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Bei den einen ist sie zu sehen. Bei anderen ist sie nicht sichtbar. Die einen haben sie schon von Geburt an. Die anderen erwerben sie durch Unfall, Krankheit, Bestrahlung, Ansteckung und so weiter. Wovon die Rede ist? Die Rede ist von der sogenannten Behinderung.

Aber was ist eigentlich eine Behinderung? Die gesetzliche Version lautet „… eine mindestens sechs Monate andauernde funktionale Einschränkung …“ Dabei wird von rund 20% der Bevölkerung ausgegangen. Das sind rund ein Fünftel der Bevölkerung und wären in Österreich in etwa 1,72 Millionen Menschen. Eine sehr große Menge.

Das annehmen was da ist

Für die meisten Betroffenen heißt das, dass sie im Alltag auf irgendeine Weise eingeschränkt sind und nicht in derselben Art und Weise handeln können, wie Menschen ohne Behinderung. Manchmal ist die Behinderung aufgrund eines verwendeten Hilfsmittels, wie zB einen Rollstuhl, sofort zu erkennen. Bei anderen Menschen ist vielleicht ein verzögerte Reaktion oder ein schweres Atmen zu bemerken. Bei anderen wiederum ist für Außenstehende so gar nichts zu erkennen. Alle diese und noch unzählig viele andere Ausprägungen konnte sich keine der betroffenen Personen aussuchen und muss sich dennoch tagtäglich mit den jeweiligen Einschränkungen arrangieren.

Schon morgen kannst auch du dazu gehören

Jeder Mensch ohne Behinderung kann schon morgen als Mensch mit Behinderung gelten. Dazu braucht es nicht viel. Ein Unfall durch eigene Unachtsamkeit oder die eines anderen Menschen, eine Krebsdiagnose, vielleicht eine Ansteckung oder ein lauter Knall, der das Gehör zerstört. Es können aber auch ganz einfach Einschränkungen sein, die das zunehmende Alter mit sich bringt.

Menschen sollten Menschen in ihrer ganz individuellen Ausprägung wahrnehmen und als Teil unserer Gesellschaft akzeptieren. Die Gesellschaft ist einem ständigen Wechsel unterworfen. Menschen kommen, Menschen gehen. Dazwischen liegt die Vielfalt und die Ausprägung von Leben. Dazu gehören Erfolge, Katastrophen und eben auch Leben mit oder ohne Behinderung. Die Vielfalt macht unsere Gesellschaft bunt. Die Vielfalt macht Arbeitsplätze. Die Vielfalt macht das Leben spannend und lässt uns immer wieder Neues entdecken.

Einfach zum Nachdenken: Was denkt ihr, wie viele der Personen auf den Fotos haben eine Behinderung?

leserbriefIch habe jetzt einige Zeit mit mir gerungen. Soll ich oder soll ich nicht? Da hat ein Herr einen Leserbrief geschrieben, in dem er mir und dem Kollegen Landesrat Schellhorn vorwirft bei einer großen Tagung nicht sehr respektvoll bei Grußworten gewesen zu sein. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere zartbitter-Leser noch an meine Geschichte von Martin dem Künstler, den ich bei dieser Tagung kennenlernen durfte. Es ging um Menschen mit Behinderung bei dieser Tagung. Um Menschen, die das Down Syndrom haben. Und ich durfte die Begrüßungsworte für die Stadt Salzburg sprechen.

Nun wirft mir besagter Herr in seinem Leserbrief zwei Dinge vor:

Ich habe gesagt, dass ich bevor ich politisch für Menschen mit Behinderung ressortverantwortlich war, nicht viel über Menschen mit Behinderung gewusst habe.

Das ist auch vollkommen richtig. Ich habe kein Problem damit zuzugeben, dass ich keine Expertin war und bin. Wenn das von mir als Politikerin verlangt wird, müsste ich die nächsten Jahrzehnte mit Studieren zubringen bei meinen vielfältigen Ressorts:

Pflege, Medizin, Reinigungsfachkraft, Architektur, Sozialarbeit, Köchin, Sachverständige für barrierefreies Bauen, Kindergartenpädagogin, Genderstudium, Integrationsstudium, Ernährungsexpertin,  Sozialpädagogin, Juristerei, Baumeisterin, Ergotherapeutin, Verwaltungsfachkraft, Hausmeisterin, HCCP-Expertin, Feuerwehrfrau, Palliativexpertin und noch so einiges und natürlich Expertin für Menschen mit Behinderung.

leserbrief2Aber was ich mir von niemandem absprechen lasse, ist mein großes Interesse an allen Bereichen meiner politischen Tätigkeit. Und meinen Respekt vor den Menschen. Und da komme ich zum Zweiten:

Ich habe gesagt, dass ein Mensch im Rolli ebenso ein sturer Hund sein kann, wie ein Mensch mit oder ohne Down Syndrom.

Vielleicht mag das mancher als respektlos empfinden. Was ich in den letzten eineinhalb Jahren von Menschen mit Behinderung gelernt habe ist, dass sie nicht in Watte gepackt werden wollen. Die, mit denen ich zu tun habe in der Arbeit, aber auch privat, diese Menschen wollen ganz normal behandelt werden. Sie sagen selbst, dass auch ein Mensch mit Behinderung, genauso gute wie schwierigere Charaktereigenschaften haben kann, also auch ein sturer Hund sein können. Warum bei der Begrüßung dies zu sagen inakzeptabel sein soll weiß ich nicht. Sollte sich jemand verletzt gefühlt haben, so tut es mir leid. Alle anderen, die sich bei mir bei der Tagung für die offenen und „normalen“ Worte bedankt haben, haben das anders gesehen. Und was das Wort Rolli betrifft, so sagen das viele Rollstuhlfahrer selbst und wenn ich in ihrer Gegenwart das Wort benutzt habe, wurde ich noch nie gerügt.

Ach übrigens, was die Wortwahl im Leserbrief betrifft:

Der Herr, der den Leserbrief geschrieben hat, benutzt in eben demselben zwei Ausdrücke, die ich niemals benützen würde, weil das in der Szene absolute No-Gos sind:

Taub! Taub sagt man schon lange nicht mehr, es heißt gehörlos!

Menschen mit besonderen Bedürfnissen! Alle Menschen haben besondere Bedürfnisse und Menschen mit Behinderung haben keine besonderen Bedürfnisse, sondern einfach Bedürfnisse, wie alle anderen auch!

Übrigens habe ich vor zwei Tagen mit dem Kollegen Landesrat Schellhorn über den Leserbrief gesprochen, er hat’s genau so wenig respektlos und inakzeptabel gesehen.

Und natürlich interessiert mich die Meinung der geschätzten Leserschaft! Kommentare erwünscht!!!!

Und hier geht’s zu meinem Artikel über Martin Koch, den Künstler:

http://zartbitter.co.at/gesellschaftspolitik/vorgestellt-martin-koch-und-seine-bilder/

Weihnachten naht und es gehört fast dazu wie Weihnachtskekse: Der ORF startet mit „Licht ins Dunkel“. 1973 von Kurt Bergmann initiiert ist es heute die größte humanitäre Hilfskampagne in Österreich. 1978 ist der ORF aufgesprungen und sendet seither jährlich am 24. Dezember.

Licht ins Dunkel ist ein Verein und seit 1989 sind sieben große Organisationen Mitglieder des Vereins: Lebenshilfe Österreich, Rettet das Kind, Österreichische Kinderdörfer, Österreichische Kinderfreunde, Österreichisches Komitee für UNICEF, Caritas Österreich und Diakonie Österreich: Die Aktion „Licht ins Dunkel“ ist bemüht, mit vielseitigen Aktivitäten möglichst viele Spenden für Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche mit besonderen Lebensumständen zu sammeln. (Wikipedia 2014)

Doch da ist was falsch mit „Licht ins Dunkel“. Es ist die Darstellung von Menschen mit Behinderungen. Sie werden nicht als Menschen auf Augenhöhe, sondern als bemitleidenswerte Kreaturen dargestellt. Die Darstellungen sind klischeebehaftet und diskriminierend. Menschen werden durch Mitleidsheischerei zum Spenden animiert.

Der Zeitgeist ist längst ein anderer. Es geht um Inklusion, um eine gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft und die Wahrnehmung, dass jeder Mensch gleich viel Wert ist. Alle Menschen sollen sich auf gleicher Ebene begegnen. Ein Mensch mit Behinderung ist kein Mensch mit besonderen Bedürfnissen. Zumindest nicht besonderer als jeder andere Mensch.

Viele Behindertenorganisationen wehren sich besonders zur Weihnachtszeit gegen diskriminierende Darstellungen und die Bewusstseinsbildung in eine falsche Richtung durch ein großes Medium. Bisher ohne Erfolg. Auch dieses Jahr werden wieder alibimäßig Menschen mit sichtbaren Behinderungen vor die Kamera gebracht werden, die dann dankbar lächeln dürfen. Unternehmen werden ihr Gewissen mit Spenden beruhigen, anstatt (mehr) Menschen mit Behinderung bei ihnen zu beschäftigen.

Die Spendenkampagne wird auch von Menschen mit Behinderungen kritisiert. Es fährt wie viele andere Veranstaltungen dieser Art auf der Mitleidsschiene, und Menschen mit Behinderungen werden nicht als vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft, sondern als Personen, die unser Mitleid benötigen, gezeigt. Auch wird kritisiert, dass sich Firmen durch Spenden von ihrer Verantwortung freikaufen würden. (Wikipedia 2014)

Als einen besonderen Affront wird dieses Jahr die Teilnahme von Conchita Wurst gesehen. Sie gilt seit ihrem Gewinn beim European Song Contest als Inbegriff von Toleranz und Inklusion und fällt nun der Behindertenbewegung derart in den Rücken. Die Erwartungen an sie waren wohl zu hoch.

Menschen mit Behinderungen wollen nicht bemitleidet werden, sie brauchen die Umsetzung ihrer Rechte und wollen die Wertschätzung in der Gesellschaft.

Nach längerer Bauphase ist der untere Teil der Linzergasse in Salzburg fertig gestellt. Die Investitionskosten dafür belaufen sich auf 2,6 Millionen Euro. Politiker der Stadt und ein großer Teil der Geschäftsleute zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden. Also alles eitel Wonne? Nein, keineswegs. Ein Rundgang durch die Linzergasse offenbart die fehlende Barrierefreiheit. Nur ein winzig kleiner Teil der Geschäfte und Lokale bieten einen ungehinderten Zugang.

Ein Armutszeugnis für Salzburg, das sich damit rühmt, eine moderne Touristenstadt zu sein. Dazu gehört allerdings auch ein Zugang für alle Menschen. Es wird das große wirtschaftliche Potenzial verkannt, das durch die Schaffung von Barrierefreiheit entsteht. Rund ein Fünftel der Menschen haben eine Behinderung, dazu kommen noch zahlreiche ältere Menschen und Eltern mit Kinderwagen, für die der Zugang zu den Geschäften und Lokalen erschwert oder gar unmöglich gemacht wird.

Ein Experte, der sich mit der Materie intensiv befasst, ist Manfred Fischer. Der Oberösterreicher, der Schulungen und Sensibilisierungskurse abhält, sitzt im Rollstuhl und setzt sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung ein. „Die Linzergasse ist ein gutes Beispiel, wie man es nicht machen sollte. Ich fahre zum Beispiel viel lieber mit meiner Frau und meinen Kindern in den Europark, weil dort alles barrierefrei ist.“

Doch wer trägt Schuld an diesem baulichen Desaster? Aus dem Bauamt kam die Aussage, dass man mit den Hausbesitzern darüber gesprochen habe, aber niemanden zur Umsetzung zwingen könne. „Es wäre so einfach. Man hätte die Investitionen zwischen den Hausbesitzern und den Geschäftsleuten aufteilen können. Alle hätten davon profitiert“, so Fischer weiter. Oftmals wird auch der Denkmalschutz als Ausrede hergenommen. „Das ist Blödsinn, in den meisten Fällen wird die Fassade gar nicht berührt“, sagt der Experte.

„Es war eine Bedingung von mir, dass der Eingang barrierefrei gemacht wird, wenn ich weiterhin hier die Apotheke führen soll“

Es gibt zumindest einen, der auf die Umsetzung von Barrierefreiheit gepocht hat. Werner Salmen, der Inhaber der Engel Apotheke in der Linzergasse 5. „Es war eine Bedingung von mir, dass der Eingang barrierefrei gemacht wird, wenn ich weiterhin hier die Apotheke führen soll“, so Salmen.

Nun wurde von der Stadt in Aussicht gestellt, dass bei der Renovierung ab dem ehemaligen Standort des Centralkinos hin zum Cornelius-Reitsamer-Platz und der Bergstraße die Barrierefreiheit umgesetzt werden soll. Ein kleiner Anfang, man darf gespannt sein.