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In einer Moschee in Afghanistan detoniert eine Bombe. 14 Menschen sterben. Pilger, die in dem Gotteshaus einen religiösen Feiertag begehen wollten. Einen Tag zuvor werden 17 Menschen in Kabul bei einem Bombenanschlag in den Tod gerissen. Männer, Frauen, Väter, Mütter, Söhne, Töchter, Brüder und Schwestern. Sie müssen sterben, weil einige Fanatiker es so wollen. Weil sie sich dazu berufen fühlen. Seit Generationen ist das Land am Hindukusch Kriegsgebiet. 1979 marschieren sowjetische Truppen dort ein. Zehn Jahre später ziehen sie sich aus der „abtrünnigen“, schwer kontrollierbaren Teilrepublik zurück und hinterlassen das Feld der Zerstörung den Mudschaheddin. Von der Außenwelt unberücksichtigt nimmt die Radikalisierung ihren Lauf. Die afghanische Gesellschaft verliert ihre Basis und ihre Mitte. Stattdessen regieren Chaos und Gewalt in den Straßen von Kabul. Gottesfürchtige Krieger, die in pakistanischen Flüchtlingslagern aufgewachsen sind und dort das Kämpfen und den Islam verinnerlicht haben, wollen angeführt von dogmatischen Talibanführern in einem „Heiligen Krieg“ einen Gottesstaat installieren. Bis Anfang der 1990er-Jahre werden die Mudschaheddin zunächst mit fünf Milliarden US-Dollar unterstützt. Sie sollen die Sowjets abschütteln und bekommen dafür Waffen und Munition. Ein Jahrzehnt später bekämpft die US-Regierung die Taliban mit Milliardenbeträgen aus amerikanischen Steuergeldern. Die Appelle der UNO dazwischen finden kein Gehör. Die internationalen humanitären Hilfsmittel sind im Vergleich zu den Militärausgaben Peanuts. Stattdessen verwandelt sich Afghanistan auf der Suche nach Osama Bin Laden und weil seit jeher Öl durch die kaspische Region fließt einmal mehr zum internationalen Kampfschauplatz.

In der syrischen Stadt Aleppo begräbt ein eingestürztes Wohnhaus 25 Menschen unter sich. Syrische Kampfjets haben im Duett mit russischen das Gebäude in Schutt und Asche verwandelt. In den Trümmern werden später die Leichen von Kindern geborgen. Sie sind Opfer eines Bürgerkrieges, der das Land im Nahen Osten in die Steinzeit katapultiert hat. Doch jenseits der Grenze im Irak sieht die Situation nicht wesentlich besser aus. In drei sogenannten Golfkriegen und immer wiederkehrenden Wirtschaftsembargos hat die Bevölkerung über Generationen hinweg das Überleben aber auch das Kämpfen gelernt. Krieg, Zerstörung und Armut haben dem IS-Staat und seiner Miliz den Weg geebnet und einen Nährboden für unendlichen Hass geschaffen.

Der Tod ist in diesen Regionen der Welt ein ständiger Begleiter. Er löscht Leben aus und begräbt die Hoffnung. In der fernen Schweiz verhandeln indes Vertreter von Großmächten über die Lage im Bürgerkriegsland Syrien. Sie schmieden Allianzen, besprechen ihre taktische Vorgehensweise, entwickeln Strategien mit Bündnispartnern und setzen neue Ziele für ihre politischen und militärischen Missionen. Währenddessen treffen Waffentransporte in Saudi-Arabien ein. Die selbstgesteuerten Raketen, entwickelt in einem westlichen Industriestaat, werden später Häuser im Jemen dem Erdboden gleichmachen und Menschen unter den Trümmern begraben. Diese Menschen werden Opfer einer vermeintlich hochentwickelten Technologie und eines zweifelhaften Fortschritts.

Krieg ist global. Er ist ein lukratives Geschäft und kennt keine Grenzen. Warum sollte er auch? Wer seine Spielregeln bestimmt, kann gut von diesen leben. Ähnlich verhält es sich mit dem Terror. International gesehen ist der Terrorismus, von einem Staat ausgeübt oder einer radikalen Gruppierung, ein Big Business. Ein globaler Wirtschaftszweig, hinter dem bestimmte Interessen und Absichten stecken – irrational, unbegreiflich und menschenverachtend – aber selbst wenn Millionen sterben, profitieren einige wenige von ihrem Tod. Religionen und Ideologien sind den wahren Beweggründen vorgeschoben. In Wirklichkeit geht es um Bereicherung, Machtentfaltung, Ausbeutung, Unterdrückung und Unterwerfung ganzer Bevölkerungen.

Nationalismus kann diesem Terror nichts entgegensetzen. Er ist eine hilflose Antwort, die wiederum Unfrieden stiftet. Nationalismus ist die Triebfeder für kriegerische Auseinandersetzungen. Europa sollte das aus seiner Vergangenheit wissen. Ultra-Nationalisten und Faschisten haben den europäischen Kontinent und die Welt im 20. Jahrhundert in zwei Kriege und in den Untergang geführt. Nationalisten haben nicht nur Neid, Missgunst und Hass geschürt, sondern Millionen Menschen auf dem Gewissen. Sie haben die Massen mit falschen Idealen und Versprechen auf ihre Seite gebracht. Familienväter wurden zu Henkern und Totengräbern, Mütter zu Vollzieherinnen eines Unrechtssystems.

Im 21. Jahrhundert machen Autokraten ihre Grenzen dicht, um Flüchtlinge auszusperren, zensurieren oder verbieten Oppositionsmedien und verletzten Persönlichkeitsrechte der eigenen Bevölkerung. Militärbudgets werden aufgestockt und Sozialleistungen eingespart. Von öffentlicher Seite finanzierte Bürgerwehren sollen Städte und zuweilen das Land sicherer machen. Videokameras in Straßenbahnen sollen Passagiere vor Übergriffen schützen. In politischen und medialen Diskursen bestimmen Bedrohungszenarien die Debatten, gesellschaftliche Probleme werden kaum diskutiert. Bevölkerungsgruppen werden zu Sündenböcken abgestempelt. Neonazis marschieren auf Plätzen und Straßen auf. Unterkünfte von Asylsuchenden brennen.

Rechtspopulistische Politiker scheinen einfache Antworten auf komplexe Fragen zu kennen. Sie befinden sich mit ihren national-chauvinistischen Spinnereien und Phobien im Aufwind und fühlen sich im Glauben bestärkt „ihre“ Bürger beschützen zu können, während sich die Spirale der Gewalt unaufhaltsam weiterdreht, weil die Gier nach der eigenen Macht keine Grenzen kennt und die Welt zu verschlingen droht.

Erst waren es Menschen mit Migrationshintergrund, dann bettelnde Roma und seit einigen Monaten die Flüchtlinge – bei diesen Themen der letzten Jahre hat sich die Stimmung unter der österreichischen Bevölkerung ordentlich aufgeheizt.

Meinungsverschiedenheiten gibt es immer. Man kann aber auch dafür sorgen, dass daraus richtige Kluften in der Gesellschaft entstehen. Manche Parteien und Gruppen, hetzen die einen gegen die anderen auf – und leisten dabei ganze Arbeit.

Vorurteile, die nach hinten losgehen
Es wird dabei freilich das Wir-Gefühl der Österreicher angesprochen (jenes der Österreicherinnen nicht, denn das Gendern ist in diesen Kreisen verpönt). Unsere anständigen Leut’, unsere Bräuch’, unsere Kultur und so fort. Es gilt, all diese Schätze vor dem Fremden zu schützen, denn es ist eine Bedrohung und hat die unmittelbare Auslöschung alles Österreichischen zur Folge.

Unlängst geh ich in der Stadt Salzburg am Müllner Bräu vorbei. Es war ein herrlicher Sommertag und hinter der Mauer des Bräustübl-Gartens war eine zünftige Blasmusik zu hören. Augenblicklich zuckte ich zusammen: Sicher so ein Treffen dieser ganz besonders aufrechten Österreicher, die da hinter der Mauer die heilige Österreicher-Kultur zelebrieren, in Mir-san-mir-Seligkeit schunkeln und paschen – und allem anderen gegenüber feindselig gegenüberstehen: Den Ausländern und Schwulen genauso wie dem Binnen-I.

Und kaum hatte mich dieser Gedanke durchfahren, zuckte ich ein zweites Mal zusammen: So weit ist es also schon mit mir! Ich hab ein völlig irrationales Feindbild aufgebaut: Trachten, Blasmusik und Volksfeststimmung – mit sämtlichen volkstümlichen Ausformungen.

Volksmusik_CDsTuba-Phobie?
Ich selbst hab zwar kein besonderes Interesse an Brauchtum und Volksmusik, aber ich kenne es aus meiner Kindheit. Als Teenager hab ich dann oft das Wohnzimmer verlassen, wenn mein Papa Mei liabste Weis oder den Musikantenstadl im Fernsehen schaute. Nur zum Kirtag und an Fronleichnam hab ich alles mitgemacht: Tracht, Volksmusik und Weihrauchschwaden. Denn als Belohnung gab’s Grillhendl mit Pommes Frites – und einen Almdudler dazu.

Und heute ist mir also etwas, das zu meinen größten Kindheitsfreuden gehörte, äußerst suspekt: der Anblick eines Trachtenpärchens. Wie konnte ich zulassen, dass sich diese Vorurteile in mir festsetzen? Nur weil das Brauchtum nicht zu meiner Welt gehört, darf ich es nicht als rückschrittlich und „eingnaht“ abtun. Das lässt mich selbst als nicht gerade weltoffen dastehen. Ich kann doch Leuten, die Freude an unseren Traditionen haben, nicht einfach eine intolerante Gesinnung unterstellen nur weil eine Partei mit Volkstümlichkeit und selektiver Pseudo-Nächstenliebe auf Stimmenfang geht. Und nur weil diese Partei die Unterstützung eines Alpin-Elvis hat, der mit manchen Wortmeldungen seinen eigenen eingeschränkten Horizont preisgibt.

Bald ist wieder Wahl – in Wien und auch in Oberösterreich. Es werden die Trachten wieder ausgepackt und die Musikkapellen werden spielen.

Kulturen kennen Brücken
Liebe Fans der österreichischen Volks- und volkstümlichen Kultur: Lasst nicht zu, dass gewisse Politiker etwas vereinnahmen, das ihr liebt, und ihm den Stempel von Intoleranz und Engstirnigkeit aufdrücken. Ein großartiges Beispiel ist das Fest der Volkskulturen in Salzburg: Dort sind alle Menschen mit ihrer jeweiligen Heimatkultur willkommen und alle gehen offen auf einander zu. (Lest hier über das Fest der Volkskulturen nach.)

Und oft wünsch ich mir von den Stars der Volksmusik ein Statement wie von Hubert von Goisern, der sich gegen die Vereinnahmung der Rechten gewehrt hat. Denn ein Schweigen dazu klingt wie ein: Je suis Gabalier!

 

Vorschaubild: By Harald Bischoff (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons