصيبة دافعا لي للوصول الى حياة افضل لكي اعيد نفس الذكريات مع اولادي اوقات العيد ومن اجل تامين حياة كريمة لهم في بلد كريم. انقضت ايام العيد وانتظرت اتصالا من الشخص الذي سيقوم باخراجي الى اوربا. اتصل بعد يومين من انتهاء العيد والتقيت به. لم يكن كلامه مريحا ومترابطا بشان الرحلة. لم يعطي تفاصيل مقنعة عن التوقيتات والاماكن، وطلب اموال كثيرة. لم اتفق معه وانهيت اللقاء. ازداد الحزن في نفسي لكن ازداد معه اصراري بالنجاح والوصول الى اوربا من اجل حياة افضل اهم شيء فيها ان اكون انسانا آمنا وحرا وان اعيش بكرامة ومن اجل اولادي ايضا كي يبقون فخورين بي لان ساقوم بتامين حياة افضل لهم. لهذا قررت العودة الى اسطنبول من اجل البحث عن مخرج. من جديد … الى اللقاء في الحلقة المقبلة لتكملة القصة

von Ayad Salim

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Warum Österreich? Diese Frage interessiert wahrscheinlich viele Leute in diesem schönen Land. Ich möchte meine Geschichte erzählen, um diese Frage beantworten.
Ich bin Journalist (Fernsehreporter), Übersetzer, Englisch-Lehrer und Musiker. Aber vor allem bin ich ein Mensch. In meinem Heimatland, Irak, lebte ich gut – finanziell wie gesellschaftlich. Trotz der Gefahren und Ereignisse im Irak im Allgemeinen und Bagdad im Besonderen. Ich war vielen Gefahren ausgesetzt: Weil die diversen Schiiten-Parteien und ihre Milizen beim Aufteilen des Kuchens, denn der Irak besitzt viele Reichtümer, immer mehr Kontrolle erhalten haben. Und weil ich Sunnit bin – und Journalist. Als solcher muss ich den Menschen die Wahrheit berichten.

Ich wollte nur ein würdiges Leben in Sicherheit All I wanted was a safe and dignified life

Ein würdiges Leben in Sicherheit
A safe and dignified life

Seit 2003 – bis zu meiner Abreise aus dem Irak – war ich wegen meiner Glaubenszugehörigkeit und meines Berufs vielem ausgesetzt. Vielen Gefahren. Ich habe mit allen Mitteln versucht, mein Leben zu leben und weiterzumachen, um meine Aufgabe voll zu erfüllen. Das ist meine Pflicht meinem Heimatland gegenüber.
Meine Eltern leben in Ninive. Doch seit der Besetzung der Stadt durch den Islamischen Staat 2014 kann ich nicht mehr dorthin reisen, weil der IS Journalisten umbringt, wie Sie wahrscheinlich schon gehört haben. Durch meinen Beruf musste ich die Wahrheit über die Kämpfe in Anbar im Westen Iraks und in Tikrit im Norden Iraks berichten. Die Regierung kam dabei nicht gut weg. Man versuchte deswegen, mich zu verhaften, und letztlich gab es einen Mordanschlag auf mich in Baghdad, wo ich arbeitete und lebte. Ich konnte nicht mehr länger im Irak bleiben, denn ein Leben in Sicherheit war nicht mehr möglich.
Ich bin jetzt 44 Jahre alt und die Entscheidung, mein Land zu verlassen, alles hinter mir zu lassen – die Gegenwart und die Zukunft – war alles andere als leicht. Man ist wie innerlich abgestorben.
Ich floh zuerst in die Türkei. Ich wurde dorthin geschmuggelt, denn offiziell konnte ich nicht reisen – aus Angst vor den mächtigen Milizen der Regierung und des staatlichen Sicherheits- und Militärapparats. Ich floh mit dem, was ich tragen konnte sowie mit einer Menge an Kindheitserinnerungen an mein Heimatland Irak und der Hoffnung auf ein sicheres und würdiges Leben in einem europäischen Land. Ich wusste nur noch nicht, welches.
Fortsetzung folgt …

 

Why Austria? – Part 1

Why Austria? A question that’s probably on many people’s minds in this noble country. But for me, telling my story answers this question.
I am a journalist (TV reporter), translator, English language teacher and musician. But foremost a human being. In my country, Iraq, I was living very well, financially and socially, despite the risks and events that surrounded Iraq in general and Baghdad in particular because of the growing control of the many and various Shiite parties and the militias involved in the sharing of the nation cake owing to Iraq’s countless fortunes. I faced great risks because I am a Sunni and a journalist who must tell people the truth.
From 2003 until my departure from Iraq, I was exposed to a lot of dangers because of my sectarian affiliation and because of my work. I tried by all means to live and to continue my work in order to fulfil my duty towards my homeland.
Since the 2014 occupation by the Islamic State of Nineveh, where my parents live, I can no longer go to this province, because the Islamic State kills journalists, as you may know. And because of my job of telling the truth about the fighting in Anbar in the west of Iraq and Tikrit in the north, which were not in favour of the government, I was constantly in danger of being arrested, and finally, there was an attempt on my life in Baghdad, where I work and live. It therefore became impossible for me to stay in Iraq, because it was no longer safe there.
As I am now 44 years old, the decision to leave my country, to cut all ties and break away from the present and the future is not easy at all. It like being dead inside.
In the first phase of my escape I was smuggled to Turkey, because I could not officially leave, owing to the powerful militias in the government and the security and military apparatus. I fled carrying suffering and a package of childhood memories of my home country, and with some hope of a safe and dignified life in a European country not yet been determined.
To be continued …

لماذا النمسا .. الحلقة الاولى
سؤال ربما يراود الكثيرين من سكان هذا البلد الكريم لكنه بالنسبة لي يحكي قصتي التي تجيب على هذا السؤال.
انا صحفي (مراسل تلفزيوني) ومترجم ومدرس لغة انكليزية وموسيقي ايضا لكن انسان قبل كل شيء. كنت في بلدي العراق بوضع جيد جدا ماليا واجتماعيا رغم الاحداث والمخاطر التي كانت تحيط بالعراق عموما وبغداد خصوصا. تعاظم سيطرة المليشيات الشيعية التابعة للاحزاب المختلفة والكثيرة التي تشارك في اقتسام كعكة الوطن لما به من خيرات لاتعد ولاتحصى. وبسبب كوني سني وعملي كصحفي ورسالة الصحافة بان ننقل الحقيقة للناس واجهت مخاطر كبيرة.
منذ 2003 وحتى خروجي من العراق تعرضت للكثير الكثير من الاخطار بسب انتمائي المذهبي وبسبب عملي. حاولت بشتى الوسائل العيش والاستمرار في بلدي لنقل رسالة الصحافة التي لابد من تتم على الوجه الكامل. انه واجبي تجاه وطني.
ومع احتلال الدولة الاسلامية للموصل عام 2014 حيث يسكن اهلي, لم يعد يمكنني الذهاب الى هذه المحافظة لان الدولة الاسلامية تقتل الصحفيين كما تعرفون. وبسبب نقلي الحقيقة لاخبار المعارك في الانبار غربا وتكريت شمالا والتي لم تكن في صالح الحكومة تعرضت لمحاولات للاعتقال واخيرا الاغتيال في بغداد مكان عملي وسكني. فاصبح بذلك من المستحيل البقاء في العراق بعد ان اصبحت الحياة الآمنة فيه مستحيلة.
بعد ان اصبحت بعمر 44, فان قرار الخروج مرغما من بلدي وقطع كل الجذور فيه والانفصال عن الحاضر والمستقبل قرار ليس بالسهل اطلاقا بل اشبه بالموت حيا.
خرجت في اول خطوة الى تركيا عن طريق متعهد باخراج الناس عن طريق التهريب لاني لم اكن استطيع الخروج بشكل رسمي خوفا من المليشيات المتنفذة في الحكومة وكل الاجهزة الامنية والعسكرية. خرجت لا احمل سوى معاناة وحزمة من ذكريات الطفولة والعيش في بلدي العراق وبعض الامل في حياة امنة وكريمة في بلد اوربي لم يحدد بعد.
الى اللقاء ..في الحلقات القادمة لتكملة القصة

Manchmal gibt es Zufälle, die keine sein können. Es ist Abend auf Burgazada, nach einer Kartenrunde plaudern wir über unsere Urlaubslektüre, kommen über Umwege auf Elias Canetti zu sprechen. Auf seine Bücher, auf seine Herkunft und sein Leben. Canetti war sephardischer Jude. Seine Vorfahren waren Juden, die nach der Rückeroberung Spaniens im 15. Jahrhundert durch die Katholiken, gemeinsam mit den Muslimen flüchten mussten. Die tolerante Politik der Sultane ermöglichte vielen Juden die Ansiedelung im damaligen Osmanischen Reich, von Nordafrika bis auf den Balkan. Bewahrt haben sich die sephardischen Juden über die Jahrhunderte ihre jüdisch-spaniolische Sprache, auch Ladino genannt, die  Muttersprache Canettis. Im 20. und 21. Jahrhundert ging und geht diese Sprache aus dem Mittelalter verloren. Viele sephardische Juden wanderten aus dem ehemaligen Osmanischen Reich und der heutigen Türkei nach Israel und andere Länder aus. Nur mehr wenige Juden in Istanbul sprechen Ladino. Ihre Geschichte hat mich schon während meines Studiums stark beschäftigt und beeindruckt.FotoSartorius

Am nächsten Morgen schmökere ich in dem Buch „Die Prinzeninseln“ von Joachim Sartorius. Auf Seite 118 stoße ich auf eine Stelle, in der es heißt:“Hier (Büyük Ada) sitzen in der nächsten Nische nicht drei junge, sondern drei ältere Damen. Ich traue meinen Ohren nicht. Sie sprechen Ladino, die Sprache der Sephardim, die Ende des 15. Jahrhunderts hierhergekommen sind. … Jetzt im Jahre 2008, diesen alten Frauen zuzuhören, elektrisiert mich.“

Spannend, wir sprachen über Canetti, Ladino und jetzt die Stelle in Sartorius Buch. Beim Frühstück bilde ich mir dann ein, von der Straße spanische Wortfetzen zu hören, so nimmt mich das gefangen. Untertags am Strand dann Ablenkung mit einem guten Krimi von Joy Fielding. Die Sepharden sind wieder aus meinem Kopf verschwunden. Am Abend wollen wir es uns in einem Cafe am Hafen gemütlich machen und ein gutes Iskender Kebap genießen. Wir streifen herum und entdecken in einem Cafe einen Tisch direkt am Wasser. Wir nehmen Platz, scherzen mit dem Kellner und geben unsere Bestellung auf. Gegenüber sitzt eine amerikanische Familie, die eine Riesenportion Pommes Frites verdrückt. Daneben zwei ältere Damen, die sich auf Türkisch über das Geschehen am Hafen unterhalten. Auch wir genießen es, dem Treiben zuzusehen und es zu kommentieren. Plötzlich höre ich Spanisch vom Nebentisch. Ich blicke hinüber, höre konzentriert hin, nein die Damen sprechen Türkisch. Wir lachen über meine kleine aktuelle Besessenheit. Unsere Getränke kommen, eine Zigarette verkürzt das Warten auf das Essen. Schon wieder, ich höre schon wieder Spanisch. Auch auf die Gefahr hin mich bis auf die Knochen zu blamieren, ich muss die Damen ansprechen. Ich fasse mir ein Herz und packe mein höflichstes Türkisch aus und unterbreche das Gespräch der beiden. Auf meine Frage, ob es sein hätte können, dass sie zwischendurch eine andere Sprache als Türkisch sprächen, schenken sie mir ein warmes Lächeln und antworten mit „Ja! Wir sprechen Ladino, wir sind sephardische Jüdinnen.“ Damen

Fast hätte es mich aus dem Sessel gekippt, das Iskender Kebap  kommt. Wir sprechen weiter und sie erzählen ein wenig über sich und fragen auch mich aus. Ein Foto wird gemacht und sie verabschieden sich, um sich auf den Heimweg zu machen. Und ich bin glücklich, dass etwas, was mich immer schon interessiert hat, nicht nur Geschichte ist. Sondern etwas, das auch noch gegenwärtig ist nach über 500 Jahren- die Sepharden und der Ladino.

Mallorca, Madagaskar, Malediven, Inselurlaub ist heutzutage nichts Außergewöhnliches,  Badeurlaub sowieso nicht. Viele lieben Städte- und Kulturreisen. Wer beides haben möchte ist auf den Prinzeninseln vor Istanbul genau richtig. Die größte der Prinzeninseln, Büyükada, kannte ich schon von mehreren Tagesausflügen. Aber am Abend ging es immer zurück in die Millionenstadt. Diesmal war es umgekehrt. Zwei Wochen auf Burgazada, einer der kleineren Inseln. AdalarVilla Mimosa

Vom Flughafen geht es auf der mehrspurigen Stadtautobahn Richtung Fährhafen Kabatas. Tausende Menschen, hupende Autos, Straßenverkäufer, die ihre Waren schreiend anbieten. Dann sind wir auf dem Schiff. Mit einem Tuten legt es ab, zieht vorbei an der Hagia Sophia und dem Topkapi Palast, nimmt noch Passagiere in Kadiköy auf und lässt dann die Stadt hinter sich. Nach einer guten Stunde sind wir  auf Burgazada angekommen.  Nur wenige Passagiere steigen mit uns aus.Katze und Möwe

Am Hafen das alte leere Hotel, ein paar Restaurants und Geschäfte. Mit einer der  wartenden Kutschen geht es dann zur Unterkunft. Kein Autolärm, nur das Gekreische der Möwen und das Getrappel der Pferdehufe sind zu hören. Wir sind im Urlaub angekommen.

Langsam entdecken wir die Insel. Die erste Badebucht-ein Schock – hässlich, dreckig und nur Beton. Die zweite Badebucht klebt am Straßenabhang, für den ersten Tag ganz ok. Am zweiten Tag dann finden wir unser Badeparadies- eine Bucht mit Blick auf zwei kleinere Inseln und ganz verschwommen am Horizont – das laute Istanbul. Manchmal sehen wir die Silhouette ganz klar, an manchen Tagen erahnen wir nur, dass dort drüben etwas sein muss. Oft sehen wir in der Ferne die Riesentanker und Containerschiffe, die Kurs auf den Bosporus nehmen, um die lärmende Stadt zu durchqueren. Wie laut Istanbul wirklich ist, merken wir nach einem Wochenende drüben. In Eminönü, in den Bazaren dröhnt es uns in den Ohren. Der Verkehr ist unbeschreiblich, ein steter Strom, begleitet von ständigem Hupen. Am zweiten Tag fahren wir früher als geplant auf Burgazada, unsere Insel, zurück. Buchtpferde

Die Ruhe ist die Ruhe der Natur- kein Autolärm, wenig Menschen, keine plärrenden Lautsprecher. Was uns die zwei Wochen begleitet ist manchmal der Wind, der durch die Bäume streicht. Pinien hören sich anders an als Mimosen. Täglich treffen sich die Möwen, wenn sie miteinander plaudern, ist es wie ein unaufhörliches Lachen. Ab und zu mischen sich die Krähen ins Gespräch ein. Dazwischen das Geklapper der Hufe, wenn die Kutschen vorbeifahren, selten ein Wiehern. Ein paar Mal am Tag ertönt das Horn der Dampfer, wenn sie ihr Ankommen oder ihre Abfahrt ankündigen. Ein Fischerboot tuckert vorbei. Die Straßenhunde rotten sich zusammen und versuchen mit lautem Gebell Fremde einzuschüchtern. Freudiges Bellen ist zu hören, wenn die alte Frau am Abend kommt und ihnen Futter bringt. Ein Kind schreit laut nach seiner Mutter:“Anneeeeee!“ Manche Katzen verteidigen pfauchend ihr Revier. In der Nacht stimmen die Grillen ihr Konzert an, manchmal übertönt vom Lachen der Möwen, die  scheinbar nie schlafen. Das ist Urlaub auf Burgazada. 

http://www.ibb.gov.tr/sites/ks/en-US/1-Places-To-Go/islands/Pages/burgazada.aspx