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Ich habe in den letzten Tagen hier in San Diego mit mehreren Leuten darüber gesprochen, wie sie sich nach dem Ergebnis der Präsidentenwahlen fühlen. Sie erzählen von sich selbst, von ihren Ehepartnern, Kindern, ihren Schulen und Universitäten. Der Ehemann, der nach bekanntwerden des Ergebnisses vor Sorge nicht schlafen konnte (kein Angehöriger einer Minderheit), die Uni-Professorin, die in der Wahlnacht vor Ärger und Verzweiflung einen Herzinfarkt erlitt (auch keine Angehörige einer Minderheit), Mitschüler, die weinten und einfach diejenigen, die sich Sorgen machen, was eine Trump-Regierung alles anrichten kann. So geht es sehr, sehr vielen. Und viele davon demonstrieren auf den Straßen. Auch hier in San Diego – ob in Downtown, im beliebten Balboa-Park oder im hippen Schwulenviertel Hillcrest.

Ihre Sorgen sind berechtigt, denn während die einen demonstrieren, häufen sich verbale und physische Übergriffe auf Minderheiten wie Schwarze, Muslime, Latinos und Homosexuelle.

Donald Trump betonte nach der Wahl, er wolle ein Präsident für alle Amerikaner sein. Man müsse das Land jetzt einen und die Wunden heilen. Am Arsch, Mr Trump! Wer hat denn die Ressentiments gegen Minderheiten so geschürt? Es ist nicht genug, dann zu sagen, ich möchte alle einen. Das Problem ist: Die hartgesottenen Trump-Anhänger fühlen sich jetzt zu ihren Übergriffen legitimiert. „Wir haben ja gewonnen, jetzt geht’s euch Schwarzen, Muslimen und Schwulen an den Kragen.“ Sie fühlen sich im Recht und als Ausführende ihres neuen starken Führers.

Wie reagiert Trump darauf? Auf die Übergriffe angesprochen, sagt er: „Wenn es was nützt, dann werde ich sagen: Hört auf damit.“ Er selbst habe seit seiner Wahl nur ganz wenige rassistische Äußerungen wahrgenommen – nur eine oder zwei. Und gleich darauf redet er lieber über die Proteste gegen ihn. Er findet das „einfach schrecklich“. Er will doch das Land einen.

Tut mir leid, Mr Trump. Ihr angebliches Anliegen, die USA zu einen, kann niemand ernst nehmen. Wer das zum Ziel hat, spaltet die Gesellschaft erst gar nicht. Gegen alles und jeden hat Trump mit markigen Worten Härte angekündigt. Es wäre jetzt die richtige Zeit Härte anzudrohen. Und zwar gegen diejenigen seiner eingefleischten Fans, die Minderheiten drangsalieren, bedrohen und körperlich angreifen.

Ein Präsident für alle könnte den Gedanken nicht ertragen, dass so etwas in seinem Namen passiert. In den letzten Tagen haben wir von vielen Politikern gehört: „Wir müssen Trump eine Chance geben, ihn mal machen lassen und dann urteilen.“ Nein. Das Urteil können wir uns sehr gut jetzt schon bilden. Wie unser Bundeskanzler schon des öfteren betont hat, führt die Gewalt der Worte rasch zur Gewalt der Taten. Donald Trump hat diese Gewalt der Worte gesät und tut sich jetzt schwer, deren Folgen anzuerkennen. So jemand ist auf keinen Fall tragbar und kein Partner.

Die Situation in den USA ist eine Warnung für andere Staaten. Je stärker die minderheitenfeindlichen, rassistischen Parteien wie der Front National, die AfD oder die FPÖ in ganz Europa werden, desto legitimierter fühlen sich auch ihre Anhänger, zu pöbeln, zu drangsalieren und anzugreifen, was ihnen nicht passt.

In zwei Wochen bin ich wieder zurück in Österreich. Nur eine Woche darauf wird unsere Bundespräsidentenwahl stattfinden. Ich mache mir Sorgen, ob Österreich ein freies, liberales Land bleibt.

So jetzt bin ich wieder im USA-Wahlkampffieber. Die Vorwahlen in New Hampshire haben zwei Sieger. Bernie Sanders für die Demokraten und Donald Trump für die Republikaner. Ich habe mir die Dankesreden beider angehört und für mich die wesentlichsten Botschaften rausgehört.Es wird noch spannend die nächsten Wochen und Monate, so viel steht fest. Aber nun zu den beiden Männern und ihren Reden:

Bernie Sanders spricht fast eine halbe Stunde zu seinen Anhängern, während Donald Trump mit einer knappen Viertelstunde auskommt.

Trump spricht erst mal 4 Minuten über sich und seine Familie und stellt die wunderhübschen, gestriegelten Menschen vor, die rechts und links von ihm stehen. Dann stellt er fest, dass die Menschen ihn lieben und er wird sie nicht vergessen. „Make America great again“  ist sein Wahlspruch. Er will den Respekt der Welt für die USA und das geht nur mit traditionellen Methoden. Militär, Grenzzäune und Mauern. Die Drogen müssen bekämpft werden und die Bildung muss lokal organisiert werden. Er warnt vor den Tieren, die in Paris, die Menschen niedergeschossen haben, die keine Waffen hatten, also müssen mehr Waffen her. Und weg mit dieser Krankenversicherung! Und ja es gibt eine Hoffnung, nämlich ihn. Denn Gott hat noch nie einen größeren Präsidenten geschaffen wie ihn, der die Jobs schafft. Und die Veteranen nicht vergisst. Er macht Amerika größer als je zuvor.

Trump ist ein absoluter ICH-Mensch. Alles bezieht sich auf ihn, selbst Gott hat ihn auserwählt. Er repräsentiert Stärke, alte Werte und will weiterhin den Weltpolizisten geben. Die Leute, die ihn bei dieser Rede umringen sind uniform, jung, ausgesprochen schön und definitiv keine Afroamerikaner. Es ist ein klarer Wahlkampf für die konservative weiße Mittel- und Unterschicht. Er will den Menschen über nationale Stärke eine Wertigkeit geben. Er will keine „Anderen“, aber sonst hat er nicht viele Ideen. Sein Programm ist ER.

Sanders erzählt am Beginn von Clintons Gratulationsanruf und dann dankt er allen, die für die Kampagne gelaufen sind. Seine Botschaft „A Future to believe in“ zieht sich auch durch seine Rede. Er spricht von einer politischen Revolution. Die Regierung gehört allen Amerikanern und nicht nur einigen wenigen. Er distanziert sich immer wieder von der Wallstreet und stellt klar, dass er kein Geld von ihnen will für den Wahlkampf, sondern von den normalen Leuten. Seine Themen sind Klimawandel, Gleichberechtigung, Teilhabe von Minderheiten und internationale Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Er will Obamas Weg weitergehen und das Gesundheitssystem noch mehr ausbauen. Und Millionen Jobs schaffen, in dem er die marode Infrastruktur saniert. Und er will mehr Bildung für die jungen Leute und weniger Menschen in den Gefängnissen. Erst am Ende wird er persönlich und erzählt von seiner Familie mit polnischen Wurzeln und den bescheidenen Verhältnissen in denen er aufgewachsen ist. Seine Eltern hätten nie zu träumen gewagt, dass ihr Sohn Kandidat für das Präsidentenamt ist. Aber das ist der amerikanische Traum, den es für die nächsten Generationen weiter zu geben gilt.

Sanders redet selten von ICH sondern fast immer von WIR. Er versucht in seiner Rede keine Gruppe an Menschen vergessen. Er wird am Rednerpult umringt von nicht so gestylten Menschen, die auch nicht alle jung oder auf jung operiert sind. Und auch nicht alle mit weißer Hautfarbe. Die Botschaft ist klar. Die Revolution schaffen die Demokraten nur, wenn alle, die sich vielleicht als Minderheit fühlen zusammenschließen. Dann sind sie die Mehrheit. Da knüpft er an Obamas Wahlkämpfe an. Was ihm fehlt ist nicht das Programm, aber das Charisma, das Menschen zu 100 % für ihn begeistern kann.

Es bleibt spannend!