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Reisen mit Reis.

Auf jedem Kontinent wird Reis angebaut, am meisten in Asien: China, Indien, Indonesien sind die drei größten Reisproduzenten. Wobei Indien, Vietnam und Thailand die größten Exportländer sind. Reis ist ein wichtiges Grundnahrungsmittel und bildet mit etwa 80% den Hauptbestandteil der Nahrung in Asien. Der Großteil des geernteten Reises dient der Ernährung der Menschen, nämlich 92%. Nur ein geringer Teil wird als Tierfutter verwendet oder industriell weiterverarbeitet.

Reisfabrik in am Dak Lak See, Vietnam (c) Walter Oberascher

Reis ist neben Weizen, Mais, Soja, Zuckerrohr, Kaffee und Rindfleisch eine wichtige Handelsware auf dem Weltmarkt. Er unterliegt damit auch den Spekulationen mit Agrarrohstoffderivaten global agierender Geschäftemacher. Wenn die Preise steigen, erhöhen die reisproduzierenden Länder ihre Ausfuhrquote. Damit bleibt weniger Nahrung im eigenen Land. Armut, Mangelerscheinungen und Hunger sind die Folge.

Reisverkäuferin am Markt in Naypyidaw, Hauptstadt von Myanmar
(c) Walter Oberascher

Das sind die Fakten, aber was die Landschaft in weiten Teilen Asiens so besonders macht, das sind eben diese Reisfelder. Und es ist diese einmalige Farbe.

Reisfelder findet man so gut wie überall, wenn man in Südostasien unterwegs ist.

Die Reisfelder werden oft noch mit Ochsen beackert. So wie hier in Kratie, Kambodscha
(c) Walter Oberascher

Rund um die Städte und Dörfer gibt es große Anbauflächen. Der Reis wird trocken ausgepflanzt und im trockenen Feld geerntet. Die Überflutung der Felder dient natürlich der Bewässerung des Getreides, verhindert den Unkrautwuchs und hält viele Schädlinge ab. Aber gerade diese satten Wasserflächen voll mit Reishalmen sind charakteristisch und prägen das Landschaftsbild. Und das schon seit Jahrtausenden.

 

Der Reis ist Lebensgrundlage

Voraussetzung für jede Art der Hochkultur ist die ausreichende und langfristige Produktion von Nahrungsmitteln. Wenn genug Nahrung vorhanden ist, muss nicht jeder Mensch als Bauer von der Hand in den Mund leben. Sondern es wird möglich, dass Teile der Gesellschaft anderen Tätigkeiten nachgehen. Das Handwerk kann sich entwickeln. Es bleibt Zeit für Kreativität. Der Bildungsgrad der Bevölkerung steigt. Das galt vor tausenden von Jahren und das gilt auch heute noch.

 

Angkor Wat, Kambodscha
(c) Walter Oberascher

Die Basis für die Entwicklung der Hochkultur in Angkor Wat, Kambodscha, wurde um 900 n. Chr. durch eine hochentwickelte Bewässerungstechnik im Reisanbau gelegt. Abhängig von Monsun waren die Bauern auf die viermonatige Regenzeit angewiesen. Als die ersten Herrscher von Angkor begriffen, dass sie ihre Macht ausdehnen können, wenn sie den Reisertrag steigern, wurden riesige Reservoire, Barays, angelegt. Diese künstlichen Seen füllen sich in der Monsunzeit und dienen in den trockenen Perioden zur Bewässerung der Felder. Dadurch können zwei bis drei Ernten pro Jahr eingefahren werden. Die Barays kann man heute noch besichtigen und über Stege zu den im Wasser errichteten Tempeln spazieren.

Östlicher Baray bei Angkor Wat, Kambodscha
(c) Walter Oberascher

 

Von der Hand in den Mund … fast.

In Vietnam konnte ich eine Bäuerin beobachten, die durch das Reisfeld watete, um zu düngen. Auf ihrem Rücken trug sie einen Korb. Immer wieder bückte sie sich, griff in das Wasser und warf etwas über ihre Schulter in den Korb. Wie sich herausstellte, sammelte sie bei der Arbeit im Feld nebenbei auch gleich Frösche ein. Schon mal einen Frosch mit grüner Pfeffersauce und Reis probiert? Schmeckt köstlich! Aber Vorsicht bei den kleinen Knöchelchen.

Nirgendwo sind die Reisfelder so grün wie in Vietnam
(c) Walter Oberascher

 

Was mir aber besonders in Erinnerung bleibt ist dieser Geruch. Kommt man an einem überfluteten Reisfeld vorbei, in dem die Halme fett im Wasser stehen, kann man den Reis riechen. Wenn der warme feuchte Wind über das Feld streicht und ins frische Getreide Wellen malt, dann riecht es tatsächlich nach gekochtem Reis. Ein einzigartiger Geruch. Irgendwie vertraut.

 

Bosnien – ich komme wieder“, habe ich vor nicht allzu langer Zeit versprochen [hier nachzulesen]. Jetzt hat mich der Weg tatsächlich wieder hier hergeführt. Meine erste Station: Sarajevo.

Ich betrete die alte serbisch-orthoxe Kirche von Sarajevo. In dem Augenblick beginnt der Muezzin mit seinem Ruf zum Mittagsgebet. In der Kirche vermischt sich der Ruf mit den leisen christlichen Gesängen, die vom Tonband kommen. Ich setze mich und lasse mich von diesem Moment tragen. Ich blicke auf, vorne steht eine Frau, versunken ins Gebet. Die Ikonen blicken stumm herunter, wie schon seit Jahrhunderten. Ein Mann betritt mit seiner kleinen Tochter am Arm die Kirche. Mit einem liebevollen „Haydi!“ ermutigt er das Kind das erste Bild zu küssen. Fasziniert schaue ich zu, wie er mit seiner Tochter reihum alle Bilder und Reliquien küsst. Ein Vater-Tochter Augenblick, der nur den beiden gehört. Dann verlassen sie die Kirche wieder, vielleicht auf dem Weg nach Hause.

In der serbisch-orthodoxen Kirche

In der serbisch-orthodoxen Kirche

Die Frau beendet ihr Gebet, auch der Muezzin ist nicht mehr zu hören. Ich zünde noch zwei Kerzen an, eine für die Lebenden, eine für die Toten, so habe ich es in der rumänisch-orthodoxen Kirche gelernt, ein schönes Ritual. Jetzt erst fällt mir auf, wie laut der Straßenlärm von draußen hereindringt.

Kolay gelsin!

Kolay gelsin!

Die Altstadt von Sarajevo ist geteilt, ersichtlich. Auf der Straße steht: Sarajevo- Meeting of Cultures. Die Touristen machen Posen, fotografieren sich gegenseitig und zeigen nach Westen und nach Osten. Hier der neuere Teil, mit europäischen Häusern, die sich von Wien bis Istanbul finden. Dort das alte Sarajevo, osmanisch geprägt. Mit niedrigen Häusern, Bazaren, Werkstätten und Wasserpfeifenlokalen in schönen Innenhöfen. Es ist ein entspanntes Miteinander. Ich gehe durch die Straße der Kupferschmiede, ein altehrwürdiges Handwerk. Männer schlagen das Metall zu Tellern, Kannen und Kühlschrankmagneten. Mir rutscht dauernd ein „Kolay gelsin!“ heraus. Das sagt man in der Türkei zu jemandem, der arbeitet, wenn man vorbeigeht. Aber ich bin in Bosnien, die Männer schauen mich nur lächelnd an, verstehen mich natürlich nicht. Aber ich kann nicht anders, ich bewege mich durch das Viertel wie in Istanbul. Es ist noch ganz viel Orient hier in Sarajevo!

Die Rose von Sarajevo

Die Rose von Sarajevo

Auch die nahe Vergangenheit ist noch immer präsent. An manchen Häusern finden sich die Einschusslöcher aus der über dreijährigen Belagerung Sarajevos. Bei der Stadtführung ist es immer wieder Thema. Auf der Straße findet sich an vielen Orten die „Rose Sarajevos“, die an die tausenden Toten erinnert. Man kann nicht einfach vorbeiflanieren, die Erinnerung ist überall. Ich gehe in die Ausstellung Srebrenica Memorial im Haus direkt neben der katholischen Kathedrale, vor der eine Statue des gebeugten Johannes Paul II steht. Im dritten Stock empfangen mich die Bilder der Toten. Ein Film über die Belagerung der Stadt läuft. Rennende Menschen, Schüsse von den umliegenden Bergen, Schreie von Kindern. Das bosnische Sinfonieorchester, das in einer Tiefgarage gegen den Krieg anspielt. Die Miss Wahl 1993, die Frauen in Badeanzügen halten ein Transparent hoch: Don’t let them kill us!

Ausstellung „Srebrenica Memorial“

Ausstellung „Srebrenica Memorial“

Und immer wieder Menschen, die vom täglichen Überlebenskampf berichten, dem Brot- und Wasserholen, das nur unter Lebensgefahr möglich ist. Und Kinder, die sich in ein zerschossenes Auto setzen und „Wir fahren ans Meer“ spielen. Das ist Krieg.
Als ich aus der Ausstellung hinauskomme, strahlt die Sonne, die Menschen gehen ihrem Alltag nach. In Sarajevo herrscht jetzt Frieden. Aber nicht in Aleppo, nicht in Mossul, nicht in Kabul. Der Film ist nicht Vergangenheit, sondern grausame Gegenwart.