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Die Erde vom Weltall aus betrachtet ist wunderschön – der Anblick beeindruckt immer wieder. Dabei ist er im Kino noch nicht einmal echt. Und im Weltraum herrscht absolute Stille. Kein einziger Ton ist zu hören: kein Rauschen, kein Sausen. So beginnt der Film auch: nur mit dem wunderbaren Anblick der Erde und mit absoluter Stille. Nur das Husten, Rascheln und Tuscheln der Kinobesucher erinnert daran, dass man sich noch auf der Erde befindet.3d

Die Kamera fährt etwas näher an die Erde heran und es kommt eine Weltraumstation ins Bild. Schon bald erkennt man ein paar Astronauten bei einem Außeneinsatz. Erst ganz leise, dann immer deutlicher kommt Ton dazu. Die Astronauten reden. Miteinander und mit Houston – ohne Unterbrechung. Die Stille des Weltraums muss sonst wohl unerträglich sein.

Irgendwie hat es das kleine Grüppchen im Weltraum ganz gemütlich. Der Astronaut Matt Kowalsky [George Clooney] gleitet gemächlich mit seinem Jet Pack herum – es ist ja sein letzter Einsatz. Für die Ärztin Dr. Ryan Stone [Sandra Bullock] ist es der erste Aufenthalt in der Umlaufbahn der Erde und sie müht sich ab, eine Kommunikationsschnittstelle an einem Hubble Weltraumteleskop zum Funktionieren zu bringen. Der dritte im Bunde findet es indessen recht lustig, im Weltraum herumzuturnen. Diese Weltraumidylle wird nur wenige Minuten später jäh beendet, als ein Schauer von Satellitenschrott die unbeschwerte Szene in Chaos verwandelt. Das Sicherungsseil von Dr. Stone wird von einem der Teile durchtrennt und sie driftet im Endlossalto weg von der Gruppe, ohne dass sie ihre Lage stabilisieren oder den Flug aufhalten könnte. Allein mitten im Weltraum. Der Kontakt zu Houston ist abgebrochen, doch immerhin noch mit Kowalskys Stimme im Ohr.

So weit die Handlung der ersten 10 Minuten. Und bis dahin hat mir der Mund die ganze Zeit offen gestanden. Das hatte zum einen damit zu tun, dass 3D noch nie aus so gutem Grund und so gut eingesetzt wurde wie in diesem Film. Es dient nämlich wirklich nicht dazu, laufend den Effekt auszunutzen und ständig dem Zuschauer irgendetwas entgegen zu schleudern. Zum anderen lag es daran, dass es bis dahin keinen einzigen Schnitt gibt. Die Kamera fährt wie in einem eleganten Tanz die Station entlang dreht sich mit den schwerelos schwebenden Personen und Gegenständen mit, manchmal dreht sie in die Gegenrichtung, schwenkt ihren Blick mal hierhin, mal dorthin, fährt an etwas heran und wieder zurück. Das ist technisch beeindruckend und außerdem wunderschön anzusehen. Und man verliert dabei auch ein bisschen die Orientierung.

Während Ryan Stone alleine durch den Raum wegdriftet, zoomt die Kamera ganz nahe an den Helm heran und taucht durch das Visier ein. So steckt man mit ihr im Raumanzug und erlebt ihre Panik ganz nahe mit. Selbst innerhalb des Helms schwenkt die Kamera herum und man blickt durch das Visier mit seinen darauf projizierten Anzeigen und trudelt mit – immer weiter weg in die Dunkelheit.

Ryan Stone wird zwar von Kowalsky zurückgeholt, doch alles ist zerstört, der dritte Kollege tot – und die Besatzung in der Raumstation ebenso. Es ist keine Rettung und Ryan Stone erfährt am eigenen Leib, dass nichts so lebensfeindlich ist wie der Weltraum. Das ist zwar bekannt, doch so erschreckend eindrucksvoll habe ich das bisher nicht erlebt – und das nicht nur wegen der erstaunlichen Filmtechnik. Sandra Bullock ist letztlich völlig auf sich gestellt. Sie muss nicht nur das Abenteuer im Weltraum alleine bestehen, sondern auch den Film alleine tragen. Und sie trägt ihn gut.

Wir lernen die von ihr dargestellte Ryan Stone als einsamen Menschen, der im Orbit wie auf der Erde niemanden mehr hat, in einer verzweifelten Lage kennen. Wozu noch leben? Loslassen und aufgeben scheint daher eine leichte Entscheidung. all

Regisseur Alonso Cuarón geht an dieser Stelle jedoch nicht tiefer. Es wäre eine Möglichkeit, sich hier mit den großen Fragen des Lebens auseinanderzusetzten. Cuarón hat sich hier aber nicht so sehr für das existentialistische Thema interessiert. Dass er so eine Geschichte auch erzählen kann, hat er schon mit seinem letzten Film „Children of Men“ bewiesen. Als Fan des Spannungskinos finde ich gut, dass der Regisseur mit Gravity in diese Richtung gehende Erwartungen enttäuscht hat. Das heißt auch, er will seinem Publikum nicht immer dasselbe servieren, sondern überraschen. Zur Überraschung gehört (für manche sicher) auch, dass spannendes Unterhaltungskino nicht größer, teurer und lauter als alles andere bisher Dagewesene sein muss. Michael Bay, Roland Emmerich und ein paar andere könnten sich mal ein paar Notizen machen – als Anregung fürs nächste Projekt.

Natürlich ist der Film voller computergenerierter Bilder, doch sie erschlagen nicht die Handlung und degradieren die Schauspieler nicht zur reinen Staffage. Im Gegenteil: Sandra Bullock bekommt den Raum, den sie braucht, um zu beweisen, dass in ihr eine wirklich gute Schauspielerin steckt, die mehr kann als mit über 40 noch das ewige Mädchen in romantischen Komödien zu geben.

Die wichtigste Erkenntnis beim Verlassen des Kinosaals war aber, dass ich, nie, aber auch wirklich gar nie ins All fliegen will. Zum Glück bin ich sowieso zu alt, zu wenig fit und zu fehlsichtig dafür.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 Punkte

Vielleicht ein bisschen zu großzügig bewertet, aber ich habe schon einige Jahre nicht mehr so rundum zufrieden das Kino verlassen.