Meine Rede in einem Flüchtlingsquartier

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von Michael König

Liebe Bewohnerinnen und Bewohner unseres Flüchtlingsquartiers, liebe Besucher, liebe Nachbarn, geschätzte Mitmenschen!

m3Als Geschäftsführer des Diakoniewerkes Salzburg begrüße ich Sie am heutigen „Nachmittag der offenen Tür“ zur offiziellen Eröffnung unseres Flüchtlingsquartiers Kasern.

Wir haben in den letzten Monaten hier an diesem Ort mit Unterstützung vieler Helferinnen und Helfer ein vorübergehendes zuhause für Menschen geschaffen, die die Erfahrung von Terror, Krieg, Verfolgung, und Todesdrohungen in die Flucht getrieben haben.

Wir haben die Wahl, auf jene Menschen zuzugehen, anstatt uns von ihnen abzuschotten. Dann werden aus anonymen Fremden und Flüchtlingen Frauen und Männer, Mütter, Väter und Kinder, die einen Namen und eine Geschichte haben. Dann werden wir ihr Leid und ihre Hoffnungen spüren und unsere Ängste vor diesen Menschen werden nachlassen.

Noch niemals in der Geschichte ist Integration gelungen, wenn man vor jenen Menschen, die es zu integrieren gilt, die Rollläden herunter gelassen hat. „Begegnung statt Abschottung“, das ist der Leitgedanke für dieses Flüchtlingsquartier. Wir sind Nachbarn. Alle. Wir entscheiden, ob und wie wir diesen geflüchteten Menschen Nachbarn und Nächster sein können und sein wollen. Wir entscheiden, ob wir sie auf einem Stück ihres Weges in ein neues Leben begleiten können. Hier und jetzt ist tatkräftige Mitmenschlichkeit gefragt.

Dabei ist eine Wachsamkeit für unsere Werte und für die Grenzen unserer Toleranz nötig. Geschätzte Bewohner unseres Flüchtlingsquartiers, die Wahrung der Menschenrechte und der Würde jedes Menschen, die Solidarität mit den Schwächsten der Gesellschaft – mit Behinderten, Alten, Kranken, Obdachlosen, Bettlern und Flüchtlingen, der respektvoller Umgang zwischen Frauen und Männern in Blicken, Worten und Taten, das gewaltlose Austragen von Konflikten, der Respekt vor anderen Kulturen und Religionen, sofern sie sich zur Gewaltlosigkeit bekennen, die Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung, – das alles sind zentrale Werte unserer Gesellschaft, die Sie in vielfältigen Begegnungen kennenlernen mögen.

m1Viele freiwillige Helferinnen und Helfer werden Sie unterstützen, unsere Sprache, unsere Werte und unsere Kultur kennenzulernen. Nehmen Sie unsere ausgestreckte Hand und werden Sie zu unseren Nachbarn. Nehmen auch Sie Ihr Hereinwachsen in unsere Gesellschaft selbst aktiv in die Hand und kommen auch Sie auf uns zu!

Die Existenzberechtigung von Religionen und Konfessionen im 21. Jahrhundert liegt darin, dass sie zur Quelle von Völkerverständigung, von Friedensstiftung und praktischer Humanität werden. Daher wollen wir mit dem anschließend nun folgenden religionsverbindenden Gebet ein Zeichen setzen zur Verständigung und zum Brückenbauen zwischen Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen.

gehalten am 19.04. 2016 beim Tag der offenen Tür in der Flüchtlingsunterkunft Straniakstraße

Fotos: Diakoniewerk