Ein weiterer unmittiger Tag: Anzeige, Kampfmutter, Bürokratie

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Von Brita Pilshofer

Die anonyme Anzeige

Wieder begann der Tag sehr positiv, bis mich die Nachricht meiner portugiesischen Freundin Fatoucha erreichte: “ Kannst du zum Kaffee kommen?“Fatoucha führt in Salzburg eine kleine, aber feine Vinothek und ist die Drehscheibe der portugiesischen Community, für die ich Übersetzungen mache.

Also machte ich mich auf, nichts Gutes ahnend, und traf sie in Tränen an. Eine weitere Freundin, Österreicherin, die auf der Romanistik arbeitet, war bei ihr. Sie hielten mir ein Papier von der Behörde unter die Nase, in dem es hieß, dass es gegen Fatoucha anonyme Anzeigen gab, dass sie entgegen der Gewerbeordnung in ihrem Lokal Essen koche und unangemeldetes Personal beschäftige. Ja, es gäbe Neider in ihrer Nachbarschaft, die wiederholt auftauchten, um unangenehme Fragen zu stellen, wieso sie in der Zeitung stand, ob sie dafür bezahlt hätte, ob sie bei Festen ihre Aushilfe zahle und die Steuer bezahle und vieles mehr. Ich weiß, sie steht tagtäglich alleine im Geschäft und das Lokal ist nicht größer als mein Esszimmer und kein Mensch käme auf die Idee dass dort gekocht werden kann. Wir beratschlagen. Ich sage, sie kennt keine Namen, da die Anzeigen anonym sind, also kann sie auch niemandem gegenüber Vermutungen äußern. Aber es sollte niemand wegen anonymer Beschuldigungen belangt werden. Ich greife zum Telefon und rufe die Wirtschaftskammer an. Nach ein paar sehr freundlich geführten Gesprächen werde ich gebeten, einen Rückruf durch einen Juristen abzuwarten.

Die Kampfmutter

Ich bleibe an einem kleinen Wandtischchen vor dem Lokal stehen und rauche eine Zigarette. Neben mir befindet sich leicht nach hinten versetzt in ungefähr 2 Meter Abstand eine schmiedeeiserne schwere geschlossene Tür. Plötzlich springt diese auf und rammt das Tischchen an der linken Seite mit Getöse. Gottseidank stehe ich rechts, sonst hätte ich jetzt ein Loch im Kopf. Eine junge Frau wirft einen Kinderwagen über die eine Stufe des Eingangs, schaut gelangweilt in meine Richtung, wortlos beginnt sie ihrem Kind die Hose zu richten.

Als ich mich vom Schreck erhole sage ich nun doch: „Zum Glück stehe ich auf der anderen Seite!“

Sie: Ja und. Die Tür ist eben aufgegangen!“

Ich: „Sie könnten sich wenigstens entschuldigen!“

Die Kampfmutter: „Entschuldigen Sie sich! Sie hätten mir ja beim Hinausfahren helfen können!“

Da hat es mir gereicht und ich sagte: „Wir hatten alle mal Kinder, auch vor 40 Jahren schon, und konnten damals normal durch eine Türe fahren ohne jemanden zu gefährden.“

Sie: „Der Tisch soll weg, sagen Sie das der Frau im Geschäft!“

Ein kleiner Halbtisch an der Wand, die zum Geschäft gehört. Ich schüttle nur noch den Kopf: Wie bösartig!

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Die Bürokratie

Zum Glück kommt der Anruf des Juristen von der Wirtschaftskammer und es wird vereinbart, dass jemand Fatoucha im Geschäft besucht, um nach einer Lösung zu suchen. Ich kann nun beruhigt Essen gehen. Ich gehe zum Inder, der mich mit menschlicher Wärme belohnt und mir einen Kaffee spendiert. Er bittet mich nach einem Plauscherl über unsere Geschäfte, ob er meine Kärtchen verteilen darf. Sehr nett nach allem bisher.

Beschwingt mache ich mich auf zu einer Integrationsstelle, für die ich mich bereiterklärt habe, Deutschkurse für Flüchtlinge über den Sommer und eventuell, wenn es meine Zeit erlaubt, darüber hinaus zu geben- unentgeltlich, wohlgemerkt. Vorige Woche investierte ich bereits zwei Halbtage, um ein dafür verlangtes Führungszeugnis und eine Versicherungsbestätigung zu bringen. Vom weiteren Halbtag Besprechung will ich nicht reden, den erachte ich ja als sinnvoll. Viele in meinem Bekanntenkreis haben schon den Kopf darüber geschüttelt, dass man sogar, zwar vermindert, aber doch für diese Dokumente auch noch vom Staat zur Kasse gebeten wird und haben gesagt: Sollen halt die oben unterrichten wenn sie es können!

Ich werde sehr freundlich begrüßt, ich bin auch freundlich. Ich übergebe die Dokumente, da heißt es: „Wo hast du den Meldeschein?“ Ich werde gebeten, den Meldeschein auch noch zu scannen und zu schicken. Ich werde grantig. Ich möchte meine Privatadresse und Privatdaten nicht bekanntgeben, was soll das? Ich mache die mentale Notiz, meine Gewerbeberechtigung zu schicken mit meiner Firmenadresse, das muss reichen. Ich finde das, gelinde gesagt, eine Frechheit, so perlustriert zu werden.

Ich rufe im Kanzlerbüro an um bekanntzugeben, dass solche Praktiken sehr abträglich für das Freiwilligenengagement sind. Unbezahlte Helfer werden wie Bittsteller behandelt. Das hat bei aller Freundlichkeit keiner notwendig. Es hilft nicht dabei, Flüchtlinge bei der Integration zu unterstützen und der Gesellschaft hilft es auch nicht, wenn man bedenkt, dass der Staat diese Arbeit nicht bezahlen kann und die Gesellschaft darunter leidet, wenn es Parallelkulturen gibt, die sich nicht einmal verständigen können. Armes Österreich!

Ein weiteres Telefonat und ein Gespräch machen meinen Kopf wieder frei und ich gehe nach Hause und scanne meine Gewerbeberechtigung und übe auch Kritik in gemäßigtem Maß, da die jungen Frauen im Büro ja nichts dafür können. Aber sollte das jetzt an Ausweispapieren von mir nicht reichen nach 33 Jahren Schuldienst, einem amtlichen Unbedenklichkeitsbescheid, einer Firma und sogar dem Zertifikat als Bildungsberaterin, dann kann das Integrationsministerium meine Willigkeit vergessen.

Man darf sich manchmal einfach nicht mehr wundern- das normale Maß geht verloren und  auch die goldene Mitte.