Bettelnden Menschen ihre Würde lassen – Zweiter Gedanke
von Michael König
Unlängst habe ich beim Gang in einen Supermarkt beobachtet, wie der üblicherweise sehr kundenfreundliche Filialleiter einen still auf den Eingangsstufen seines Geschäftes sitzenden Bettler in harschem Ton angesprochen hat. Der etwa 40-jährige bettelnde Mann hatte vor sich einen Becher stehen. „Du weggehen da, da stell dich auf die Seite“. Die Szene hat mich verstört. Nicht deswegen, weil der Filialleiter diesen Mann ersucht hat, sich nicht auf die Stufen zu seinem Geschäftseingang zu setzen. Ich denke, es ist wichtig und legitim, mit den bettelnden Menschen unserer Gesellschaft Regeln zu vereinbaren, die für ein konfliktfreies Zusammenleben unterstützend sind.
Was mich verstört hat, war vielmehr, mit welcher Selbstverständlichkeit dieser südosteuropäische Staatsbürger mit dem abschätzigen, distanzlosen „Du“ angesprochen wurde. Ich hab das als würdelos empfunden.
Bettlerinnen und Bettlern in unserer Gesellschaft einen würdevollen Platz zu geben, beginnt bei der Haltung, mit der ich ihnen begegne. Bettelnde Menschen spüren es, ob man sie mit einem freundlichen Blick würdigt. Immer mehr Menschen unserer Gesellschaft versuchen in irgendeiner Weise Kontakt zu „ihren“ Bettlern herzustellen, die sie täglich am Weg zur Arbeit treffen. Manchmal ist es nur ein Morgengruß, der menschliche Wärme ausstrahlt und gut tut. Das gibt diesen Notreisenden das Gefühl, nicht völlig kontaktisoliert am Rande sondern doch innerhalb unserer Gesellschaft leben zu können, wenn schon nicht als willkommene, dann zumindest als akzeptierte europäische Mitbürgerinnen und Mitbürger.
Die Würde bettelnder Menschen ist unantastbar – Erster Gedanke