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Der Engländer Thomas Sharpe [Tom Hiddleston] hat die reiche Amerikanerin Edith Cushing [Mia Wasikowska] geheiratet. Stolz trägt der verarmte Landadelige die junge Braut über die Schwelle seines großen Herrenhauses, das einsam und grimmig auf einer Anhöhe steht. Erst als er sie absetzt, sieht sie das Innere: Durch das eingebrochene Dach der über drei Stockwerke hohen Halle rieselt unaufhörlich braunes Laub zu Boden. Der Hügel besteht aus rotem Ton. Dieser wird sogar unter dem Haus abgebaut. Das Parkett in der Halle hat sich gelockert und bei jedem Schritt quillt der unansehnlich rote Ton wie dickes Blut zwischen den Brettern hervor. Das Haus sinkt langsam, erklärt der Bräutigam. So hatte die junge Frau sich ihr neues Zuhause nicht vorgestellt.

Zum Beginn des zweiten Akts, nach einem guten Drittel des Films, waren wir also endlich im Geisterhaus. Es stellte sich heraus: Der Film hätte durchaus erst hier beginnen können.

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Mit Pans Labyrinth hat Guillermo del Toro uns wohl einen der packendsten und intelligentesten psychologischen Horrorfilme der letzten Jahre beschert. Meine Hoffnungen für Crimson Peak waren entsprechend groß. Eine klassische Spukhaus-Story in einem opulenten Filmset. Was hat Guillermo del Toro sich ausgedacht, um aus der Geschichte etwas Besonderes zu machen?

Die Antwort ist: Nichts. Vom Anfang an, wo Edith in Amerika den faszinierenden Thomas Sharpe kennenlernt – und auch seine etwas eigenartige Schwester Lucille [Jessica Chastain aus The Martian] – ist jeder Schritt im weiteren Verlauf der Geschichte vorhersehbar. Daran ändern auch die Geister nichts. Auch die Tatsache, dass Edith schon mit 12 Jahren ihre erste Geisterbegegnung hatte, ist kein sinnvoller Beitrag. Ihre tote Mutter flüstert ihr zu: „Hüte dich vor Crimson Peak“. Die 12-jährige Edith ist noch 10 Jahre davon entfernt, Thomas Sharpe kennenzulernen. Und bis Edith ihr neues Heim betritt, ist es schon zu spät.

Im Haus geistert es also. Doch die Geister sind weder die Bedrohung noch nehmen sie Einfluss auf die Geschichte. Alles hätte genauso gut auch ohne Geister stattfinden können. Sie sind nur für einige Schreckmomente zuständig.

Was bleibt, ist eine Romanze, die auch ohne Geister ziemlich schaurig wäre. Ein bisschen wie Jane Eyre von Charlotte Brontë oder Rebecca von Daphne du Maurier. Der Freund, der mich ins Kino begleitete, meinte: „Ein Frauenfilm.“ Dagegen sprechen ein äußerst blutrünstiger Mord und eine weitere unnötig grausige Szene, finde ich. Ein Frauenfilm wäre keine schlechte Sache. Also, im Sinne des Bechdel-Tests. Dieser bewertet Filme danach, ob Frauen im Mittelpunkt stehen und ob Frauen sich im Film untereinander auch über etwas anderes unterhalten als über Männer.

Was haben die Geschwister Lucille (Jessica Chastain) und Thomas (Tom Hiddleston) vor?

Was haben die Geschwister Lucille (Jessica Chastain) und Thomas (Tom Hiddleston) vor?

Im ersten Akt hatte ich den Eindruck, als könnte es dem Film darum gehen, uns eine starke Frauenfigur zu zeigen. Edith ist ein Mädchen aus der höheren Gesellschaft, doch sie hat Besseres zu tun als andere Frauen und Mädchen ihrer Klasse, die untereinander bleiben und sich über interessante Heiratskandidaten unterhalten. Edith sieht sich als Schriftstellerin. Sie schreibt an einem Geister(!)-Roman und steht sogar kurz davor, ihn einem Verlag zu schicken. Die selbstbewusste Edith bildet sich auf Ihre Schriftstellerei und ihre Bildung etwas ein. Sie scheut auch nicht davor zurück, die anderen Frauen damit zu brüskieren. Kaum lernt sie Thomas Sharpe kennen, ist sie ganz schwaches Frauchen, das nichts braucht, als seine Zustimmung und seine Schulter zum Anlehnen. So ist sie am Ende keine emanzipierte Frauenfigur – vielmehr macht sie in diesem Punkt einen Rückschritt.

Gut. Emanzipation muss ja auch nicht sein. Solange die Spannung zwischen den Charakteren stimmt. Und da stimmt gar nichts. Das Beziehungsgeflecht will einfach nicht richtig funktionieren. Die Chemie in der Liebesbeziehung stimmt nur einseitig und zwar von Thomas in Richtung Edith. Die Macht, die Lucille über Thomas ausübt bleibt unglaubwürdig. Die Beziehung zwischen den Schwägerinnen Edith und Lucille ist weitgehend spannungslos – dabei läuft alles auf eine Konfrontation der beiden Frauen hinaus. Und dann ist da noch der Freund Alan McMichael [Charlie Hunnam], der Edith liebt. Doch davon habe ich als Zuschauer gar nichts gespürt. Auch seine Rivalität mit Thomas ist sehr zahm.

So bleibt nur ein opulent ausgestatteter Film mit vereinzelt auftretenden Geistern und einem Geheimnis, welches das Publikum viel früher durchschaut als die Protagonistin. Nur der winterliche Showdown auf Crimson Peak, wo die Tonerde den Schnee rot wie Blut färbt, ist nicht nur visuell großartig, sondern auch einigermaßen spannend. Andererseits wird dabei nur zum Abschluss gebracht, was längst als unvermeidlich vorherzusehen ist.

Die einzige Überraschung: Am Ende steht das Herrenhaus noch immer so grimmig und bedrohlich da wie vorher. Wenn schon Gothic-Romanze, dann hätte das Haus am Ende dem Erdboden gleichgemacht gehört, wie in Jane Eyre oder Rebecca.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte
Opulent, aber nicht schaurig – und allzu vorhersehbar. 6 Punkte wären verdient, aber Ausstattung und Kostüme müssen wirklich gewürdigt werden. Als Schauspieler wird in dem Film nur Tom Hiddleston in Erinnerung bleiben. Traurig für einen Film, der sich auf die Konfrontation der Hauptheldin und ihrer Gegnerin zuspitzt. Regisseur del Toro hat sich zu sehr für den Look des Films als für seine Figuren interessiert.