Beiträge

Im Libanon arbeiten 300.000 Menschen aus Asien und Afrika als Hausmädchen, Tankwart, Reinigungskraft oder Wächter. Meist illegal, unterbezahlt, ohne Rechte. Man nennt sie auch moderne Sklaven.

Wir sitzen bei Mestawet zu Hause. Sie kommt aus Äthiopien, ist 31 oder 32 Jahre alt. So genau weiß sie das nicht. Seit 10 Jahren ist sie im Libanon. Damals haben ihr Freunde gesagt, dass sie hier gutes Geld verdienen kann. Damit kann sie ihre Familie unterstützen, denkt sie hoffnungsvoll. Ihr erster Arbeitgeber meinte: „Ein Sandwich am Tag reicht für dich. Du bist nicht zum essen hier, du bist hier um zu arbeiten.“ Neben ihr sitzt Dina, ein aufgewecktes Mädchen, keine drei Jahre alt. Den Vater kennt sie nicht, es war der Taxifahrer damals, sie konnte sich nicht wehren. Aber das Kind wollte sie nicht abtreiben.

Eine Chance für Dina

img_2161

Trotz bitterer Armut ist das Zimmer von Mestawet und Dina liebevoll dekoriert

Dina geht jetzt in den Kindergarten von Beth Aleph. Das Projekt in Beirut wird unterstützt von der Caritas Salzburg. 107 Kinder spielen und lernen hier. Die meisten sind Kinder von Arbeitsmigrantinnen wie Mestawet. Aber auch syrische Flüchtlingskinder sind hier. Dina und die anderen bekommen die Chance auf Bildung. Die Sozialarbeiterinnen von Beth Aleph helfen den Menschen ihre Kinder registrieren zu lassen, damit sie später eine reguläre Schule besuchen können. „Ich wünsche mir ein sauberes Haus und eine Zukunft für Dina. Sie soll nicht so leben müssen wie ich. Nach Äthiopien zurück kann ich nicht. Meine Familie weiß nichts von Dina.“, erzählt Mestawet. Mestawet und Dina leben in einem kleinen Zimmer in Beirut. Ärmlich ausgestattet, vielleicht 12 Quadratmeter. Die Küche und das Bad, es sind Verschläge am Gang, teilt sie sich mit zwei anderen afrikanischen Frauen, die ein ähnliches Schicksal haben.

Sehnsucht Europa

Oft haben die Frauen Probleme mit den Nachbarn. „Erst gestern versuchte ein Nachbar die Tür einzutreten. Wir Frauen sind mit den Kindern allein. Gott sei Dank ist die Polizei schnell gekommen. Aber ich habe Angst. Auch um meine kleine Dina.“, sagt Mestawet. „Der Sonntagsgottesdienst der äthiopisch-christlichen Kirche ist fixer Bestandteil in ihre Woche. „Dafür nehme ich den langen Fußmarsch in einen anderen Stadtteil Beiruts gerne in Kauf. Denn hier kann ich andere treffen, wir sind eine gute Gemeinschaft, wir halten zusammen. Aber am liebsten möchte ich nach Europa. Dort hätte meine Dina Chancen für ihre Zukunft.“, wünscht sie sich.

Wenn ich in ein Land fahre oder fliege, das ich nicht kenne, spreche ich vorab üblicherweise mit Menschen, die von dort kommen. Da hatte ich es in den letzten Jahren wirklich einfach. Als Deutschlehrerin durfte ich Schülerinnen aus fast 100 Nationen unterrichten. Von Albanien, über den Kongo, Südkorea bis Venezuela. Aber Libanon? Ich kenne niemanden aus dem Libanon.

Du fliegst zu Gaddafi?

Also muss ich mich ganz klassisch vorbereiten. Mit Büchern und dem Internet. Nächste Woche fliege ich mit der Caritas nach Beirut. Dort besuchen wir Caritas-Einrichtungen, die auch von Spendengeldern aus Österreich unterstützt werden. Eine Schule, Flüchtlingslager, ein Frauenhaus. Natürlich erzähle ich allen, die es wissen oder auch nicht wissen wollen davon. Und immer kommen die drei Bemerkungen:

  1. Von den älteren Semestern: Ja früher war der Libanon ein wunderbares offenes Land und Beirut das Paris der Levante. Aber mit dem Bürgerkrieg ist alles kaputt gemacht worden
  2. Von jenen, die sich für Flüchtlinge interessieren: Der Libanon hat doch mehr als eine Million Flüchtlinge aufgenommen, obwohl die so ein kleines Land sind.
  3. Von einigen, die null Interesse haben: Was tust denn beim Gaddafi?

Periscope und Elendstourismus

Und ich? Was weiß ich? Auch nicht viel mehr. Bücher und Internet helfen da weiter. Jeden Tag schau ich auf Periscope, da sieht man Livevideos aus aller Welt, um ein bisschen einen Eindruck zu bekommen. Interessant war die Busfahrt mit einer italienischen Reisegruppe durch Beirut. Und die Videos einer Hochzeitsfeier, da ging die Post ab.

Aber wie soll ich mich auf ein Flüchtlingslager vorbereiten? „Was machst du denn auch so eine Elendstourismus-Reise?“ meinte jemand zu mir. Das hat mich lange beschäftigt. Ich fliege dorthin, bin fünf Tage unterwegs und mein Reisepass ermöglicht mir wieder nach Europa zurückzukommen. Ohne Schlepper, Boot, Kleinlastwagen. Seit 1993 habe ich mit Flüchtlingen zu tun. In meiner politischen Funktion bin ich seit 2014 zuständig für die Integrationsagenden in der Stadt Salzburg. Mehr als je zuvor sind Flüchtlinge in den Focus der Integrationsarbeit gerückt. Natürlich sieht jeder von uns tagtäglich die Bilder aus den Flüchtlingslagern, kennt die Reportagen der Auslandsmagazine im Fernsehen. Und wer mit Flüchtlingen arbeitet, kennt die unzähligen Erzählungen der Menschen. Aber ich will es selbst sehen, ich möchte selbst zu einem Urteil kommen. Ich will auf dieser Caritasreise in den Libanon lernen und erfahren. Damit ich in Salzburg in der Integrationsarbeit vielleicht etwas besser machen kann. Im Sinne aller, der Salzburger und der Flüchtlinge.

Mit diesen Gedanken und dem Wissen aus Büchern und Internet fliege ich und komme wahrscheinlich mit unerwarteten Eindrücken zurück. In zwei Wochen weiß ich mehr!