Beiträge

Sind uns eigentlich alle Kinder gleich wichtig?

Was für eine dumme Frage, oder? „Selbstverständlich“wird jeder antworten. Kinder sind doch unsere Zukunft, wir müssen uns alle für sie einsetzen, sie unterstützen und das Beste für sie wollen. Außerdem gibt es doch Kinderrechte und eine UNO-Konvention und und und.

Aber wir haben da was Wesentliches vergessen! Es gibt auch ein Asyl- und Fremdengesetz und das macht auch nicht vor den Kindern halt. Da gibt es jetzt einen Jungen und seine Schwester, die beide in Salzburg geboren sind. Der Junge besucht eine Schule, spielt begeistert Fußball und hat viele Freundinnen und Freunde. Bis hierher eine schöne Geschichte. Wenn da nicht Mutter und Vater wären, die vor langer langer Zeit In Österreich um Asyl angesucht haben. Jetzt endlich ist die Entscheidung da und die heißt „Illegaler Aufenthalt“ und der Abschiebebescheid ist schon da. Der Junge und seine Schwester kennen aber nichts anderes als Salzburg. Beide wären ein Gewinn für Österreich, ein Potential für die Zukunft und einfach Kinder, die in Frieden und Hoffnung aufwachsen wollen. Wenn da nicht das Gesetz wäre…

Und ist Afghanistan ein Urlaubsland?

Was? Afghanistan ein Urlaubsland, da will doch niemand freiwillig hin, da wollen jetzt sogar die Soldaten aus aller Herren Länder wieder weg!

Da gibt es einen jungen Mann aus Afghanistan, der in seiner Heimat viel Schreckliches erlebt hat. Seit ein paar Jahren ist er in Österreich. Er fühlt sich wohl und sicher. Er will die Hauptschule abschließen und mit seinen vielen Freundinnen und Freunden spielt er leidenschaftlich gern Theater. Das möchte er weiterhin tun und nach dem Schulabschluss arbeiten, seinen Beitrag leisten. Wenn da nicht das Gesetz wäre. Die Entscheidung ist klar, er darf nicht hierbleiben, er soll zurück nach Afghanistan. Ist ja sicher dort! Es gehen doch die ganzen fremden Soldaten weg, da muss schon alles in Ordnung sein. Wäre der junge Mann über Griechenland nach Österreich gekommen, hätte er es einfacher. Nach Griechenland wird derzeit nicht abgeschoben, da dort laut Europäischer Union die menschenrechtlichen Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. In Afghanistan anscheinend schon…

Wenn man will, dann kann man es Menschen so richtig schwer machen. Es wird wieder mal die Staatsbürgerschaft diskutiert in unserem Land. Aber statt es einfacher, günstiger und einladender zu machen, lässt man sich ein paar zusätzliche Hürden einfallen. Warum einen ein ehrenamtliches Engagement bei der Feuerwehr qualifiziert, aber ein ebensolches bei einem Jugendzentrum nicht, bleibt rätselhaft.

Ja und die Deutschkenntnisse erst! Wenn wir so weitermachen, bürgern wir nur noch Menschen ein, die eine Dissertation auf der Germanistik geschrieben haben, vielleicht über den um sich greifenden sekundären Analphabetismus in unserem Land. Tja und verdienen sollte man natürlich auch mehr als der Durchschnittsösterreicher. Aber das Geld braucht man eh, unter 2000€ Gebühren bekommt man keinen österreichischen Pass. Was interessiert uns die demografische Entwicklung und die globalisierte Welt?

Was ExpertInnen zum Staatsbürgerschaftsrecht sagen ist auch egal. Die meinen nämlich, dass man erfolgreiche Integration nicht so richtig messen kann. Die meinen auch, dass es vernünftig wäre in Österreich geborenen Kindern von Drittstaatsangehörigen automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben. Das alles wird nicht diskutiert. Hauptsache wir verlangen von anderen der perfekte Österreicher zu sein, der wir selbst nicht sind!

…und Z. auch. Abschieben, ich erkläre dieses Wort zum Unwort  2012. Täglich schiebt die Republik Österreich Menschen ab. Abschieben sagt sich so leicht, es schreibt sich auch so leicht. Aber für die Abzuschiebenden ist es alles andere als leicht. Es ist in vielen Fällen das Ende einer Hoffnung. Die Hoffnung darauf auch teilhaben zu können. Leben zu können in einem Land, das Sicherheit und eine Zukunft bietet.

Abschieben ist das Wegschieben von Tatsachen. Tatsache ist, dass Menschen eine Zukunft in Österreich erhoffen. Menschen, die aus Ländern kommen, die keine Zukunft bieten. Ich kenne viele Menschen, die Asyl in Österreich bekommen haben und ebenso viele die noch darauf hoffen. Die Asylgesetzgebung, beschlossen vom österreichischen Parlament, verschärft im Juli 2011, ist das Instrument des Staates scheinbar objektiv das Schicksal von Menschen zu entscheiden. Interessanterweise passiert es oft, dass BürgerInnen sich zusammentun, weil sie nicht akzeptieren wollen, Menschen abzuschieben. Menschen, die bei uns um Asyl angesucht haben, oft viele Jahre hier leben, unter uns und mit uns leben. Die Freunde, Arbeit und eine neue Heimat gefunden haben.

Wenn Mitmenschen für sie auf die Barrikaden steigen, heißt das, dass das Gesetz in seiner scheinbaren Objektivität Mitmenschlichkeit vermissen lässt. Das sollte eigentlich Anstoß genug sein, darüber nachzudenken, das Gesetz zu ändern- nämlich mitmenschlicher zu machen.

Man kennt ihn ja aus dem Fernsehen den Kaya Yanar, der „Was guckst du?“ in den Alltagswortschatz der deutschen Sprache gebracht hat. Aber wie ist er live auf der Bühne? Macht er Klamauk oder ist sein Witz doch tiefgründiger?

Die Antwort habe ich in der ausverkauften Salzburgarena am Samstag bekommen. Ich bin jetzt Kaya Yanar Fan! Wo andere erst einen Anlauf brauchen,  schafft es Yanar ab der ersten Minute sein Publikum mitzureißen. Auf seiner  Suche nach „Frau Yanar“ führt er sein Publikum in die verschiedensten Länder. Deutschland, die Schweiz, Österreich, Kroatien, Holland, Dänemark Frankreich, die USA, Indien, Schweden, Portugal, England und die Türkei sind die Stationen seiner internationalen Brautschau. Er macht Schubladen voller Vorurteile auf und schafft es mit seinem Sprachwitz den Inhalt der Schubladen kräftig durcheinander zu wirbeln. Und er verschont niemanden, auch nicht sich selbst.

Wenn ich an all die verkrampften Diskussionen rund um die Integration denke, dann wäre Yanar das ideale Mittel etwas mehr Leichtigkeit in die Debatte zu bringen. Die Klischees, die Politik und Gesellschaft seit Jahren festigen, zerbröckeln in seinen Witzen. Und sein Resümee ist ganz klar, wir müssen alle zusammenleben, machen wir es uns doch nicht unnötig schwer!

http://kaya-yanar.de/

Seit fast 20 Jahren habe ich die Freude die deutsche Sprache zu lehren. Es ist eine wunderbare Aufgabe und jeder Kurs ist wieder eine spannende Herausforderung. Besonders die Begegnung mit Frauen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen  ist wunderbar. Ich lerne so viel und hoffe, dass ich genauso viel zurückgeben kann.

Was mir aber weniger Freude macht ist der Kampf gegen die Vorurteile, die mir immer wieder unterkommen. Da heißt es entweder „Die sollen endlich richtig Deutsch lernen!“ oder „Die wollen ja gar nicht Deutsch lernen!“. Tja man stellt sich das so einfach vor. Von der Bundesregierung abwärts denken viele, da reichen ein paar Kurse und schon kann man eine Sprache. Aber so einfach ist das nicht.

Deutsch ist voller Tücken

Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist als Erwachsene eine ganz neue Sprache zu lernen. Ich habe lange Zeit gebraucht, um meinen ersten korrekten türkischen Satz zu bilden, der über „Ich heiße Anja und komme aus Österreich“ hinausgeht. Mein Vorteil war, dass ich wusste wie man eine Sprache lernt. Dass ich wusste, wie man lernt. Dass ich wusste, wie meine eigene Muttersprache funktioniert. Das sind drei Voraussetzungen, die einem das Lernen einer Sprache erleichtern. Ich behaupte, dass viele Menschen diese Voraussetzungen nicht mitbringen. Am wenigsten wahrscheinlich die, die von den MigrantInnen verlangen innerhalb kürzester Zeit Deutsch zu lernen. Deutsch ist eine schöne Sprache, allerdings voller Tücken. Das geht los mit den berühmten Artikeln „der, die und das“. Welchen Sinn sie haben, hat sich auch mir noch nicht erschlossen, denn es gibt genug Sprachen, so wie das Englische, das mit einem Artikel auskommt oder das Türkische, das keinen bestimmten Artikel kennt. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass die Artikel bis auf wenige Ausnahmen, keiner Regel folgen. Ein Drama, wenn man Deutsch lernt! Aber nicht nur die Sprache hat es in sich.

Deutsch ist nicht gleich Deutsch

Es sind auch die Umstände, die den Lernerfolg mitbestimmen. Viele meiner Schülerinnen sind ja nicht zum Deutschstudium hier. Sie leben und arbeiten hier mit einem vielfach sehr stressigen Alltag. Arbeit, Kinder und Haushalt bestimmen den Tagesablauf. Wenn sie sich dann noch freiwillig in einen Deutschkurs setzen, dann verdient das großen Respekt. Eine weitere Hürde ist der große Unterschied zwischen dem Deutsch im Sprachkurs und dem Deutsch, dem sie im Alltag begegnen. Immer wieder erzählen sie mir, wie schwer es besonders am Anfang ist die ÖsterreicherInnen im Alltag zu verstehen. Ich tröste sie dann damit, dass es vielen deutschen MigrantInnen ähnlich geht und die können eigentlich Deutsch.

Also sollte euch jemand unterkommen mit den Vorurteilen „Die können ja kein Deutsch oder  die wollen es ja nicht lernen“, dann ladet sie ein es probeweise mal mit ein paar Kursstunden Arabisch, Serbokroatisch, Thai, Chinesisch, Türkisch, Albanisch, Persisch, Dari, Mongolisch, Georgisch, Russisch, Japanisch, Rumänisch, Vietnamesisch, Edo oder Ungarisch zu versuchen.

Der Integrations-Aufreger der Woche ist sicher das druckfrische Buch von Inan Türkmen „Wir kommen“. Die Medien stürzten sich darauf, also musste ich mir das Buch auch zulegen. Gerade habe ich es fertig gelesen. Ein durchaus erfrischendes Buch, finde ich.  Ein junger Mann  erzählt aus seinem Leben, was er sich so denkt, wenn das Mitteleuropäische auf das Türkische trifft und umgekehrt. Er genießt es „uns Europäern“ den Spiegel vorzuhalten, durchaus humorvoll, aber nicht ohne Ernsthaftigkeit. Natürlich schafft er es mit seinen Provokationen vor allem die Kommentarseiten der Onlinemedien zu füllen. Und das ist gut so.

http://derstandard.at/1330389965365/Vorzeigemigrant-Meine-Haare-sind-tuerkisch

 Ja dürfen’s das?

Ein Knackpunkt in der ganzen Integrationsdebatte ist ja, dass viele Nicht-Migranten schwer damit umgehen können, wenn sich ein Migrant, insbesondere der 2. Generation, unverblümt zu Wort meldet. Es schwingt immer ein „Ja, darf der denn das überhaupt?“ mit. Das ist mir in vielen Diskussionen schon untergekommen, dass einige sich darüber beschweren, wenn „die da“ auch mitreden. Inan Türkmens Buch ist so ein „Ich sage mal, was ich mir denke“-Buch.

Gewöhnlich lesen wir über unterdrückte Frauen, bildungsunwillige Kinder und nicht-arbeitswillige Männer. Jetzt schreibt Türkmen über „hungrige“ junge Menschen, die mehr wollen und dafür viel zu geben bereit sind.  Er sieht viele Potenziale in der 2. Generation, die in Österreich und Deutschland brach liegen. Er ist überzeugt davon,  es hier in Österreich oder in der Türkei zu schaffen.

Kein Anti-Sarrazin

Er verklärt an einigen Stellen die Türkei, sein Blick reicht hier in vielen Aspekten nicht über das moderne und pulsierende Istanbul hinaus. Was er fordert, ist der Türkei und ihren Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und er bringt einige Beispiele, die vielen von uns den Spiegel vorhalten. Und das mag niemand so gerne. Als Beispiel sage ich nur: Frauen in Führungspositionen. Wenn wir seit Jahren über Quoten diskutieren und merken, dass die gläserne Decke nur langsam dünner wird, dann hat die Türkei hier wirklich eine andere Tradition. Eine weibliche Führungskraft, insbesondere in der Wirtschaft, ist nichts Ungewöhnliches. Am anderen Ende stehen aber natürlich Frauen, die nicht in den Genuss einer Führungsposition kommen, die nicht die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Aber dieses Thema behandeln andere, von Seyran Ates bis zu Necla Kelek.

Wenn Türkmen allerdings meint, sein Buch wäre ein Anti-Sarrazin, dann ist es gut für die Werbung, aber den Tatsachen entspricht es nicht. Was er leistet ist, aus einer persönlichen Perspektive den ganzen Integrationsdebatten  eine zusätzliche Stimme zu geben, die auch gehört werden soll!