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Ich bin ehrlich, gestern war es für mich noch unvorstellbar, dass Donald Trump US-Präsident sein könnte. Es war klar, Hillary wird es machen, knapp, aber sie schafft es. Tja, ab halb vier nachts mitteleuropäischer Zeit hat es sich gedreht. Bumm- die Katastrophe ist da.

Donald Trump hat es geschafft, er ist der mächtigste Mann der Erde. Einer, der nur sich selbst liebt. Den nichts interessiert außer sein Ego. Und das hat viele US-Wähler überzeugt, auch viele Frauen, Latinos und Afroamerikaner. Und die meisten Politanalysten und Umfragefirmen dürften an ihrer Kompetenz zweifeln.

Und wie geht es in den USA weiter?

Die gesellschaftlichen Freiheiten werden eingeschränkt. Die Wirtschaft wird schrumpfen und neue Kriege können uns bevorstehen. Putin reibt sich das Händchen, endlich einer im weltpolitischen Boxring, der Lust auf echten Männerkampf hat, auch wenn Millionen Menschen darunter leiden werden. Viele Populisten weltweit lassen wohl die Champagnerkorken knallen. Und alle Bemühungen den Klimaschutz weltweit zu stärken sind ab heute obsolet, denn Trump glaubt nicht an den Klimawandel, eh alles in Ordnung. Sonst ist nicht viel Programm bekannt. Im Kongress und Senat haben auch die Republikaner die Mehrheit und ich bin überzeugt davon, dass selbst Trumps innerparteiliche Gegner sich vor lauter Liebesbekundungen überschlagen werden.

Und Europa? Eine Hoffnung?

Amerika als demokratisches Vorbild wird eine Weile ausgedient haben. Sind wir in Europa stark genug die Fahne der Freiheiten, der Demokratie, des gesellschaftlichen Respekts und Miteinanders voranzutragen? Jetzt müssen wir wirklich aufwachen, der große Bruder ist k.o. gegangen. Es ist an uns den Weg einer liberalen Gesellschaft weiterzugehen. Jeder von uns ist dazu aufgerufen ganz viele Menschen, die an einer offenen Gesellschaft zweifeln, mitzunehmen. Ängste nicht unter den Tisch zu kehren, sie aber auch nicht zu verstärken. Wir alle müssen Mut machen, dass die Zukunft unserer Kinder und Enkel nur die Freiheit und ein liberales Gesellschaftsklima sein können.

Als Politikerin macht mir natürlich Politik Freude, sonst würde ich es ja nicht machen. Was mir besonders wichtig ist, ist der respektvolle Umgang mit Menschen. Das ist für mich die Basis jeder politischen Auseinandersetzung, auch des politischen Wettbewerbs bis hin zum Streit. Was der amerikanische Wahlkampf in den letzten Monaten geboten hat, hat mir die politische Schamesröte ins Gesicht getrieben. Echt zum Fremdschämen. Bösartigkeit, Lügen, Häme, Niedertracht, Hass, Gewaltverherrlichung, Egozentrik, Verachtung. Das alles konnten wir täglich erleben. Bei jedem neuen Skandal habe ich mich gefragt, was das mit uns allen macht.

Irgendwie bleibt bei uns allen etwas davon hängen. Viele fühlen sich in ihrer Abneigung gegen die Politik bestärkt. Einige wenige wünschen sich vielleicht auch bei uns diese Art der Politik. Aber die meisten, die ich kenne waren aufrichtig entsetzt über diesen politischen Umgang und haben immer wieder gesagt, dass wir alle es einfach nie dazu kommen lassen dürfen. Aber jeder Tag länger in diesem Wahlkampf bereitet den Boden dafür, dass wir es für normal halten, wie hier miteinander umgegangen wird. Aber normal darf so etwas nie sein.

Gut, dass es in zwei Tagen vorbei ist.

Um 2:45 Uhr hat der Wecker geklingelt. Schnell einen Misteltee gekocht, der ist gut gegen hohen Blutdruck, sollte es aufregend werden und ab aufs Sofa.

2:55 Uhr: Gleich geht die zweite Debatte los. Clinton gegen Trump. Es ist die Townhall-Debatte, nicht nur Journalisten fragen, auch die Bürger stellen Fragen. Und das vor dem Hintergrund des großen Sex-Skandals von Donald Trump, der seit Freitag fast die ganze Berichterstattung bestimmt.

3:00 Uhr: Ohne Handshake geht es los. Clinton bekommt die erste Frage gestellt und sie legt gleich los mit Vielfalt und der Stärke, wenn man zusammenhält. Und sie will die Präsidentin aller Amerikaner sein. Trump wiederholt sein „Amerika muss wieder groß werden“ und switcht zwischen Obamacare und dem Iran.

3:10 Uhr: Trump muss sich den Fragen zu seinem Busgespräch stellen. Er beteuert die höchste Achtung vor Frauen zu haben und er will Amerika wieder sicher machen. Clinton zählt alle Menschen auf, die Trump schon beleidigt hat. Und wieder bekräftigt sie, dass das vielfältige Amerika die Zukunft ist.

3:16 Uhr: Trump greift an. Bill Clinton hat Frauen missbraucht, bei mir waren es nur Worte. Er wirft ihr vor, dass sie den Vergewaltiger eines zwölfjährigen Mädchens verteidigt hat. Hillary Clinton kontert, dass Trump sich nie entschuldigt für seine Entgleisungen. Und Trump will als Präsident einen Sonderstaatsanwalt nur für Clinton.

Zwischenfazit: Eigentlich eine peinliche Vorstellung, besonders von Trump. Wer sagt was über wen?

3.24 Uhr: Noch immer geht es um Wahrheiten oder Lügen. Jetzt um die Emails von Hillary Clinton, die sie von ihrem privaten Account geschickt hat.

3:30 Uhr: Endlich eine Frage mit Substanz zu Obamacare von einem Bürger. Clinton verteidigt die Gesundheitsversicherung, will aber Nachbesserung. Trump empfindet es eine Katastrophe, will etwas Billigeres.

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3:37 Uhr: Muslime in Amerika. Eine Muslimin fragt, wie sie mit der Islamfeindlichkeit umgehen soll. Trump verweist auf die Anschläge, die von Islamisten begangen wurden. Clinton verweist auf die erfolgreichen Muslime und will alle einladen, Teil Amerikas zu sein. Und mit Muslimen gemeinsam will sie den IS besiegen.

Zwischenfazit Halbzeit: Mit Trump kann  man nicht diskutieren. Er antwortet nicht auf Fragen, sagt einfach irgendwas, was vielleicht zum Thema passen könnte. Clinton müht sich ab, aber es ist schwer mit einem Menschen zu diskutieren, der sich nie an irgendeine Aussage erinnern kann.

3:48 Uhr: Bürgerfrage, ob Politiker eine öffentliche und private Meinung haben dürfen. Und Clinton bringt jetzt die Russen ins Spiel, die sich in den US-Wahlkampf einmischen. Trump meint Russland sei immer der Sündenbock. Trumps Steuererklärung ist immer noch nicht klar.

3:53 Uhr: Bürgerfrage, wie Trump es bewerkstelligen will, dass auch Reiche ihre Steuern zahlen. Trump meint, dass Hillary Clinton da als Senatorin was tun hätte können. Er will in Zukunft Steuern senken, besonders für den Mittelstand. Clinton will die Steuer-Schlupflöcher schießen, um in die Zukunft der Bürger zu investieren.

4:01 Uhr: Clinton zählt ihre politischen Erfolge auf, von der Kinderkrankenversicherung bis zu Atomverträgen, was Trump mit: Sie war eine Katastrophensenatorin kommentiert.

4:03 Uhr: Bürgerinnenfrage zu Syrien. Clinton bringt auch hier die Russen ins Spiel. Trump bedauert, dass Amerika bei Atomwaffen nicht auf dem neuesten Stand ist und Clinton hat als Außenministerin alles falsch gemacht. Trump würde in Mossul alle platt machen in 4 oder 5 Wochen, dann wäre der IS besiegt. Clinton will keine Bodentruppen schicken.

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4:14 Uhr: Bürgerfrage, ob die Kandidaten ein Präsident für alle sind. Trump will für alle da sein, Clinton ist Schuld, dass es weniger Arbeitsplätze gibt. Clinton redet nur, tut aber nichts. In den Städten ist die Armut.

4:20: Clinton betont, dass sie sich für ihre Ausrutscher entschuldigt. Trump sieht das gespaltene Amerika und sieht überall Hass, darum darf Clinton nicht gewählt werden. Denn auch sie hat Hass im Herzen.

4:30 Uhr: Die Umwelt ist Thema. Trump hat kein Problem mit Kohle. Clinton weiß, dass erneuerbare Energie notwendig sein wird.

4:35: Bürgerfrage: Was schätzen sie am anderen? Clinton lobt Trumps Kinder. Sie weist nochmals auf die Brisanz der Wahl hin, wie zukunftsweisend sie sein wird. Trump dankt für das Kompliment für seine Kinder. Er sieht sie als Kämpferin, das ist ein guter Charakterzug.

Die beiden gehen mit einem Händeschütteln auseinander – immerhin!

Fazit: Trump sieht alles nur als großes Spiel. Ein bisschen Pennälergespräche über Frauen im Bus, Steuern zahlen ist überbewertet und das amerikanische Atomprogramm ist veraltet. Clinton müht sich ab, seine Angriffe zu neutralisieren. Dabei bleibt sie meistens gelassen, lässt sich nicht unter Druck setzen. Trump mosert immer wieder, dass er viel weniger Zeit bekommt als Clinton. Die Performance von Clinton ist gut, sie kann Fragen auch inhaltlich beantworten, während Trump wild durch die Themen hüpft und sich sichtlich nicht intensiv mit einem Thema auseinandersetzt. Das ist eher Stammtischniveau. Aber für die Ausgangsposition, die meisten wichtigen Parteifreunde haben sich abgewandt, hat er sich trotzdem gut geschlagen Clinton brilliert nicht, man kann sie sich aber als Präsidentin vorstellen.

Hoffentlich heißt es im November nicht: Gute Nacht Amerika!