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Ich erzählte, ja klagte alsgerade schon das eine oder andere Mal über meine Erlebnisse beim Busfahren. Jetzt gab es wieder einmal was, das sich zu erzählen lohnt! Vor allem über meinen Geistesblitz!

Vor ein paar Tagen gab es wieder mal ein Treffen der zartbitter-Schreiberlinge. Solche Treffen werden so alle drei bis vier Monate angesetzt, um darüber zu palavern, was so anliegt und was man (noch) besser machen könnte. Diesmal gab es aber viel Privates zu plaudern, so dass gar nicht über das Eigentliche gesprochen wurde. Scheinbar passte alles!

Normalerweise werde ich immer von lieben Freunden mitgenommen, das Wetter erlaubte es aber, dass ich meine käuflich erworbene Tageskarte des Salzburger Verkehrsverbundes auch zur Heimfahrt nutzte. Dank der qando-App konnte ich sehen, wann der Mercedes (Bus) kommt. Zeitgerecht rollte ich los zur nahegelegenen Bushaltestelle. Kurz darauf kam Sabinchen angestakst, eine fleißige Bloggerin im Garten und Rezeptbereich! Schwer bepackt mit Papiertragetaschen voll frischer Eier von den glücklichen #Weieregg Hühnern! Wir ratschten noch kurz, da kam schon der in Unschuldsweiß lackierte Bus. Gesteuert wurde die Fuhre von der besten Chauffeuse des Unternehmens, ja sogar überhaupt! Immer freundlich und zuvorkommend, auch im größten Stress!

Rollstuhlklappe BusSabine, neugierig darauf, zu sehen, wie denn das beim Einladen meinerseits funktioniert, blieb noch kurz. Besagte Chauffeuse stieg aus und begrüßte mich wie immer freundlich. Leider fuhr sie diesmal einen Wagen, bei dem der Griff zum Ausklappen der Rampe nicht serviciert war und durch den angesamelten Dreck festsaß. Sie ließ den Bus vorab, wie immer, per Hydropneumatic nach unten, was aber trotzdem eine hohe Hürde ergab. Die Dame bot mir an, mich per Zurückkippen in den Bus zu bugsieren. Das klappt normalerweise ganz gut, wenn das denn ein kräftiger Mann macht. Natürlich bot sogleich auch Sabinchen ihre Hilfe an. Sabinchen schob am rechten Griff, mir ihren üppigen Busen ins Genick drückend, fleißig an, und die freundliche Busfahrerin, zart und eher klein in der Statur, schnaubte mir ob des Keuchens in den Nacken. Zum Glück saß ein junger Flüchtling im Bus. Der sprang sofort auf und zerrte von vorne. Zu dritt kam ich mit meinen 105 kg in den Wagen und konnte meine Heimfahrt antreten.

Sinnierend und immer wieder mal an die Rampenklappe starrend, kam mir, wie einst bei Wickie und die starken Männer, eine wunderbare Idee! Zusätzlich zu dem verdreckten Griff gibt es auch noch ein längliches Loch, in das man einen Haken wie einen Schürhaken einstecken kann. Das geht auch kleiner. In meiner übervollen Rumpelkammer wähnte ich noch diverse Haken von Ikea aus dem Küchenzubehör. Einen davon nehme ich jetzt immer in meiner Tasche mit, damit ich auf alle Fälle in den Bus komme. Heute bei der Heimfahrt vom Training schon ausprobiert und für gut befunden!

Mit elektrischem Rollstuhl ist jede Obusfahrt eine Herausforderung. Daher versuche ich es zu vermeiden. Doch heute war es wieder so weit, mir war nach Abenteuer!

Als Obusnutzerin mit Erfahrung wusste ich, dass das heute möglich ist, weil es erstens nicht regnete und zweitens kein einzuhaltender Termin meine pünktliche Ankunft erforderte, sondern ein lockeres Treffen, wo ein Zuspätkommen keine gröbere Rolle spielt. Ich plante also vom Mirabellplatz bis zu meinem Ziel in Salzburg Süd mit dem Obus zu fahren. Eine Linie und somit ohne Umsteigen.

Ich rechnete zwar ohnehin damit, hatte dann aber doch ein leises Grummeln im Bauch, als der erste Bus der Linie 3 ohne Rampe und sogar einer der ganz alten Generation vorfuhr. So einer, der beim Einstieg Stufen hat und sich das Geländer in der Mitte befindet. In diesem Fall auch für Kinderwägen nicht wirklich nutzbar, von Rollstühlen und Rollatoren ganz zu schweigen.  Der zweite Bus, zehn Minuten später, war schon neuerer Bauart, aber ohne ausklappbare Rampe. Wie soll ein 180 kg schwerer Rollstuhl den Spalt zwischen Gehsteig und Obus überwinden? Flügel als Zusatzausstattung werden nicht bezahlt. So schickte ich meine Assistentin zum Fahrer, mit der Bitte in der Leitzentrale nachzufragen, ob denn der nächste eine Rampe hat. Der Fahrer meinte spontan, dass auf der Linie 3 „nie mehr Rampenbusse“ fahren. Auf das etwas verdutzte Gesicht meiner Assistentin rief er dann doch an und gab zur Auskunft, dass wir Glück (!) haben, der nächste hat eine.

Wieder zehn Minuten später kam dann die ersehnte Transportmöglichkeit … und kaum zu glauben erst der dritte und schon MIT Rampe! Juhuuu!

Der Fahrer dieses Busses gab auf die Bitte die Rampe auszuklappen zur Antwort „ja, ich bin ja ohnehin schon zu spät“. Kurz zog das Wort „Beleidigung“ durch mein Gehirn. Ich wollte über die Bedeutung dieser Aussage aber nicht intensiver nachdenken, also ignorierte ich sie.

Er kam mit dem Eisenhaken den er zum Ausklappen der Rampe benötigt (Anm.: dieser Obusfahrer war ein ganz pfiffiger, da ich ihm nicht sagen musste, wo genau er diesen Haken findet), ich stand schon einfahrbereit, er zog die Rampe mit dem Haken aus dem Bus hoch und …. ließ sie aus dem Scheitelpunkt mit einem lauten Knall außen auf den Boden donnern. Ich stand in einer meterhohen Staubwolke und konnte nur noch schnell die Augen zumachen.CAM00173[1]

Als ich sie wieder öffnen konnte, erblickte ich auf dem für Rollstühle angedachten Platz zwei Kinderwägen und drei Personen mit je einem großen Reisekoffer. Etwas ratlos blickte ich in den Bus und genauso ratlos und auch etwas mitleidig und gelangweilt blickten die im Bus stehenden oder hinter den Fensterscheiben sitzenden Fahrgäste aus dem Bus heraus.

Der Fahrer sagte (wiederum unerwartet), dass sie aussteigen und hinten einsteigen sollen. Menschen und Koffer folgten der Aufforderung, die Kinderwägen blieben stehen. Freundlicherweise wurde mir so viel Platz gemacht, dass ich gerade noch reinpasste – im Einparken bin ich Meisterin meines Fachs! Vor mir das Schild mit dem Rollstuhlzeichen und daneben das mit dem Hund mit Beißkorb ……  Sollte ich darüber nachdenken? Nein, heute nicht!

In meinem Rücken hörte ich das Einklappen der Rampe mit einem Knall. Ich freute mich richtig, dass ich diesmal die Augen nicht schließen musste, da nun meine Rückseite gleichmäßig bestaubt wurde und auch andere Fahrgäste in den Genuss der kostenlosen Staubwolke kamen – so haben mehrere was zum gleichen Preis.

Die Unruhe im Obus legte sich langsam und alle begannen wieder vor sich hinzustarren. Beim Aussteigen war dann nur noch ein einziges Knallen und eine einzige weitere Staubwolke zu überstehen und mit Schwung verließ ich die Busstation fluchtartig. Gestärkt für die nächsten Unbilden des Lebens erreichte ich also nach 45 Minuten meinen Zielort. Das Ziel des Abenteuers zeigte sich durch meinen angestiegenen Adrenalinspiegel ebenso als erreicht.

Ich fahre sicherlich bald wieder mit dem Obus. So viel Abenteuer ist kaum sonst wo für so wenig Geld zu bekommen.

Wenn ein weiteres Abenteuer meine Lebenslinie ziert, werde ich euch wieder berichten. Bis dahin – one life, live it! :)

Wenn ich auf Urlaub fahren möchte und mir Übernachtungsmöglichkeiten suche, frage ich standardmäßig die Barrierefreiheit ab. Und da gibt es fast jedes Mal die Überzeugung seitens der Vermieterinnen, dass eine Rampe Barrierefreiheit bedeutet: „Ja, wir haben eine Rampe ins Haus“, ist die meist verwendete Standardantwort.

Frage ich dann näher nach, erweist sich das restliche Haus meist nicht barrierefrei. Sei es, dass das Badezimmer zu klein und auch noch eine schmale 70er-Tür hat oder dass der Frühstücksraum nur über Stufen erreichbar ist. „Wie helfen ja eh“, heißt es dann, wenn ich sage, dass das mit Rollstuhl nicht möglich sei. Wobei helfen sie mir? Beim Duschen oder beim Essen? Unterstützung schön und gut, aber ich würde gerne selbst entscheiden, wann ich was und wie und vor allem mit wem machen möchte.

Gerne wird vergessen, dass Rollstuhlnutzerinnen nicht nur bis ins Zimmer kommen möchten, sondern wie jeder Mensch auch noch andere Bedürfnisse haben. Neben dem WC muss genug Platz zum Anfahren mit dem Rollstuhl und Umsitzen sein. Die Dusche muss bodeneben einfahrbar und mit einer Sitzmöglichkeit, sowie Griffen und Armaturen in Sitzgreifhöhe ausgestattet sein. Das Waschbecken muss unterfahrbar und der Spiegel aus der sitzenden Position einsehbar sein. Vor dem Bett wird genug Platz zum Zufahren mit dem Rollstuhl benötigt.DSC05617

Doch zur Barrierefreiheit zählen noch ganz andere Dinge. Menschen mit Hörbehinderungen benötigen mindestens im Rezeptionsbereich eine Induktionsanlage. Ebenso sollten für das Zimmer ein Rüttelkissen (zum Aufwecken) und eine Blitzlichtanlage als Alarm vorhanden sein. Blinde oder sehbehinderte Menschen benötigen Leitsysteme durchs Haus und profitieren von einer kontrastreichen und nicht spiegelnden Umgebung. Ist ein Aufzug im Haus, muss er mit einer Sprachausgabe ausgestattet sein.

Alle diese Dinge regeln diverse ÖNORMEN mit ihren vorgegebenen Normmaßen ganz genau. Aber das ist eine andere Geschichte.

DSC06480Und so lange umfassende Barrierefreiheit nicht wie selbstverständlich überall angeboten wird, muss es auch Infomaterial über barrierefreie Freizeitmöglichkeiten in der Umgebung geben. Jede Zimmeranbieterin möchte doch, dass sich ihre Gäste wohlfühlen und im besten Fall gerne wiederkommen.

Leider zeigt die Praxis, dass nur wenige Verantwortliche in der Tourismusbranche bis dato das Potenzial von Barrierefreiheit erkannt haben. Und so ist es für die meisten Menschen mit Behinderung, und auch für mich, äußerst mühsam und zeitaufwändig einen Urlaub zu organisieren.

 

Hinweis: Der Beitrag wurde der Lesbarkeit wegen bewusst in der weiblichen Form verfasst, da diese die männliche automatisch mit einschließt.