Alte Schachtel oder Goldengirl?
von Sonja Schiff
Noch genau ein Monat, dann bin ich 50 und meine eigene Zielgruppe, denn auf meinem Briefpapier steht ich betreibe ein „50plus-Kompetenzzentrum“. Je näher ich dem magischen Datum komme, desto peinlicher ist mir dieser Begriff. Ich erinnere mich noch an meinen Zorn, als ich aus einem Online-Forum mit dem Namen „Silver-Ager“ geworfen wurde, weil ich stolz verkündetet bald 50plus- Marketing betreiben zu wollen. Die meinten doch glatt, das wäre totaler Blödsinn und eine Frechheit! Was war ich erbost über so viel Unverständnis.
Wie kam ich damals, vor 13 Jahren, nur auf diese Bezeichnung? War es jugendlicher Übereifer, jugendliche Klugscheißerei oder Überheblichkeit? Oder war es Hilflosigkeit, weil beim Thema Alter einfach unsere Sprache versagt und es kaum positive Assoziationen gibt?
Im Moment überlege ich an meinem 50. Geburtstag einen Blog zu starten und als älterwerdende Frau aus meinem Leben und meiner Arbeit zu berichten. Eine Gerontologin, die das Älterwerden beruflich und persönlich reflektiert. Oder so ähnlich. Für dieses eventuelle Projekt suche ich jetzt einen Namen. Frau braucht ja dazu eine Domain. Tja, und da ist sie wieder die Namenssuche. Genauso verzwickt wie damals, als dieses peinliche „50-plus-Kompetenzzentrum“ entstand.
Wo immer ich hinsehe, was immer ich lese, wen immer ich frage – zum Thema Alter gibt’s vor allem negative Zuschreibungen. Die Demographen meinen wir wären „überaltert“, die Politik hat Angst vor der „Rentnerlawine“ und der „Altenlast“, die Boulevardmedien rufen „Hilfe, wir vergreisen!“ und die Jungen nennen den Seniorentarif netterweise „Runzelrabatt“. Ein älterer Mann wird als „alter Sack“ und „alter Knacker“ tituliert oder, wenn es netter ausfallen soll, als „Gruftie“. Die ältere Frau ist eine „alte Schachtel“, eine „alte Tschäse“ oder ein „altes Haus“ und mehrere Exemplare davon verbreiten „Altweibergeschwätz“. Treten ältere Frauen und Männer in der Gruppe auf sind sie ein „Krampfadergeschwader“ und Teil der „Generation Kukident“. Zum Begriff „kinderleicht“ hat sich längst der Begriff „omaleicht“ oder „greiseneinfach“ gesellt. Meine Lebensversicherung hat mir kürzlich meine „Restlebenserwartung“ vorgerechnet und ab dem 60. Lebensjahr gehört man ohnehin zu den „pflegenahen Jahrgängen“. Schöne Aussichten!
Sprachliche Altersdiskriminierung ist Alltag. Positive Begriffe in Zusammenhang mit Alter(n) haben Seltenheitswert und sind oft matte (aber wichtige!) Versuche die sprachliche Altersdiskriminierung zu überwinden, dazu gehören Begriffe wie „50plus“, „Altenkompetenz“, „Seniorenexpertin“ und Umschreibungen wie „Spätlese“. Vor ein paar Tagen fand ich eine Homepage mit dem Titel „Advanced Style“, es ging um modebewusste ältere und alte Frauen.
Zurück zu meiner Namenssuche für die Domain meines geplanten Blogs: Im Rennen liegen zurzeit „spätlese“, „alteschachtel“ oder „goldengirl“. Mit keinem Begriff bin ich allerdings wirklich glücklich! Wer immer die „goldene Idee“ für einen Domain-Namen hat, bitte dringend melden! Ich gebe dann auch einen SeniorInnenteller aus!
Sonja Schiff, MA ist Gerontologin und Altenpflegeexpertin. Sie berät Firmen und Pflegeeinrichtungen, hält Pensionsvorbereitungsseminare und bildet Wechseljahreberaterinnen aus.
http://www.careconsulting.at und http://www.wechselrat.at
siehe auch: http://zartbitter.co.at/gesellschaftspolitik/der-traum-von-der-ewigen-jugend/