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Ein Beitrag von Monika Rattey

Grau ist die Straße in der Nähe des Salzburger Hauptbahnhofs. Keine bunt herausgeputzten Barockbauten für aufgeregt herumwuselnde Touristen, die täglich in Reisebusgrößen aus allen Teilen der Welt in die Altstadt kommen, sondern unscheinbare Vor- und Nachkriegsbauten säumen die Plainstraße. Es ertönt kein helles, fröhliches Gebimmel vom Glockenspiel-Turm auf dem Salzburg Museum. Nein, hier zischt und rauscht es in den Ohren, wenn der ICE langsam auf Touren kommt und auf dem Weg von Wien nach München beschleunigt.SOMA_7_Rattey

Es ist Mittwoch, 14.00 Uhr, und eine lange Traube von Menschen sammelt sich um das Haus Nummer Zwei in der Plainstraße, ganz ähnlich wie vor Mozarts Geburtshaus. Aber hier sprechen die Menschen eine andere Sprache nicht jene der Touristen in Salzburgs Altstadt. Sie sprechen deutsch, serbokroatisch, bosnisch oder türkisch. Manchmal auch yoruba, vietnamesisch, bulgarisch, mongolisch oder arabisch. Sie stehen Schlange. Sie warten darauf, dass sich endlich die Tür zum SOMA (Sozialmarkt) öffnet.

Es reicht net aus

In der Reihe steht auch die 82-jährige Theresia G. Gebückt, vom Alter gezeichnet, hält sie sich mit ihren zittrigen Händen an ihrem Rollator fest und wartet wie die anderen mit blasser, geduldiger Miene. Es ist soweit, die Ladentür öffnet sich und die Menschen strömen in das Geschäft. Frau G. schiebt sich auf ihren wackeligen Beinen langsam hinterdrein.SOMA_6_ChristineWeißkind_ChristineSteiner_Rattey

„I kauf hier einmal die Woche ein, weil’s billig is, und i mir sunst nix leisten kann“, sagt die Salzburger Pensionistin aus Itzling, die erzählt, dass sie mit der bedarfsorientierten Mindestsicherung, das sind für den Lebensunterhalt 596,18 Euro und fürs Wohnen 380 Euro auskommen muss. Davon gehen für die Miete und Betriebskosten ihrer 50-Quadratmeter-Wohnung allein 450 Euro weg. „Was bleibt, reicht net aus, um im Supermarkt ums Eck einz`kaufen“, so die alte Dame.

Im Sozialmarkt in der Elisabeth-Vorstadt darf nicht jeder einkaufen. Es ist ein Lebensmittelmarkt für Menschen mit geringem Einkommen. Die Kunden müssen vor dem ersten Einkauf darüber einen Nachweis den Mitarbeitern des Geschäftes vorlegen. Dann erhalten sie eine Einkaufskarte, mit der sie dort jeweils am Montag, Mittwoch oder Freitag, von 14.00 bis 17.00 Uhr günstig Lebensmittel einkaufen können. Die Waren werden nicht kostenlos an bedürftige Menschen abgegeben, sondern zu einem fairen Preis. Durch die Ersparnis beim Einkauf im Sozialmarkt, werden Mittel frei, sodass anderweitig etwas Nötiges gekauft werden kann.

50 Freiwillige engagieren sich

Die alte Dame hat heute ihre Lebensmittelkarte in ihrer Zweizimmerwohnung vergessen, doch Georg Steinitz, Obmann vom SOMA kennt sie bereits und grüßt sie freundlich: „Grüß sie Frau G., i schick gleich meine Kollegin, die wird ihnen helfen“,  sagt Steinitz, der den SOMA vor elf Jahren mitgegründet hat und dort seither wie 50 andere Freiwillige ehrenamtlich tätig ist und er ist stolz darauf: „Wir sind der einzige Sozialmarkt in Österreich, der sich alleine – ohne Subventionen durch die öffentliche Hand trägt und alleine durch ehrenamtliche Hilfe ermöglicht wird.“SOMA_5_MairHelga_Rattey

Frau G. kramt in ihrem dunkelgrauen Lodenmantel nach dem Einkaufszettel: „Heut bräucht i Joghurt, Butter, Nudeln. Da Kaffee is ma a ausgangen. Habens vielleicht wieder einen kriegt?“ Die ehrenamtliche Mitarbeiterin ist schon zur Stelle, muss die Seniorin jedoch vertrösten: „Heute haben wir leider keinen Kaffee, aber am Freitag soll eine Lieferung kommen.“

Im Sozialmarkt ist nicht immer alles parat. Dieser wird von verschiedenen Firmen, wie etwa Recheis, Hipp, Efko, Inzersdorfer oder Pfanner und einigen mehr gratis beliefert. Die Produkte, die falsch etikettiert wurden, kurz vor dem Ablaufdatum stehen, oder aus dem Verkaufssortiment genommen wurden, werden dem SOMA geschenkt. Es kann dann schon mal passieren, dass sich Paletten mit Essig-Kombucha Getränken stapeln, oder Zitronenteegranulat in der Größe eines Kleinlieferwagens im rund 60 Quadratmeter großen Geschäftsraum untergebracht werden muss. „Aber die Menschen sind dankbar für alles und wir werden auch das ganze Sortiment los“, erklärt die SOMA-Mitarbeiterin und durchsucht aufmerksam das Kühlregal nach den Milchprodukten für Frau G.

Auf der Kühlregalleiste sind die Preise verzeichnet: vier Becher Bio-Joghurt von der Firma Alpro kosten 30 Cent, ein viertel Kilo Butter auch nur 30 Cent. In den Regalen daneben ist heute Machland Apfelmus um 20 Cent pro Viertelglas zu haben. Die Packung Tortellini von Barilla gibt’s um 40 Cent. Und das Schwarzbrot vom Bäcker Ketter ist heute gratis, weil es gestern abgelaufen ist.

Aber der Andrang ist groß und Frau G. kann gerade noch ein viertel Kilo Brot ergattern. Denn durchschnittlich 100 Menschen aus der Stadt Salzburg aber auch aus dem Umland kaufen in den drei Stunden, in denen das Geschäft offen hat, ein. Insgesamt sind es 1.200 Menschen, die eine Einkaufskarte des SOMA besitzen.

Viele  Jüngere schämen sichSOMA_4_Einkaufskörberl

„Nach einer neuester Erhebung sind in Salzburg fast 13 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet, sie leben also unter der Armutsgrenze“, erklärt Robert Buggler, Leiter der Salzburger Armutskonferenz. „In absoluten Zahlen sind das 66.000 Menschen; das ist rund jede beziehungsweise jeder Achte“, so Buggler.

„Nicht nur Mindestrentnerinnen und -rentner sind darunter, auch viele Alleinerzieherinnen mit Kindern. 60 Prozent der Kunden kommen aus anderen Ländern, hauptsächlich aus Ex-Jugoslawien und der Türkei. Sogar ausländische Studenten aus der Mongolei oder Flüchtlinge aus Nordkorea kaufen hier billig ein“, erklärt Steinitz.

Viele Österreicher, besonders Jüngere würden sich jedoch nach wie vor schämen in einem Sozialmarkt einzukaufen, obwohl laut Steinitz, in den letzten Jahren ein Anstieg an Bedürftigkeit auch unter Jüngeren zu bemerken war.

Frau G. hingegen schämt sich ihres Einkommens nicht: „I kauf hier ein, weil i mir was von meiner klanen Rente zammsparen kann, des Leben is einfach z` teuer und i hab schon zu viel erlebt, als dass i mi schämen müsst.“ Sie wackelt, den Rollator vor sich hinschiebend, zur Kasse, sucht ihr Geldbörsel und zahlt ihren Einkauf. Ein viertel Kilo Butter, ein Glas Marmelade, vier Joghurt,  zwei Packungen Tortellini, ein Apfelmus und ein Packerl Sauerkraut und zahlt 1,70 Euro. „Des Brot zahl i ah noch“, meint sie bestimmend.

„Nein Frau G.“, antwortet die Mitarbeiterin von SOMA, „das brauchen s` nicht. Das Brot ist heute gratis.“

INFOBOX:

Im Land Salzburg gibt es an insgesamt vier Standorten Sozialmärkte, in der Stadt Salzburg, Hallein, in St. Johann im Pongau und in Zell am See. Zusätzlich wird im Pinzgau ein mobiler Sozialmarkt angeboten. Weitere Informationen und Öffnungszeiten auf der Website der Laube GmbH. Die Laube GmbH ist Träger der Sozialmärkte in den Bezirken. In der Stadt Salzburg betreibt der Verein SOMA den Sozialmarkt. Informationen dazu unter der Website vom SOMA Salzburg Stadt.

Die Sozialmärkte suchen laufend Firmen, die ihre Lebensmittel und Produkte, statt diese teuer zu entsorgen, zur Verfügung stellen und damit soziales Handeln beweisen. Vor allem Grundnahrungsmittel, Hygieneartikel oder Waschmittel werden benötigt.

Astrid Steindl über ihren ersten Dienst in der Obdachlosenunterkunft der Caritas

Zartbitter trifft sie am Tag nach ihrem Einsatz.Astrid

Zartbitter: Astrid, du hast erstmals ehrenamtlich mit Obdachlosen gearbeitet. Wie ist es dir gegangen?

Astrid: Sehr ambivalent. Es schockiert mich, dass es in einer so „reichen“ Stadt ein solches Elend gibt. Andererseits bin ich froh, dass es Institutionen gibt, die da helfen. Es gibt aktuell 140 obdachlose EU-BürgerInnen in Salzburg und wir können sie nicht alle unterbringen.

Zartbitter: Du hattest sicher vorher über Obdachlose ein Bild im Kopf und seit gestern kennst du die Realität. Gibt es da einen Unterschied?

Astrid: Ja, man hört darüber, aber es ist ganz weit weg. Jetzt habe ich die Menschen vor Augen, ich war mitten drin. Es ist nicht mehr abstrakt für mich. Und es waren alle sehr nette Leute. Sehr dankbar, fast schon zu viel. Sie freuten sich, dass sie etwas zu essen bekommen haben. Nicht alle konnten gut Deutsch und so haben wir uns mit Gesten verständigt.

Zartbitter: Hattest du Angst?

HilfeAstrid: Zuerst schon. Vielleicht ist ja die Stimmung aggressiv. Ich bin skeptisch hingegangen und jetzt ist es eine positive Erfahrung. Wir waren zwei ehrenamtliche Frauen und die Männer waren sehr respektvoll uns gegenüber. Obwohl die Nudeln ein bisschen sehr verkocht waren, muss ich dazu sagen. Einer hat mir die Fotos seines Kindes gezeigt, ein ganz süßes Baby. Er hat mir gesagt, dass er 30 Jahre ist und am Tag am Bau gearbeitet hat. Sein Lohn war ein Schnitzel. Arbeit findet er am Bahnhof und manchmal gibt es nicht mehr als ein Essen als Lohn.

Zartbitter: Würdest du das nochmals machen?

Astrid: Ich werde diese Arbeit noch mehrmals machen. Denn das Klima dort war sehr menschlich. Es gab keine Selbstdarstellung an diesem Abend, sondern das ehrliche Interesse am anderen war im Vordergrund. Wir schimpfen gerne über unser System, aber jeder von uns kann einen Beitrag leisten. Und die täglichen „großen“ Probleme relativieren sich, denn wir haben Arbeit und einen gewissen Lebensstandard. Ich freue mich auf meinen nächsten Dienst, denn ich weiß jetzt wie es ist und ich habe keine Angst und Skepsis mehr.

Zartbitter: Danke Astrid für deine Offenheit und für deinen Einsatz!

Mehr Informationen zum Projekt der Caritas hier: http://www.caritas-salzburg.at/aktuell/news/news/artikel/8037/

Ehrenamt 1Ganz beschwingt bin ich heute nach Hause gekommen. Und das liegt an einem Zusammentreffen mit Ehrenamtlichen.

Wir bereiten ein Projekt vor, wo wir freiwillige Unterstützerinnen und Unterstützer brauchen. Die zwei Stunden, die wir miteinander verbracht haben, waren einfach toll. Woran liegt das, habe ich mir auf dem Nachhauseweg überlegt. Ehrenamtliche Arbeit ist mir ja nicht unbekannt, ich habe das aber nie richtig hinterfragt. Heute habe ich für mich ein paar Antworten gefunden.

Da ist einmal das Miteinander. Miteinander Ideen zu entwickeln, ein Ziel zu haben und nicht nach dem Profit zu fragen. Was jetzt vielleicht ein bisschen salbungsvoll klingt, hab ich heute gespürt. Der Wille gemeinsam die Welt ein bisschen besser und menschenfreundlicher zu machen. Und jeder Mensch kann seine Möglichkeiten, Fertigkeiten und Talente mit einbringen. Alles ist wertvoll. Es wird nicht danach gefragt, was du nicht kannst, sondern was du kannst. Ehrenamt 2

Das macht einen großen Unterschied. Es ist auch egal, ob du reich oder arm, alt oder jung, eine gute Bildung hast oder in irgendeiner Form beeinträchtigt bist. Das, was du zu geben bereit bist, zählt. Und es ist gibt keinen Wertunterschied. Jede ehrenamtliche Arbeit wird gleich viel geschätzt. Ob du dich für andere Menschen engagierst, in einer Umweltorganisation, einer Partei oder Religionsgemeinschaft mitmachst, dich für Tiere einsetzt oder im Sport aktiv bist. Alles trägt dazu die Welt ein bisschen besser zu machen ohne nach Geld oder Besitz zu streben. Danke an alle, die das einfach tun.