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first published on www.summeracademy.at

was ist aus dieser platte geworden?“ spontan kam mir diese frage über die lippen, als tex rubinowitz erzählt, wie er auf dem flohmarkt am wiener naschmarkt mit einer single von „sing, mein sachse, sing“ gestanden ist und wie von einer seite der eine und von der anderen seite der andere angebetete künstler kam. er vermag die spannung zu steigern, was wohl passieren würde, wenn sich die beiden treffen, zufällig, bei seinem one-man-stand mit nur einem produkt.

nun: er hatte die single noch. und bot sie mir an. ich solle was damit machen – ich geh‘ nach dem offiziellen teil zu ihm hin und gebe ihm meine adresse. eine woche später ist die single in der post. aua – jetzt muss ich echt was damit machen – immerhin haben das 100 leute mitgekriegt.

ok. beim flohmarkt vom picknick im park stelle ich mich hin. keine zwei künstler kommen aufeinander zu. ein paar standler schauen kurz auf, dann wieder weg. meine freundin macht ein paar fotos. ich halte es nicht sehr lange durch. ich hab‘ auch keinen bezug zu der platte und dem titel und der zeile aus dem refrain: „…bis nunder nach bulgarschen tu isch die welt beschnarschen…“.

aber ich mache diesen sommer aber zwei mal etwas, was mir dem gefühl, das tex in seiner episode schildert nahekommt: ich stelle mich vors festspielhaus in salzburg mit einem schildchen in der hand, auf dem steht „suche karte“. einmal beim jedermann, einmal bei ariodante, der händel-oper. wenn ich hinkomme, bin ich beide male nicht die erste. die anderen freuen sich nicht über meine ankunft. ich sehe gut aus – ein alter bekannter, den ich kurz zuvor treffe, sagt spontan „du siehst so cool aus – du siehst immer cool aus“. ja, danke –das war das kalkül. ich dachte, wenn jemand eine zweite karte hat, weil wer krank wurde, verlassen oder mit air berlin unterwegs (und damit zu spät), dann hätte diese person vielleicht gern wen neben sich sitzen, die gut aussieht.

weit gefehlt: viele gute karten werden einfach verschenkt oder zu schleuderpreisen weitergegeben – an ältere leute, nicht so gut angezogene und an offensichtlich kunst-studierende. ich gehe jedes mal leer aus – aber spaß hatte ich trotzdem:  so viele sehnsuchtsvolle blicke von männern, die offensichtlich ihre karte lieber weitergeben würden. und nicht vier stunden in der oper sitzen, wenn sie auch einen feinen sommerabend in einem biergarten verbringen könnten.

aber auch viele überlegene blicke von menschen, die eine karte haben – auch ein paar kommentare: „wo haben sie denn ihre karte verloren?“ hahaha.

es überwiegen aber die überheblichen blicke. sie sagen: „das hab‘ ich nicht nötig.“ oder „ich kann mir meine karte selber kaufen.“

am schönsten war aber die alte dame, die fünf minuten vor beginn eine 420-euro karte geschenkt bekommen hat und erleichtert zu mir hergekommen ist: „haben sie auch schon eine? nicht? warten sie, ich bleib‘ noch ein bisschen stehen, vielleicht kann ich ihnen noch helfen.“

wow.

man lernt viel über menschen, wenn man sich eine stunde hinstellt, und wortlos etwas will.

mag wer die geschichte weiterschreiben? tex rubinowitz hat mir erlaubt, die single weiterzugeben…

„..sing, mein sachse, sing“

„what happened to this record?“ is my first spontaneous response , when Tex Rubinowitz told me about how he once was standing on the jumble sale at the vienna naschmarkt with a single of “sing my saxon, sing”. the one came from the one side and from the other side came the other adored artist, the suspense is rising – what would happen if they both meet each other by chance, at a “one-man-stand” with only one product?

well: he still had the record. and offered it to me. I should do something with it – after the official part I go on to him and give him my  address, one week later the single is in my letterbox. ow – now I really have to come up with something – at least 00 people noticed it.

ok. at the jumble sale of “picknick im park” in salzburg I prepare myself. no two artists come across each other. a few sellers take for a short look at me. my friend takes a few pictures. I cannot hold on for a long time. but I do not really have a connection to this record and the titel and the line of this chorus: “…bis nunder nach bulgarschen tu isch die welt beschnarschen…”.

but I will do two things this summer, with the feeling that it comes near to what tex describes in his episode: I present myself in front of the festspielhaus in salzburg with a sign in my hand, which shows: “search ticket”. once at the “jedermann”, once at “ariodante”, one of händel´s opera. every time I arrive, I´m not the only one there. the others are not delighted about me being there. I look awesome – an old friend that I meet a little while before, tells me out of the blue : “You look cool – you always look cool”. yes, thanks – that was the intention . I thought, if someone had a second ticket, because someone got ill, got stood up or booked  with air berlin (and therefore is late), then he would love to have a person sitting next to him that looks awesome.

very wrong: many tickets had been given  as a present or passed at really low prices – to older people, who were not that well dressed and to obvious artsstudents.  I never had success – but anyway I had fun: so many jealous views from men who obviously would rather give their tickets away. and don´t have to sit in the opera for four hours, when they – like I did afterwards – could also spend a nice summerevening in a beer garden.

but also many superior views from people who have a ticket – and a few comments like: “where did you lost your ticket?” hahaha.

the superior views predominate. they said: “I´m not in the need of something like this.” or “I can buy my ticket on my own.”

the best moment was when an old lady, who got a 420-euro ticket as a present five minutes prior to the beginning, came over to me really relieved: “you already have one? not? wait for it, I stay a little, maybe I can help you.”

wow.

you learn so much about people if you silently stand at one place for an hour and wait for something.

does anyone want to continue the story? tex rubinowitz allowed me to pass the single on …

Seit vier Jahren nehme ich an den Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst teil – und zwar beruflich, als Simultanübersetzer. Wenn ich davon erzähle, dann stelle ich oft fest: Die international renommierte Bildungseinrichtung ist den Salzburgern zwar ein Begriff, doch über den Namen hinaus ist den meisten wenig darüber bekannt. Irgendwas mit Oskar Kokoschka und irgendwas mit der Festung. Ehrlich gesagt, noch vor einigen Jahren ging’s mir nicht viel anders. Das Programm der Sommerakademie könnte dieses Jahr jedoch dafür sorgen, dass sich mehr Salzburger_innen für die Veranstaltungen der Institution interessieren als bisher. Ab 21. Juli.

Die Sommerakademie kurz umrissen
1953 vom österreichischen Maler Oskar Kokoschka als „Schule des Sehens“ gegründet, bietet die Sommerakademie jährlich Kurse in Malerei, Zeichnung, Druckgrafik, Bildhauerei u.v.a.m. auf hohem Niveau. Internationale Künstler_innen unterrichten Student_innen, welche ebenso aus aller Welt kommen – nur ca. ein Viertel der Teilnehmer_innen sind aus Österreich. Die Kurse der Sommerakademie stehen grundsätzlich allen offen: Kunststudent_innen und Kunstschaffenden ebenso wie Laien. Doch man muss schon einiges an Voraussetzungen mitbringen, damit die Bewerbung als Teilnehmer_in überzeugt. Was das künstlerische Kursprogramm betrifft, ist die Sommerakademie eine „geschlossene Veranstaltung“, zu der man als Nicht-Teilnehmer_in nur an den Tagen der offenen Tür Zugang hat.

Studentin der Klasse von Norbert Bisky  auf der Festung Hohensalzburg, 2013 (Foto: Ruth Ehrmann)

Studentin der Klasse von Norbert Bisky
auf der Festung Hohensalzburg, 2013
(Foto: Ruth Ehrmann)

Zusätzlich gibt es aber viele Vortrags- und Diskussionsveranstaltungen. Jeder kann sie besuchen – ohne Vorkenntnisse und ohne Einladung. Diese Veranstaltungen sind so angelegt, dass jeder einsteigen kann, der sich für das Thema interessiert. In den letzten Jahren lauteten die Themen für diese Veranstaltungen z. B. „Das Atelier“ oder „Globale Kunst“. Die ganz breite Masse wird man damit nicht erreichen, aber das strebt Sommerakademie auch gar nicht an.

Raus aus der Altstadt, rein nach Lehen
Dieses Jahr jedoch verspricht das Programm für die Salzburger_innen besonders interessant zu werden. Das Thema lautet „STÄDTE – Räume für Kunst, Politik, Leben…“. Und dabei geht es nicht nur ganz allgemein um Stadt-Theorie, sondern sehr konkret um unsere Stadt, Salzburg. Zum Beispiel um Lehen. Dieser Stadtteil dient ja sonst nicht unbedingt als Vorzeigebezirk. Hildegund Amanshauser, die Direktorin der Sommerakademie, wollte aus ganz bestimmten Gründen dort hin, denn: „Lehen ist ein Zentrum der Stadtentwicklung.“
Darüber reden ist gut, noch besser ist es aber, sich alles vor Ort anzusehen. Bei einem Stadtspaziergang mit Sarah Untner vom Verein Stadtwerk erfährt man mehr, wie und wodurch Lehen sich gerade wandelt – von einer Randzone mit schlechtem Ruf zu einem modernen, urbanen und facettenreichen Stadtteil, der durchaus interessant und lebenswert ist.

Mitspazieren und mitdiskutieren

Hildegund Amanshauser leitet die international renommierte Bildungseinrichtung  (Foto: Victoria Schaffer)

Hildegund Amanshauser leitet die international renommierte Bildungseinrichtung
(Foto: Victoria Schaffer)

Aber auch andere Teile der Stadt Salzburg werden erkundet. Drei weitere Spaziergänge, führen zum Beispiel durch verborgene Winkel zwischen Nonntal und Mülln, oder folgen den Salzburger Wasseradern und Brunnen. Immerhin sind wir Salzburger besonders stolz auf unsere gute Wasserqualität. Die Vorträge und Diskussionen zum Thema Stadt finden ebenfalls in Lehen statt – in der Stadtgalerie. Dort werden Fragen behandelt wie „Wie funktionieren Städte heute (nicht)?“ Oder besonders heikel: „Wie können wir die Brücke von der lokalen Situation in Salzburg mit der Shopping- und Eventmeile ‚UNESCO Welterbe Altstadt’ zu globalen Entwicklungen schlagen?“

„In Salzburg engagieren sich die Einwohner sehr für ihre Stadt“, ist Hildegund Amanshauser überzeugt. Und weil das so ist, sollte das interessante Programm Menschen anlocken, die eine große Rolle bei der Stadtentwicklung innehaben – wie Stadtplaner_innen, Architekt_innen und Künstler_innen. Darüber hinaus können und sollen sich auch interessierte Bürger_innen daran beteiligen. Die Hoffnung ist, dass möglichst viele Stimmen etwas zur Diskussion beitragen.

Typischer Sommer-Aufreger in Aussicht?
Und wer sich für Diskussionen nicht begeistern kann, hat dieses Jahr trotzdem was von der Sommerakademie: Zum ersten Mal wird ein Kurs gehalten, bei dem Kunst im öffentlichen Raum entsteht, die auch in der Stadt zu sehen sein soll. So werden wir uns darüber freuen oder erhitzen können. Kunst im öffentlichen Raum sorgt in Salzburg ja regelmäßig für Aufregung. Ein Skandal könnte aber ausbleiben, denn „das wäre zu einfach.“ Hildegund Amanshauser ist es wichtig, dass die Interventionen einen speziellen Bezug zu dem Ort haben, an dem sie stehen, und nach Ende der Sommerakademie 2014 wieder verschwinden. „Wir wollen die Stadt ja nicht mit Kunst zumüllen.“
Wir dürfen trotzdem gespannt sein. Und uns auf einen interessanten Sommer mit dem Programm der Sommerakademie freuen.

 

Links:
Mehr über die Internationale Sommerakademie für Bildende Kunst

Veranstaltungsprogramm 2014 der Sommerakademie

Alle Stadtspaziergänge der Sommerakademie