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„Daniel Craig sieht aus wie ein wütendes Baby.“ Dieser Satz sitzt. Er stammt nicht von mir, sondern aus der TV-Serie You’re The Worst. Wie soll man da beim Ansehen des neuen Bond Spektakels Spectre nicht abgelenkt sein? Immer wieder erkenne ich das „angry Baby“ in Daniel Craigs Gesicht.

Daniel Craig als James Bond fand ich anfangs eine ungewöhnliche Wahl – das ist jetzt neun Jahre her. Aber in den vier Filmen ist er für mich inzwischen völlig zu James Bond geworden. Ich gewöhne mich schwer an den Gedanken, dass bereits im nächsten Film der britische Geheimagent wieder ein neues Gesicht haben wird. Das von Damian Lewis vielleicht? Oder gar von Idris Elba? (Ich wäre sehr dafür!) Zumindest geisterten unter anderem diese beiden Namen gerüchteweise als Nachfolger herum.

Mit Craig in Casino Royale begann aber eine neue James Bond-Ära. Um das zu betonen, wurde Ian Flemings erstes Buch für diesen Film adaptiert. Verkörperte davor Pierce Brosnan den eleganten, weltgewandten Frauenhelden mit Humor, wie andere Darsteller vor ihm, wurde die Filmreihe ab dem Eintreten von Daniel Craig wesentlich düsterer angelegt. Aus dem aalglatten, kultivierten Geheimagenten wurde ein echter Actionheld – hart im Geben und im Nehmen.

Abenteuer in den österreichischen Alpen. Bond überlebt es. Das Flugzeug nicht.

Abenteuer in den österreichischen Alpen. Bond überlebt es. Das Flugzeug nicht.

Location, Location, Location
Aber es sind die wichtigsten Elemente der Bond Geschichten geblieben, welche die Filme so beliebt machen. Zum Beispiel wilde Verfolgungsjagden an den atemberaubendsten Schauplätzen der Erde. Spectre hat einen fulminanten Auftakt in Mexico City. Den sollte man wirklich nicht verpassen! Es geht auch nach Italien, Marokko und viele mehr. Alles wunderbar gefilmt und mit spektakulären Abenteuern verbunden.

Wenn sehenswerte Orte in einem James Bond-Film präsentiert werden, ist das gut für den Tourismus. Vielleicht lockt Spectre ein paar Leute mehr nach Österreich? Das Salzkammergut und Tirol werden tief verschneit gezeigt – wie aus dem Bilderbuch. Ob Altaussee, das idyllische Dorf Obertillach oder das hypermoderne Bergrestaurant Ice-Q im atemberaubenden Gebirgspanorama des Gaislachkogls in Sölden. Diese Orte haben sicher noch nie so viel spannende Action gesehen. Es wurden mehrere Land Rover und ein Flugzeug auf beeindruckende Weise völlig zerdeppert.

Visuell sind die Locations zwar wunderbar, aber ich habe den Eindruck, sie dienen einfach dem Zweck, dem Publikum in allen Teilen der Erde eine Freude zu machen. So rasant die Action-Szenen an den Schauplätzen oft sind, die häufigen Ortswechsel nehmen der Erzählung den Fluss und die Story wirkt etwas in Stücke gehackt.

Mua-ha-ha
James Bond ist einer geheimen Organisation namens Spectre auf der Spur. An deren Spitze steht der wahnsinnige Superverbrecher Blofeld. Christoph Waltz, derzeit ein beliebter Bösewicht-Darsteller, stellt diesen gefährlichen Schurken dar. Ganz entsprechend der Manier großer Bond-Gegenspieler will er die Welt beherrschen – in gewisser Weise. Es stellt sich zudem heraus, dass er so viel mehr ist als irgendein Bösewicht vor ihm. Denn er hat eine ganz besondere Beziehung zu Bond und er hat ihn schon lange im Visier. Sehr lange.

Aber ist es möglich, dass nur Quentin Tarantino es schafft, Christoph Waltz als „zniachten“ (schmächtigen) Fiesling bedrohlich wirken zu lassen? Vielleicht hat auch nur sein Akzent diese Wirkung auf viele Leute – und zwar sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch. Ungeachtet der Meinung der Oscar-Jury finde ich seine Leistung meist überschätzt. Mads Mikkelsens Darstellung von Le Chiffre und Javier Bardem als Silva waren, nebst charmanter Seite mit abstoßendem Touch, um Vieles grimmiger und Angst einflößender.

Der romantische Augenblick hält nicht lange. Bond wird gleich herumgerührt und geschüttelt.

Der romantische Augenblick hält nicht lange. Bond wird gleich herumgerührt und geschüttelt.

Sex sells
Das Bond Girl. Gibt es das noch? Madeleine Swann [Léa Seydoux] passt irgendwie nicht so sehr in das Klischee des sexy Aufputzes. Sie ist unabhängig und wehrhaft. Das klassische Bond-Girl faszinierte Bond meist durch einen glamourösen Auftritt und hielt auch nicht mit Reizen zurück. Sehr zur Freude der Bond-Urgesteine Sean Connery, Roger Moore, aber auch von Pierce Brosnan. In der Ära Daniel Craig wichen die Macher der Bond-Filme vom verführerischen Sidekick-Klische ab. Bond fand in Casino Royale die Frau, die er liebte: Vesper Lynd [Eva Green]. Doch er verlor sie gleich wieder und deshalb führte er im nächsten Film, Quantum of Solace, einen gnadenlosen Rachefeldzug gegen diejenigen, die ihren Tod zu verantworten hatten. Das war neu. In Skyfall endet Bond ebenfalls nicht in den Armen einer Frau. Alles dreht sich nämlich um eine ganz andere, besondere Frau in Bonds Leben: seine Chefin M [Judi Dench]. Sie stirbt am Ende in seinen Armen. Bei Spectre habe ich den Eindruck, Madeleine Swann könnte Bonds nächste große Liebe werden. Doch ohne Daniel Craig als nächsten Bond wird diese Geschichte sicher nicht fortgesetzt. Wird es dann wieder die klassischen Bond Girls geben? Oder wird Bond gar sesshaft?

The writing’s on the wall
Die Bond Serie hat sich in den letzten vier Filmen stark gewandelt. Und in Spectre ist der Wandel der Zeit das Hauptthema. Überwachung sämtlicher Kommunikationskanäle und saubere Drohnenangriffe sollen die Zukunft sein. Spionagearbeit und Agenten mit Lizenz zum Töten passen nicht mehr in unsere Zeit. Bond, Q, M und Moneypenny versuchen, den als antiquiert geltenden MI6 zu retten. Möglicherweise muss der James Bond der nächsten Generation sich auch an die modernen Zeiten anpassen, um nicht aus der Zeit gefallen zu wirken – jedoch ohne zur beliebigen Action-Filmserie zu werden.

Möchte ich, dass Bond so bleibt wie er ist? Oder soll ich voller Vorfreude auf eine neue Bond-Ära sein? Momentan ist nur eines sicher: Daniel Craig, ich werde dein wütendes Baby-Gesicht vermissen.

Meine Bewertung auf IMDB: 7 Punkte

Lest hier noch den Zartbitter-Blogbeitrag über den Titelsong Writing’s On The Wall

alle Fotos: © 2015 Sony Pictures Releasing GmbH

Musik analysiert von Elisabeth Kaplan

Wie viele andere auch, bin ich gerade voll im James Bond-Fieber. Die Ehre, den Titelsong beizusteuern ist diesmal an Sam Smith gegangen, der sich hier wieder mal mit Jimmy Napes zusammengetan hat (wie schon z.B. bei seinem Megahit „Stay With Me“). Angeblich war der Song in 20 Minuten fertig. Ein paar Minuten mehr hätten nicht geschadet, finde ich. Hier mein Live-Ticker:

0:00
Ok, schöner Einsatz mit Pauken, Portamento-reichen Streichern und Hörnern – sehr Bond-würdig.
0:15
Strophe beginnt, die Begleitung wird auf Klavier reduziert. Smiths Einsatz: Na ja, auf dieses Knurren beim Ansingen des ersten Tons könnt ich verzichten, aber das gehört wohl einfach zu seinem Stil. Das Problem ist nur, wenn man darauf sensibilisiert ist, hört man es ständig. Yup, da schon wieder (0:23). Und noch mal. Verdammt.
0:45
Zweite Strophe. Sehr schön, jetzt mit Streichern. Generell finde ich die Strophen sehr vielversprechend – mal schauen, wie der Song weitergeht.
1:14
Aber hallo, was ist das jetzt? Plötzlicher unerwarteter Einsatz von Becken, Blechbläsern, u.a., in der Zeile „If I risk it all“. Aber das ist doch kein Refrain, sondern eher eine Bridge. Hmmm.
1:28
Merkwürdig. Nach den 14 Sekunden Bombast kommt jetzt wieder eine zarte, reduzierte Stelle, in der Smith mit seiner berühmten Falsett-Stimme die personifizierte Zerbrechlichkeit darstellt. Das ist aber auch kein Refrain, oder?
1:51
Aha: nach fast 2 Minuten, kommen wir endlich zum Titel. Ganz ehrlich, melodisch nicht besonders einprägsam. Und wo war jetzt der Refrain???

[Schaut euch hier das Video an oder scrollt runter und lest weiter]

Musikalisch passiert danach nicht mehr recht viel. Ein fettes Zwischenspiel erinnert uns gegen Ende nochmal daran, dass wir hier einen Bond-Song hören, was mir gefällt, da ich den satten Orchestersound sehr liebe.

Insgesamt muss ich aber sagen, dass mir einfach der Refrain fehlt, der mich anhebt und davonträgt. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum Smith im September selber gemeint hat, der Song wäre nicht unbedingt Nummer-Eins Material. Da hat er wohl nicht mit dem unglaublichen Bond-Hype gerechnet, der seinen Song jetzt doch bis an die Chart-Spitzen gebracht hat.