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Gestern hat Österreich gewählt – über die Höhe der Wahlbeteilung weiß ich nichts. Ich habe mich leider nicht daran beteiligt. Ehrlich gesagt, hab ich erst heute vom Ergebnis erfahren: Zoe vertritt Österreich beim ESC mit Loin d’Ici. Den Song hab ich mir heute Früh zum allerersten Mal angehört. „Wirklich interessant“, dachte ich mir.

Zoe hat eine weiche, klare Stimme – da hört man richtig gerne hin. Der Song ist eingängiger Pop und klassisch aufgebaut: zwei kurze Strophen, ein sehr einfacher und eingängiger Refrain unterbrochen von einer kurzen Bridge. So kann man nach den ersten anderthalb Minuten bereits ungebremst und inbrünstig bis zum Schluss mitsingen – auch ohne Französisch-Kenntnisse.

So schön das Mitsingen ist, aber wenn der ewig gleiche Refrain zwei Minuten lang süß dahinplätschert, besteht die Gefahr, dass es langweilig wird. Egal. Den Österreichern hat’s gefallen. Und ob Zoe damit beim Song Contest das europäische Publikum anspricht, wird sich noch herausstellen.

Bekommen, was wir verdienen?
Beim ersten Anhören des Songs zum Morgenkaffe, dachte ich mir: So nett und harmlos das Ganze wirkt, aber Loin d’Ici drückt vielleicht ein echtes Bedürfnis aus. Immerhin haben wir in Österreich ein wirklich anstrengendes Jahr hinter uns. Über die große Anzahl Flüchtlinge haben wir uns völlig zerstritten. Politisch ist der Ton richtig grob geworden und innerhalb Familien gibt es deswegen Reibereien, Freundschaften sind zerbrochen – und vom herrschenden Umgang miteinander in den sozialen Medien möchte ich erst gar nicht anfangen.

[Schaut euch das Video an oder scrollt runter und lest weiter]

Zoe singt von der Suche nach der heilen Welt. Übersetzt etwa so:
In ein Land weit weg von hier

Auf der Suche nach dem Paradies

In einem Land weit weg von hier

Singen wir, singen wir

Wir haben uns diese kleine 3-minütige Flucht verdient – einmal die ganze Streiterei vergessen. Es ist richtig erholsam, Loin d’Ici anzuhören und mitzusingen.

Eskapismus ist ja jetzt schon mein persönliches Wort des Jahres und mein persönliches Programm. Doch es gibt Gegenden, in denen Menschen mehr brauchen, als kleine Fluchten in ein imaginäres Paradies.

Als ich heute auf YouTube Zoes Auftritt von gestern Abend ansah, wie sie im Prinzessinenkleid durch riesige Bildschirmschoner-Landschaften wanderte, war es wie eine Travestie dessen, was Hunderdtausende Flüchtlinge derzeit auf sich nehmen, um hierher zu gelangen.

Denn auch wenn viele Leute beklagen, wie schlecht „so schlimm wars noch nie“ es uns doch geht: Hier ist Frieden. Hier können wir leben und singen. Hier ist das Paradies.

von Elisabeth Kaplan

Das war er, der Eurovision Song Contest 2015! Ein höchst vergnüglicher Abend mit Freunden vorm 65-Zoll-Bildschirm mit 5.1 Surround und ausgestattet mit genügend Chips und Bier. Man kann zwar nicht mehr so ausgelassen jeden einzelnen Teilnehmer zur Schnecke machen, weil die Qualität der Beiträge leider in den letzten Jahren so stark gestiegen ist. Dafür kann man sich an grandiosen Performances und umwerfenden Bühnenshows erfreuen. Österreich hat sich hier wirklich von seiner besten Seite gezeigt, und es war eine tadellose Show – abgesehen von ein paar Pannen bei der Punkteverkündung. Na ja, nur die Moderationen fand ich manchmal um eine Spur peinlicher als sonst (das lag aber weniger an den drei Damen als an den Schreibern). Hey, über irgendetwas werd ich ja wohl noch motzen dürfen!

Wer ist das eigentlich?
Der 28-jährige Måns Zelmerlöw ist also der Sieger des Abends. Und er hat damit den Song Contest für 2016 nach Schweden geholt. Zelmerlöw wurde erstmals in Schweden bekannt, als er vor 10 Jahren an der schwedischen Castingshow „Idol“ teilnahm, bei der er letztendlich Fünfter wurde. Er wollte schon länger zum Song Contest und hat 2007 und 2009 am schwedischen Vorentscheid teilgenommen. Danach war er nur als Moderator und auch Songwriter an den Vorentscheiden involviert. Doch 2015 stellte er sich wieder selbst auf die Bühne. Bei seinem dritten Anlauf hatte er nun endlich den richtigen Song im Gepäck: Er durfte sein Land mit „Heroes“ beim Song Contest vertreten und wurde prompt zum Eurovisionssieger – mit der dritthöchsten Punktezahl aller Zeiten.

Eigentlich dürfen ja nur 6 Personen auf der ESC-Bühne stehen.  Ein Regelverstoß?

Eigentlich dürfen ja nur 6 Personen auf der ESC-Bühne stehen. Ein Regelverstoß?

In einer eigenen Liga
Die eindrucksvolle Bühnenshow, unterstützt von animierten Strichmännchen, hatte den Wow-Faktor. Sie lenkte aber nicht ab von seiner eigenen großartigen Performance. Wo sich viele Teilnehmer mit der Intonation plagten, ließ sich Zelmerlöw nicht beirren. Er klang einfach von vorne bis hinten selbstbewusst und selbstsicher – obwohl der Song sowohl hohe, als auch tiefe, und sowohl leise als auch powervolle Stellen hatte. Und mit seinem vielleicht süßesten Lächeln in Song Contest-Geschichte hat er schmachtende Seufzer hervorgerufen. Zumindest in unserer kleinen Runde.

Warum der Song überzeugt
„Heroes“ stammt von drei schwedischen Songwritern, die in den letzten Jahren bei den schwedischen Anwärtern schon oft mitgemischt haben: Linnea Deb, Joy Deb und Anton Hård af Segerstad. Dieses Dreigespann hat einen fetten Song geschrieben. Sein Refrain bleibt schon nach dem ersten Mal Hören fast penetrant im Gedächtnis.
Die Songwriter haben das hinbekommen, indem sie das Prinzip der Imitation angewendet haben. Die Stelle, die sich nämlich im Hirn so festkrallt („Heroes / Wooh“), besteht aus einer kurzen Phrase, die sich einfach ein einer tieferen Lage wiederholt (siehe Notenbeispiel).
Heroes_Noten
Wer aufmerksam zuhört, wird feststellen, dass dieses Prinzip auch in der Strophe angewendet wird. Imitation bewirkt, dass das Hirn nicht so viele neue Informationen bearbeiten muss, weil es die Phrase ja wiedererkennt. Und deshalb kann man sofort mitsingen.

Fazit:
Lob also an das ganze schwedische Team: das war Pop der höchsten Klasse. Ein Vergnügen für die Augen und Ohren. Ein würdiger Sieger.

von Elisabeth Kaplan

So, die Suche nach dem österreichischen ESC-Beitrag ist in voller Fahrt. Auch wenn mir nicht alles gefallen hat, hat die gestrige Vorausscheidungsrunde auf jeden Fall wieder mal aufgezeigt, wie vielfältig und spannend die österreichische Popmusiklandschaft ist. Eine super Sache! Hier ein Überblick über meine Favoriten und die Acts, die in die nächste Runde gekommen sind:

Ihr Hit „Million Euro Smile“ hat die Salzburger Band „The Makemakes“ weitergebracht

Ihr Hit „Million Euro Smile“ hat die Salzburger Band „The Makemakes“ weitergebracht

The Makemakes // Zartbitter-Favorit + Weiter
Man merkt ihnen an, dass sie viel Bühnenerfahrung haben. Und Dodo ist einfach ein hammerguter Sänger. Wenn sie Österreich vertreten würden, könnte man sich jedenfalls auf einen soliden Auftritt verlassen.

DAWA // Zartbitter-Favorit + Weiter
Was mir gefallen hat war zunächst der eigenständige Sound, der zwar erstmal ungewöhnlich anmutet, aber dann absolut stimmig rüberkommt, und dann die Stimme des Leadsängers John Dawa. Eine total ehrliche und einnehmende Performance.

Zoe // Weiter
So bemerkenswert ihre äußere Erscheinung auch ist, so unbemerkenswert die stimmliche Leistung. Intonation nicht genügend.

Lemo // Zartbitter-Favorit
Als Singer-Songwriter ist Lemo sehr beeindruckend. Ich fand seine Darbietung absolut berührend, aber vielleicht beim ESC eher chancenlos.

Folkshilfe // Zartbitter-Favorit + Weiter
Tja, warum nicht mal so? Ich sehe Potenzial.

Celina Ann // Weiter
Mit ihrer bluesigen Nummer konnte Celina Ann durchaus Stimme zeigen, aber ich frage mich, ob ihre Präsenz einprägsam genug ist. Solosängerinnen gibt’s ja immer zuhauf beim ESC.

Johann Sebastian Bass – toller Song, coole Performance

Johann Sebastian Bass –
toller Song, coole Performance

Johann Sebastian Bass // Zartbitter-Favorit + Weiter
Mit dem Look und dem Sound bleiben die Herren jedenfalls stark in Erinnerung. Eine Bomben-Performance. Nur diese wahnwitzige Hintergrundstory könnten sie von mir aus weglassen.

 

 

 

 

Hier sind alle Performances zu sehen:
Videos aller Beiträge

Jetzt bleibt es spannend: Wie entwickeln sich die Acts weiter – und wer vertritt uns am Ende beim ESC?

Sind eure Favoriten weitergekommen? Haltet Ihr jemandem besonders die Daumen? Hinterlasst uns einfach einen Kommentar!