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Dieses Jahr ist das Jahr zweier großer Remakes. Das erste davon lief Ende August an: Ben Hur. Der Film gilt jetzt schon als kapitaler Flop – mit über 100 Millionen Dollar Verlust. Warum? Vielleicht weil es an zugkräftigen Stars fehlte.

Wenn es danach geht, dann müsste Die glorreichen Sieben ein Riesenerfolg werden. Die Rollen der sieben Helden sind prominent besetzt – und zwar nicht nur mit beliebten Schauspielern aus den USA, sondern auch aus Mexico und Vietnam. Wie vielversprechend!

Worum gehts?

Ein kleines Dorf wird vom eiskalten Geschäftemacher Bogue und seinem mörderischen Gefolge tyrannisiert. Eine junge Witwe, deren Ehemann von Bogue umgebracht wurde, bittet einen Kopfgeldjäger um Hilfe. Der Kopfgeldjäger stellt eine Truppe an Scharfschützen, Revolverhelden und Outcasts zusammen, um das Dorf von der Tyrannei zu befreien.

Die Story ist also in Grundzügen diesselbe wie im Western-Klassiker aus 1960. Damals war es ein mexikanisches Dorf, das von sieben Männern befreit wird – weißen Männern. Doch der weiße Mann als Retter – das war vielleicht 1960 ok. 2016 kann man das nicht mehr bringen. Darum bringt Neuverfilmung der Glorreichen Sieben eine Besetzung zusammen, die jedem Ruf nach mehr Diversität in Hollywoodfilmen gerecht wird.

Viele Chancen für einen interessanten Film

Ein schwarzer Kopfgeldjäger [Denzel Washington] ist der Anführer der Truppe. Mit dabei sind: Ein Spieler [Chris Pratt], ein traumatisierter Scharfschütze aus den Südstaaten [Ethan Hawke], ein Fährtenleser [Vincent D’Onofrio], ein messerwerfender Auftragskiller [Byung-hun Lee – ein Star in seiner Heimat Vietnam und auch in Hollywood kein Unbekannter], ein Soldat [Manuel Garcia-Rulfo – aus Mexico] und ein Cherokee Meister-Bogenschütze [Martin Sensmeier – trotz deutschen Namens ein Native American].
Was für eine Ausgangslage für einen Film. Perfekt, um völlig neue Perspektiven und Themen in die Geschichte einzubringen.

Es ist ja nicht nötig, gleich stundenlang die Befindlichkeiten der Nation und die Verhältnisse zwischen, Norden, Süden, Schwarzen, Weißen, Mexikanern oder sonstwas auszubreiten. Das hatten wir gerade in Quentin Tarantinos The Hateful Eight – vielleicht sogar ein bisschen zu viel davon. Was es bedeutet eine solche unterschiedliche Gruppe von Männern für eine so schwierige Aufgabe zusammenzuführen hat die Autoren ganz offenbar nicht interessiert. Eine vertane Chance.

Es ist aber nicht nur die Diversität, mit der der Film nichts anzufangen weiß. Jeder einzelne der Protagonisten hat seine Geschichte. Doch die bekommen wir nur andeutungsweise präsentiert und die Charaktere erhalten keine Tiefe. Es entstehen auch keine Dynamiken und Beziehungen zwischen Figuren. Wie soll sich da das Publikum mit irgendwelchen Charakteren identifizieren? Hier kann man nicht einmal von einer verpassten Chance reden. Es wird hier ein Mindestbedürfnis des Publikums nicht erfüllt. Ärgerlich, denn das Talent der Schauspieler ist dadurch völlig vergeudet.

Oh, es gibt auch eine Frauenrolle. Die junge Witwe [Hayley Bennett], die sich überhaupt traute, jemanden anzuheuern, um den Ausbeuter Bogue zu vertreiben. Sie ist kein schwaches Frauchen, das von einem Mann beschützt werden muss. Sie ist selbstbewusst, mutig, kann mit einem Gewehr gut umgehen und hätte mit der angeheuerten Truppe gut mithalten können. Doch stattdessen wird sie zuerst in eine Bluse gesteckt, die genügend Schultern und Ausschnitt zeigt. Wenn es dann um die Männersache geht, muss sie völlig in den Hintergrund weichen. Später kommt ihr Beitrag zum Finale wie aus dem Nichts. Ob ich wohl der einzige war, der schon fast vergessen hatte, dass sie auch noch da ist? Wieder eine Chance ungenutzt: Es wäre leicht gewesen hier eine im Ansatz gute Frauenrolle auch voll auszubauen. Aber das ist offenbar ein Männerfilm. Bleibt also nur die Rolle als Aufputz mit Ausschnitt.

Bleibt noch der Gegenspieler: Bogue [Peter Sarsgaard]. Was soll ich sagen? Irgendwie ein beliebiger Copy-and-Paste-Bösewicht. Er tut alles, um sich unsympathisch genug zu machen, sodass wir seine Bestrafung wollen. Mehr nicht.

Ehrlich gesagt wurde mir im Kino ein bisschen langweilig. Die Handlung nimmt ihren erwartbaren Lauf. Auch wenn man die Version von 1960 [oder das Original, den japanischen Film Die sieben Samurai] nicht gesehen hat, gibt es nichts Überraschendes. Absolut gar nichts. Und es gibt nichts, das dieser Western dem heutigen Publikum mitteilen möchte. Die Action mit manchmal endlosen Schießereien, Kämpfen und Explosionen kann nicht von den offensichtlichen Mängeln des Films ablenken.

Ein gutes Haar

Chris Pratt mochte ich schon bevor er vom lustigen Pummel zum durchtrainierten Hollywood-Schwarm mutierte. Und auch in Die glorreichen Sieben rettet er den Film, indem er nicht nur cool die Augen zusammenkneifend in die Ferne blicken darf. Er ist der Spieler, der mit seinen Taschentricks geschickt ablenkt und das Überraschungsmoment nutzt, um zuzuschlagen. Damit sorgt er für die einzigen Augenblicke, die mir echtes Vergnügen bereiteten. Wenigstens dürfen sich seine Fans ein bisschen freuen.

Als Film hätte Die glorreichen Sieben es verdient, der zweite große Remake-Flop des Jahres zu werden. Ich denke, das wird aufgrund der Zugkraft der Namen nicht passieren.

Meine Bewertung auf IMDB: 6 Punkte
Wer Western im Allgemeinen und einen der Schauspieler mag, hat einen Grund sich den Film anzusehen. Trotz kulturell diverser Besetzung gibt es aber nichts auch nur ansatzweise Interessantes oder Neues, sondern ist ein Western nach Schema F. Das Drehbuch hätte nicht mehr als 4 Punkte verdient. Die 6 Punkte gibt es einzig für die guten Schauspieler.

[Vorschaubild: Public Domain, Lizenz: https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/legalcode]

Manchmal frage ich mich, ob ich von Quentin Tarantinos Filmen schon genug habe. Und dann kommt ein Film wie Inglourious Basterds – oder wie jetzt: The Hateful 8. Tarantino hat mich wieder überrascht.

Vom Vorspann an war ich gebannt. Zum Bild eines am verschneiten Wegesrand stehenden, lebensgroßen Jesus auf dem Kruzifix kündigt der bedrohlich klingende Soundtrack von Ennio Morricone Unheil an.

Worum gehts?
Amerika irgendwann nach dem Bürgerkrieg. Durch die verschneite Landschaft von Wyoming fährt ein Sechspänner. Der Kopfgeldjäger John Ruth [Kurt Russell] bringt die Mörderin Daisy Domergue [Jennifer Jason Leigh] in einer Kutsche nach Red Rock. Daisy soll dort gehängt werden. Unterwegs lesen sie noch Major Marquis Warren [Samuel L. Jackson] auf, ebenfalls ein Kopfgeldjäger. Er transportiert seine Beute aber lieber tot. Schließlich kommt noch ein Südstaatler mit breitem Akzent dazu [Walton Goggins]. Er wirkt nicht besonders helle – ein richtiger Hick also. Er stellt sich als künftiger Sheriff von Red Rock vor. Ein aufziehender Schneesturm zwingt die vier, in einem Gasthaus mitten im Nirgendwo Halt zu machen – Minnie’s Haberdashery. Dort wird das hassenswerte Oktett komplett. Minnie ist für ein paar Tage auf Verwandtenbesuch, erfahren wir. Bob, der Mexikaner, [Demián Bichir] führt inzwischen die Wirtschaft, in der sich auch bereits andere Gäste darauf eingerichtet haben, während des Schneesturms auszuharren: Ein alter General [Bruce Dern], ein Cowboy [Michael Madsen] und der ziemlich blasierte Engländer Oswaldo Mobray [Tim Roth], seines Zeichens Henker. Auch er ist auf dem Weg nach Red Rock. Dort soll er Daisy hängen. So ein Zufall aber auch. Oder etwa nicht?

[Schaut euch den Trailer an – oder scrollt runter und lest weiter]

Nach dreißig Minuten, die sich in der Kutsche abspielen und wo es bereits genügend Reibereien gibt, spielen gut zwei Stunden im Gastraum von Minnie’s Haberdashery. The Hateful 8 entwickelt sich dort zu einem echten Kabinettstück – eines mit viel Grind, Blutkrusten und Gefluche.

Jennifer Jason Leigh (Foto: Gage Skidmore, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode]

Jennifer Jason Leigh
(Foto: Gage Skidmore, Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/legalcode]

Ein tolles Ensemble
Der Film wird ganz von seinen Darstellern getragen – und alle sind in Hochform. Es sind zu viele, um sie alle einzeln zu würdigen. Darum stelle ich nur jene vor, deren Figur die beste Aussicht darauf hat, dem Publikum als Identifikationsfiguren zu dienen. (Letztlich ist es keine davon.)

Kurt Russells John Ruth ist durch und durch ein Wildwest-Raubein. Neben ihm wirkt John Wayne wie ein Chorknabe. Er besitzt Scharfsinn, doch wollen wir wirklich sein, wie dieser brutale Kerl?
Samuel L. Jackson ist als Warren vielschichtig. Der ehemalige Soldat trägt einen persönlichen Brief von Abraham Lincoln mit sich. Ein Schwarzer als Brieffreund des Präsidenten selbst? Die einen vertrauen ihm deshalb, die anderen misstrauen ihm umso mehr. Es geht ihm nicht darum, gemocht zu werden; an einem Punkt offenbart er Abgründiges über sich selbst.
Wunderbar ist auch die einzige Frau. Man sieht Jennifer Jason Leigh den Spaß an der Rolle der Daisy Domergue an. Ein herrlicher Kontrast dazu, dass diese Figur der Strick erwartet und von John Ruth immer wieder körperlich und verbal misshandelt wird. Doch sie ist durch und durch ein Miststück. Wenn diese geschundene Kreatur mit blutiger Nase und blauem Auge den Männern noch schlüpfrig-provokante Blicke zuwirft und sie unverschämt angrinst, dann erstickt jedes Mitgefühl für diesen Weibsteufel im Keim.

Es ist eine Wohltat, einen Film zu sehen, der sich ganz auf die Beziehungen zwischen seinen Figuren konzentriert. Auch wenn sie voller Hass und Misstrauen gegeneinander erfüllt sind – ob aufgrund der Hautfarbe oder der Seite, auf der jemand im Bürgerkrieg gekämpft hat (das darf ruhig auch als Interpretation der Situation der USA von heute interpretiert werden). Oder aber, weil ein Bonbon auf dem Boden liegt, und der Blick auf die Bonbongläser ganz oben auf dem Regal offenbar verrät, dass etwas nicht stimmt.

Fast wie im Theater
Passend dazu, dass fast alles in einem einzigen geschlossenen Raum spielt, verläuft die Handlung für Tarantino’sche Verhältnisse ungewöhnlich linear – abgesehen von drei Rückblenden. Trotz der Länge des Films mit viel Dialog, fiel es mir leicht, immer gespannt an der Story dranzubleiben. Es gab nur einen Punkt, der mich ganz kribbelig machte – und das ist gar nicht positiv gemeint: Plötzlich kommt mitten im Film eine Erzählerstimme. Es ist ein außenstehender, allwissender Erzähler, für dessen Einmischung es keinen Grund gibt und der damit absolut keine Berechtigung hat. Er erklärt etwas, das ohnehin im Film gezeigt wird. Das mag viele nicht sonderlich stören. Aber ich habe eine große Abneigung gegen überflüssige Erzähler, die aus Gedankenlosigkeit oder Faulheit eingesetzt werden. Ansonsten war für mich der Film perfekt.

Zum Schluss noch eine Anmerkung für alle, die sich den Film sicher nicht ansehen wollen: Acht Personen für Tage eingeschneit in einem Haus, alle feinden sich gegenseitig an und nicht alle überleben es. Das klingt doch wie die Kurzbeschreibung von „Huit Femmes“ [Acht Frauen] mit Catherine Deneuve. Wer’s weniger blutig, dafür viel zivilisierter und mit Gesangseinlagen mag, kann dabei einen kurzweiligen Fernsehabend verbringen. Ich hatte an dieser viel kruderen Variante eines Whodunnit meinen Spaß.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 Punkte
Acht unsympathische Personen in einem Raum und ein zu klärendes Verbrechen. Ein ungewöhnlicher Tarantino, aber ein rundum großes Vergnügen – es sei denn, man hats nicht so mit Blutfontänen.

Vorschaubild: DavidianSkitzou; Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode