Beiträge

The Bronx in den 70er Jahren. In meiner Wahrnehmung als Teenager im Dörfli nahe der beschaulichen Mozartstadt Salzburg überlebte man in den Straßen der Bronx keine zehn Minuten – so gefährlich war das. In der Schule haben wir uns den Film Fort Apache, the Bronx mit Paul Newman angesehen. Da erschoss eine Straßenprostituierte gleich in den ersten Minuten zwei Cops. Und ein hysterischer Transvestit wollte sich wenige Minuten später vom Dach stürzen. Also, Leute und Zustände waren das. Für ein Landkind wie mich einfach unvorstellbar. Aber: Ich wusste, wie es in der South Bronx zugeht. Davon war ich überzeugt.

The Get Down spielt 1977 in diesem heruntergekommenen Stadtteil New Yorks – der South Bronx. Schutt und Abrissbuden überall – das Ghetto der Schwarzen und Latino-Bevölkerung New Yorks. Sie haben miese Wohnungen, miese Bildung, miese Jobs oder sind kriminell. Und sie haben ihre Subkultur, die bis vor kurzem noch Disco hieß. Disco war inzwischen im Mainstream angekommen. Die Bee Gees hatten diese Underground-Kultur bei der weißen Mittelschicht salonfähig gemacht und damit sowohl ihren Höhepunkt als auch ihren Niedergang bereitet. Doch, immer einen Schritt voraus, war die Underground-Szene der Schwarzen und Latinos ohnehin bereits dabei, aus dem Disco heraus etwas völlig Neues zu entwickeln: den Hip-Hop.

Grandmaster Flash und Shaolin Fantastic am Beginn der DJ- und Hiphop-Kultur – hier treffen fiktive und reale Personen aufeinander

Grandmaster Flash und Shaolin Fantastic am Beginn der DJ- und Hip-Hop-Kultur – hier treffen fiktive und reale Personen aufeinander

Worum gehts?

Die Geschichte verfolgt den Werdegang von Ezekiel [Justice Smith] – einem begabten Schüler, der nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Tante und deren Freund aufwächst. Doch wer klug ist, hat keine Street Cred. Gute Noten, Auszeichnungen für Gedichte – das ist doch „voll schwul“. Ezekiel gibt sich Mühe, dadurch nicht im Ansehen seiner Freunde zu sinken.
Er hat ein Talent mit Worten umzugehen, Geschichten zu erzählen – und zwar in Reimen. Das sollte ihm in einer neu entstehenden Subkultur Ruhm einbringen. Ezekiel begegnet dem enigmatischen Shaolin Fantastic [Shameik Moore], ein Protegé des Ur-Hip-Hoppers Grandmaster Flash [mit geheimnisvoller Aura dargestellt von Mamoudou Mathie]. Durch ihn lernt Ezekiel, sein Talent als Wordsmith (Rapper) auszuleben. Reime zu schmieden wird plötzlich zur coolen Sache.

Ezekiel liebt Mylene [Herizen F. Guardiola]. Sie ist die Tochter eines Pastors [fabelhaft wie immer Giancarlo Esposito], der seine Familie mit äußerster Strenge regiert. Mylene hat eine wunderschöne Stimme und will nur singen – und zwar nicht nur Kirchenlieder für die Gemeinde ihres bigott-despotischen Vaters, sondern Disco. Sie hat das Zeug, den Willen – und Onkel [dein freundlich-bedrohlicher Gangsterboss/Bezirkspolitiker Jimmy Smits], der sie in ihrem Vorhaben voll unterstützt. Wird Ezekiel ihrer Karriere nur im Weg stehen?

Mylene und Ezekiel – sie wollen raus aus der Bronx

Mylene und Ezekiel – sie wollen raus aus der Bronx

Groß aufgefahren

Netflix hat an nichts gespart: Nach Stranger Things [lest hier unseren Beitrag zu der Serie] hat The Get Down durchgehend Spielfilmqualität und vermeidet eine episodenhafte Geschichte. Erdacht wurde sie vom erfolgreichen australischen Regisseur Baz Luhrman, der bei der ersten Folge sogar Regie geführt hat. Diese hebt sich auch vom Rest der Serie ab. Ob das jetzt Gutes oder Schlechtes bedeutet, ist wohl Geschmackssache. Luhrman ist ja bekannt dafür, dass er es gern übertreibt – wer Romeo and Juliet, Moulin Rouge oder The Great Gatsby gesehen hat, weiß, was damit gemeint ist. An manchen Stellen gerät die erste Folge etwas zu revuehaft und surreal. Trotzdem bietet sie den richtigen Anreiz, an der Serie dranzubleiben.

Eine Serie mit Charakter(en)

Visuelles dahingestellt – was wirklich zählt sind die Geschichte und deren Figuren. Ich bin begeistert, wie viele gute Rollen es gibt und wie großartig diese besetzt sind. Selbst der als Schauspieler schwächere Jaden Smith, Sohn von Will Smith, ist entsprechend seinen Fähigkeiten gut eingesetzt.

Die Story ist zwar um Ezekiel und Mylene herum aufgebaut, aber viele Nebenfiguren, ihre Freunde, Familien oder die Gangster, sind genauso interessant gezeichnet – sogar fast noch facettenreicher als die beiden Protagonisten. Dass Ezekiel und Mylene etwas brav wirken ist sicher kein Versehen. Ich habe das als Teil des Konzepts verstanden. Während die Geschichte von Ezekiel und Mylene gerade so am Seifenopernhaften vorbeischrammt, bilden die anderen als realistischere Charaktere den Rahmen, welcher der Serie Authentizität verleiht.

Gangster und Disco King – eine unter vielen schillernden Figuren: Cadillac – groovy, verrückt und bedrohlich gespielt von Yahya Abdul-Mateen II

Gangster und Disco King – eine unter vielen schillernden Figuren: Cadillac – groovy, verrückt und bedrohlich gespielt von Yahya Abdul-Mateen II

Aus den vielen herausragenden Leistungen ist es fast ungerecht, eine Figur besonders hervorzuheben. Doch Shaolin Fantastic verdient eine eigene Erwähnung. Er ist in der ersten Folge eine fast schon mystische Gestalt – ein Sprayer, den alle bewundern. Wenn er auftaucht, dann wird das begleitet von chinesischen Klängen, und er legt immer einen Auftritt mit smoothen Kung Fu-Moves hin. Er scheint dabei auch die Gesetze der Schwerkraft zu überwinden. In Wahrheit ist jedoch nur ein ganz normaler junger schwarzer Mann, wie alle anderen auch. Er ist einerseits Begleiter und gleichzeitig Gegenpart zu Ezekiel. Beide verbindet die Musik. Doch wo Ezekiel danach strebt, das Ghetto zu verlassen, scheint Shaolin ganz in die fast schon vorbestimmte kriminelle Bahn abzurutschen.

Warum ihr das unbedingt sehen sollt

The Get Down ist großartige Unterhaltung. Geschichte und Umsetzung werden nicht in jedem Detail alle Geschmäcker oder Erwartungen zufriedenstellen. Aber es lebt von der großartigen Besetzung und der Vielfalt schillernder und interessanter Charaktere – und das vor dem Hintergrund der Entstehung einer Underground-Szene, deren Einfluss noch heute unsere Musik prägt.

Meine Bewertung auf IMDB: 9 von 10 Punkten

von Elisabeth Kaplan

Camo & Krooked (Reinhard Rietsch und Markus Wagner), zwei DJs aus Salzburg bzw. Niederösterreich, begannen 2007 zusammen zu arbeiten und konnten sich seither als begehrtes Drum ’n’ Bass Produzententeam international etablieren. Ihr Track „Watch It Burn“ (feat. Ayah Marar), zum Beispiel, wurde bisher über 6 Mio. Mal auf YouTube angesehen, und ihr Remix von Lana Del Reys „West Coast“ hat vor kurzem die Spitze der FM4-Charts erreicht. Außerdem sind sie international begehrte DJs. Ein Blick auf ihren Terminkalender beweist das. Und ihre mehr als 320.000 Facebook-Likes sprechen für sich! In ihrer Heimat, Österreich, kennt man sie aber nur in ganz bestimmten Kreisen. Das liegt wieder einmal daran, dass sie von den Sendern in diesem Land als nicht passend für Radioplay angesehen werden. Das ist freilich vollkommener Blödsinn – ein Sender der z.B. Daft Punk, Modjo oder Stardust im Programm hat, kann genauso gut „Loving You Is Easy“ spielen.

Mit ihrem aktuellen Album „Zeitgeist“ haben Camo & Krooked ihre Bandbreite erweitert. Im Interview haben sie erklärt, dass sie einfach gelangweilt waren von dem, was zurzeit im Electronic-Dance-Bereich so zu hören ist. Sie wollten darum ein bisschen Frische und organische Elemente reinbringen. So schafften sie es, ein geschmackvolles Album zu machen, dass in den Klubs funktioniert und trotzdem nicht nervt, wenn man es auch mal Zuhause auflegt.

Reinhard Rietsch und Markus Wagner sind Camo & Krooked

Reinhard Rietsch und Markus Wagner sind Camo & Krooked


Disco triff Minimal House

Nach ihren Einflüssen gefragt, nennen Camo & Krooked immer Disco, French House und Minimal. Diese Einflüsse sind unüberhörbar in „Loving You is Easy“. Diesen Track habe ich deswegen gewählt, weil er so einnehmend und tanzbar ist. Dabei ist er völlig unaufdringlich. Ich finde, er ist auch eine perfekte musikalische Untermalung für eine nette Sommerparty auf der Terrasse. Der Track macht mich schlicht und einfach glücklich. Außerdem haben C&K selbst schon öfter behauptet, dass er ihr Lieblingstrack auf ihrem Album „Zeitgeist“ ist. Was ich am meisten an „Loving You Is Easy“ liebe ist der starke Kontrast zwischen den lebensfrohen Disco-Teilen und den extrem zurückhaltenden, nüchternen Minimal-Teilen. Darauf, wie C&K diesen Kontrast maximieren, gehe ich später ein.

Ich bin ganz selig

Die ersten paar Sekunden des Tracks stellen bereits klar, was auf uns zukommen wird. Der langgehaltene Ton in den Blechbläsern und die arpeggierten Streicher geben eindeutig zu verstehen: C&K lassen hier die Disco-Ära hochleben! Im Intro wird dann das Klavier-/E-Bass-Riff vorgestellt, das den Kern des gesamten Tracks bildet. (Ich habe das Riff notiert, allerdings ohne die Ghost Notes, die den rhythmischen und funky Charakter ausmachen.) Wenn ihr genau hinhört, werdet ihr außerdem kurze Atmer hören, die sozusagen wie Perkussion eingesetzt werden. Danach setzt bald das Vocal-Sample ein (es könnte durchaus ein originales Vintage-Sample sein, oder einfach ein mörder-guter Studiosänger), das die Disco-Teile mit souliger Wärme und Emotionalität erfüllt.

Von ABBA abgeschaut? ;-)
C&K geben sich nicht damit zufrieden, einfach gegensätzliche Teile aneinanderzureihen, sondern setzen Tricks ein, um den Kontrast zu verstärken: Bevor ein Minimal-Teil kommt, bauen sie Elemente ein, die mehr Dichte erzeugen, und schneiden diese dann abrupt ab. So setzen sie in der zweiten Hälfte des Vocal-Teils (ab 0:27) vermehrt Effekte ein und einen crescendierenden „Swoosh“-Sound (also ein lauter werdendes Rauschen), der dann mit dem Einsatz des Minimal-Teils (0:33) abgeschnitten wird. Was danach kommt, wirkt dadurch umso trockener und karger. Das ist genau der Effekt, der mir schon immer bei „One Night in Bangkok“ (Murray Head, 1984) so gefallen hat: Der Refrain („One night in Bangkok and the world’s your oyster“) setzt ein, mit seiner ausladenden Instrumentierung und jeder Menge Hall, und in der zweiten Zeile („The bars are temples but the pearls ain’t free“) wird mit dem Wort „temples“ alles abgeschnitten und es bleibt nur eine nackte Basslinie über. Dann wird wieder aufgebaut und wieder abgewürgt. Ich liebe diesen Effekt. Wenn er gekonnt ausgeführt wird, erzeugt er Abwechslung, Überraschung, Excitement, Intensität. Er ist einfach unwiderstehlich.

Loving you is easy – music
In der Zurückhaltung liegt die Macht

Genug geschwelgt. Zurück zu „Loving You Is Easy“. Also, wir waren beim überraschenden Einsatz des Minimal-Teils. Dieser Teil besteht nur aus Bass, Drums und einem Minimal-Sound in der Oberstimme, der einfach die F-Moll-Tonart – F – G – As – B – C – (Des fehlt) – Es – F – spielt. Minimaler geht’s wohl kaum. Und auch hier vermehren sich gegen Ende der 8-taktigen Form die Effekte und der Hall, und der Melodie wird außerdem ein Delay gegeben, und wieder wird vorm Übergang erbarmungslos alles abgeschnitten. Es lohnt sich übrigens, die weiteren Übergänge auch genau anzuhören, denn C&K machen es jedes Mal ein bisschen anders.

In den nachfolgenden Disco-Teilen untermauern C&K den Disco-Charakter mit der Einführung einer von Chic inspirierten Gitarre und später mit Disco-typischen „Falls“ in den Streichern (z.B. um 2:36). Und dann, als wäre ich noch nicht glücklich genug, lassen C&K den Track mit einem Synth-Sound auslaufen, dem ein Giorgio Moroder bestimmt seinen Segen geben würde.

Fazit
Mein Glück ist vollkommen. Danke, C&K, für diesen lebensfrohen Track, der nichts anderes will, als gute Laune zu verbreiten! Ich bin ganz selig …

Hier der Link zu „Loving you is Easy“ auf YouTube