Die Integration und der Nikolaus
„Lasst uns froh und munter sein“, der Nikolausklassiker schlechthin. Und genau so seh ich das. Wenn der Nikolaus kommt, dann ist man froh und munter, weil man ja was bekommt. Und was hat das jetzt mit Integration zu tun? Wenn der Nikolaus nicht kommt, dann nichts. Aber wenn er kommt, dann ganz viel. Natürlich kennen wir alle die Diskussion um Traditionen und Bräuche und wie viel davon zur Integration beiträgt. Oder ob solche Bräuche eher integrationshinderlich sind, weil man ja anderen Kulturen und Traditionen nichts aufzwingen soll. Ich habe da seit Jahren eine ganz praktische Erfahrung gemacht. Jedes Jahr rund um den 6. Dezember verbünde ich mich mit dem Nikolaus von Sei so frei, einer Aktion der Katholischen Männerbewegung. Ich lade ihn zum Deutschkurs ein und bitte ihn von sich zu erzählen und obendrauf gibt es natürlich ein kleines Geschenk, eine Fair-Trade Schokolade.
Die meisten Schülerinnen und Schüler kennen natürlich den Nikolaus, aber zu den wenigsten ist er schon mal gekommen und hat was mitgebracht. Jedes Jahr ist die Freude groß, es wird erzählt, gelacht und gesungen. Und alle sind angetan, noch nie habe ich erlebt, dass sich jemand geärgert oder überfahren gefühlt hat. Im Gegenteil.
Einmal allerdings musste der Nikolaus feststellen, dass er nicht so sattelfest in der Tradition ist und selbst noch dazulernen kann. Bei jedem Besuch wird die erste Strophe „Lasst uns froh und munter sein“ gesungen. Damals war ein afghanisches Mädchen mit ihrer Mutter im Kurs, die erst knapp ein Jahr in Österreich war. Der Nikolaus stellt sich also vor die Tafel und das Mädchen steht auf, stellt sich neben ihn und wartet bis er zu singen beginnt und alle mitsingen. Die Strophe endet, alle lachen und klatschen. Plötzlich sagt das Mädchen: „Lieber Nikolaus, wir müssen auch noch die zweite Strophe singen!“ Der Nikolaus schaut überrascht, runzelt kurz die Stirn, überlegt und beginnt die zweite Strophe zu singen. Das Mädchen singt mit. Alle anderen, ich auch, hören zu, wir können die zweite Strophe nicht. Sie sind fertig, alle klatschen und lachen. Und man kann sehen wie der Nikolaus erleichtert aufatmet. Dann sagt das Mädchen: „Ja, und bitte jetzt noch die dritte Strophe!“ Der Nikolaus schluckt und muss zugeben, dass er sie nicht kann. Das Mädchen schaut ihn groß an und sagt die dritte Strophe auf. Ja und so hat der österreichische Nikolaus vom kleinen afghanischen Mädchen das komplette Nikolauslied gelernt. Das ist Integration, oder?