von Dr. Muhran Muhran
Nach der Erklärung der Islamischen Republik Iran 1979, gab es viele islamisch politische Bewegungen, die sich in der Folge zu zahlreichen, unter anderem aggressiven, fanatischen, radikalen und terroristischen Parteien entwickelten. Innerhalb der letzten drei Jahrzehnte breiteten sie sich weitgehend aus, verwendeten Waffengewalt und brutale Morde, um lokale und regionale Kriege hervorzurufen, alles unterstützt durch völlig nicht-islamische Transparente und verfälschte Sprüche. Schlussendlich schlossen sich diese Kämpfer zu armeeähnlichen Truppen zusammen, unter denen der IS und Al Kaida zu den Bekanntesten zählen. Durch die Aktivitäten dieser Islamistischen Politischen Parteien (IPP) wurde das Prestige der tatsächlichen islamischen Religion zutiefst zerstört, falsche Ansichten, schlechte Eindrücke und eine sehr negative Einstellung gegenüber der islamischen Religion sind die Folge. Heutzutage scheint das Wort „Islam“ schon ein Synonym für Terror und brutales Töten zu sein, vor allem seit dem 11. September.

Klarstellung der islamischen Geistlichen notwendig

Achtlos ihrer veröffentlichten Politik, ihrer Popularität, ihrer militärischen Macht und der religiösen Titel ihrer Führer, sind die IPP nichts als Organisationen, die aus grausamen Terroristen bestehen, aus extremen Fanatikern, aus Aktivisten mit ausländisch motivierten Absichten, aus Kriegskämpfern und korrupten Geschäftsleuten.

Man könnte die IPP als militarisierte, terroristische Institutionen beschreiben, die weder politische, noch religiöse Programme vorweisen können. Es ist notwendig, dass die islamische Geistlichkeit den Unterschied zwischen Islam als Religion und Islam als politische Partei klarstellt, sodass die islamische Religion und ihr heiliges Buch Koran von dem negativen Verhalten und den schlechten Taten des politischen Islams unterschieden werden kann. Wir sind davon überzeugt, dass es unter keinen Umständen auch nur die geringsten Zusammenhang zwischen der Demokratie und der Agenda der islamisch politischen Institutionen gibt, weswegen wir sie hier völlig ignorieren.

Fünf Unterschiede zwischen Demokratie und Islam

Dennoch ist das Zusammenspiel zwischen der Demokratie und dem Islam – der himmlischen, monotheistischen Religion – möglich, solange ihre Konzepte direkt mit dem Interesse der Menschen verbunden sind, trotz der Unterschiede in den folgenden Punkten:
1.       Die Demokratie ist ein von menschlicher Gesellschaft erschaffenes Projekt und wurde in allen Sprachen für alle Menschen festgelegt. Der Islam ist ein aus dem Himmel stammendes Projekt Gottes, welches durch den Koran nur eine kleine Anzahl an Menschen erreicht, da dieser in der arabischen Sprache verfasst wurde und jegliche Übersetzung strengstens verboten ist.

2.       Die Demokratie erkennt die permanente Evolution der menschlichen Gesellschaft an, wohingegen sich der Islam jeder Entwicklung, die von denen im Koran festgelegten Lehren Gottes abweicht, entzieht.

3.       Die Demokratie richtet sich nach den Interessen der Menschen auf der Erde, wohingegen sich der Islam hauptsächlich mit dem Leben nach dem Tod beschäftigt.

4.       Die Demokratie wurde als politisches Instrument erschaffen, um die Gesellschaft zu leiten und erlangte später neue humanitäre, fundamentale Konzepte, wie zum Beispiel soziale Gerechtigkeit, Gleichberechtigung der Geschlechter, die Anerkennung der Meinungs- und Glaubensfreiheit, das Menschenrecht einen Lebenspartner zu wählen – gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingeschlossen –, die Abschaffung der Rassendiskriminierung und schlussendlich auch die Abschaffung der Todesstrafe innerhalb der EU Staaten. Der Islam hingegen bleibt bei den Lehren Gottes, welche vor 14 Jahrhunderten formuliert wurden, dies bedeutet keinen Fortschritt, keine gesellschaftliche Evolution.

5.       Der Gemeinschaftsgedanke entwickelt sich kontinuierlich weiter, die Demokratie bewegt sich ständig vorwärts. Der Islam befindet sich bis heute in einer stillstehenden Lage.

Die Notwendigkeit und Hoffnung auf eine islamische Reformation

Aufgrund der fünf zuvor erwähnten Punkte, wird der Spalt zwischen Demokratie und Islam von Generation zu Generation immer größer. Ein Überwinden dieser Situation benötigt muslimische Reformatoren. Es benötigt die weltweiten Demokraten, die islamischen Geistlichen, die friedlichen Männer und Frauen moderater islamischer Parteien und islamischer akademischer Institutionen, welche ihr Potenzial zusammenschließen müssen und nur gemeinsam einen Kampf gegen diesen „islamischen Terror“ und die gleichzeitige Islamophobie gewinnen können. Sie sollten gegen die staatsfeindliche, destruktive und radikal religiöse Ideologie vorgehen, um Frieden für alle Menschen auf dem Planet Erde garantieren zu können. Dann ist vieles möglich.

anja

Jeder und jede soll nach ihrer Facon glücklich werden ohne Zwang durch Politik, Religion oder Tradition

Wieder einmal eine Burka/Niquab/Tschador/Kopftuch – Diskussion. Ein Thema, das wahrlich jedes Sommerloch füllt. Lange habe ich überlegt, ob ich da jetzt auch noch unbedingt meinen Senf dazugeben soll. In dieser Sache ist eh schon alles gesagt. Denn neu ist die Diskussion nicht, es wiederholt sich. Aber irgendwie kann ich nicht anders. Darum meine ganz persönliche Sicht der Dinge:

Mir ist es grundsätzlich völlig egal, wer sich wie anzieht. Ich mag Menschen, die nicht unbedingt einem modischen Mainstream folgen oder aber einen modischen Spleen haben. Ein lieber Freund mag furchtbar gerne Westernstiefel, ich trage Jahr und Tag meine Armreifen und eine gute Freundin zieht seit Jahren am liebsten pinke Kleidung an. Darum habe ich auch kein Problem mit traditioneller Kleidung, auch mit religiöser traditioneller Kleidung. Wer es mag bitte anziehen.

Das könnte jetzt mein Statement dazu gewesen sein. Ist es aber nicht, weil der Stoff auch ein politischer ist im Gegensatz zu Westernstiefel und Armreifen. Pink taugte auch für eine politische Diskussion.

Den Schleier ablegen

Aber hier geht es um den Stoff, den sich muslimische Frauen um den Kopf hüllen. In unzähligen Varianten, mal einfach, mal völlig dekorativ. Was ich nicht akzeptabel finde sind alle Formen, die das Gesicht verhüllen, das ist für mich eine Entmenschlichung, das brauche ich nicht. Also Burka geht für mich gar nicht. Die wenigen Frauen, die ich persönlich kannte, die voll verschleiert waren, kamen aus Afghanistan und  besuchten unsere Deutschkurse im Verein VIELE, das ist jetzt auch schon gut 10 Jahre her. Und diese Frauen atmeten jedes Mal auf, wenn sie unsere Räumlichkeiten betraten, denn da konnten sie die Verschleierung ablegen, es waren ja nur Frauen bei uns im Verein. Keine hat mir jemals gesagt, dass sie diese Verschleierung mit Freude trägt.

Die Kopftuchmode ändert sich

Die Kopftücher meiner Schülerinnen wandelten sich auch innerhalb der 20 Jahre, 1993-2013, in denen ich unterrichtete. Waren es anfangs meist Frauen, die ihre Kopftücher mit einem Knoten unter dem Kinn banden, hatte ich zum Schluss viele Schülerinnen, die die Variante mit dem Dutt am Hinterkopf und dem Tuch unter dem Tuch wählten. Vor 20 Jahren war es gar nicht schlimm, wenn ein paar Haare rauslugten, jetzt ist es sehr streng. Und es tragen auch mehr Frauen Kopftuch als früher, das ist mein Empfinden. Die meisten von ihnen freiwillig. Von manchen weiß ich, dass sie es gegen den Wunsch der Eltern oder auch Ehemänner tragen. Auch eine Form der Willensbildung.

Der Zwang zum Kopftuch

Aber es gibt ebenso Mädchen und Frauen, die es tragen müssen. Die ohne Bedeckung nicht raus dürfen. Und das mitten in Österreich. Beschämend ist das. Diese Frauen fühlen sich oft alleine gelassen. Uns Bio-Österreicher kümmert es nicht besonders und in den eigenen Communities finden sie wenig bis keine Unterstützung, wenn sie mit unverhülltem Kopf leben möchten. Während wir ständig darüber diskutieren, ob eine muslimische Frau eh überall ihren Kopf bedecken darf, vergessen wir auf jene, die das nicht möchten, aber müssen. Da wünsche ich mir einen stärkeren Schulterschluss in der Politik, den Glaubensgemeinschaften, den NGOs und den Communities.

Für oder gegen das Kopftuch?

Aber was ich mir am allermeisten wünsche ist, dass endlich Schluss ist mit der jahrzehntelangen Diskussion. Rund um Burka, Kopftuch oder Haar pur. Das bringt uns im Zusammenleben nicht unbedingt weiter, sondern trägt immer wieder dazu bei, dass wir vor lauter Kopftuchdiskussion übersehen was die meisten von uns, ob ohne oder mit Kopftuch gemeinsam haben:

Jeder und jede soll nach der eigenen Facon glücklich werden

ohne Zwang durch Politik, Religion oder Tradition

Letzte Woche war ich in Kärnten in einer wunderbaren kleinen Kirche. Sternberg heißt sie, sie liegt ganz malerisch auf einem kleinen Berg und man hat einen wunderbaren Rundumblick. In der Vorhalle der Kirche haben mich dann Gedanken an den Krieg eingeholt. Viele Grabtafeln dort sind Erinnerungen an die gefallenen Soldaten der beiden Weltkriege. Gefallen in Russland, Griechenland oder Frankreich.

Da ist die Rede von Heimat und fremder Erde. Von der Liebe zur Heimat und vom Wiedersehen im Himmel. Vom Schuss in die Brust, vom Heldentod und vom vergossenen Blut. Auf manchen Tafeln trösten sich die Hinterbliebenen damit, dass es sinnvoll ist für die Heimat zu sterben, natürlich als Held. Und heut wird immer noch gestorben. Natürlich auch der Heldentod, in Syrien und anderen islamischen Ländern heißt das Märtyrertod. Denn kein Krieg ohne Tote. Kein Krieg ohne Mütter, Väter, Brüder, Schwestern, Ehefrauen, Ehemänner und Söhne und Töchter, deren Herzen schwer sind vor Trauer. Was schreiben die Menschen in Syrien zur Erinnerung? Die Trauer ist sicher die gleiche, die Worte ähnlich.

Ich weiß für mich, wenn ich die Tafeln lese: Krieg ist sinnlos!

Aber lest selbst, was darauf steht:

 

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Heute werden die Olympischen Spiele in Rio eröffnet. Im Maracana Stadion wird Samba getanzt. Die Fotograf/innen freuen sich über typische Rio-Bilder und Sport-Journalisten/innen schreiben von einer großen Feier. Die Realität schaut freilich anders aus. Im dritten Teil dieser Olympia-Serie soll ein Blick auf das heutige Brasilien abseits der Klischees gerichtet werden: Landlose, Indios, Schwarze, Schwule, Menschenrechtsaktivist/innen. Die „Spiele der Exklusion“ nähren sich aus der politischen (Un)Kultur eines Landes, das einen Großteil seiner Bevölkerung ausschließt.

Für Olympia wurden rund 80.000 Menschen vertrieben. Ihre Armensiedlungen standen im Weg. Jetzt entstehen dort Luxuswohnungen. Armut wird in Rio gleichgesetzt mit Kriminalität. Und nicht die Armut, sondern die Armen werden bekämpft: Jeden Tag stirbt in Rio mindestens ein Mensch durch Polizeigewalt. 80% der Opfer sind jung, schwarz und männlich. 2014 sind in Brasilien über 58.000 Menschen ermordet worden. Für 15% der Tötungen ist die Polizei verantwortlich.

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Eingang der Ehrentribüne des Maracana Stadions, in dem die Olympia-Eröffnung stattfindet. Gleich dahinter die Favela Morro da Mangueira. Bei der WM 2014 war durch die Nähe zum Stadion ihre Gesundheitsstation in der Sperrzone.

Fast täglich wird in Brasilien ein Mensch wegen seiner sexuellen Orientierung ermordet, berichtet die evangelische Kirche in Deutschland. 330 Schwule, Lesben und Transvestiten wurden allein 2013 durch homophobe Gewalt getötet. Die brasilianische Verfassung verurteilt zwar jede Form von Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung, und Homosexuelle können eine eheähnliche Gemeinschaft eingehen. In der Praxis werden Schwule und Lesben jedoch verfolgt, sind Opfer von Polizei-Willkür und werden grundlos in Haft genommen. In manchen Landesteilen haben es Todesschwadronen auf Schwulen und Lesben abgesehen.

Die CPT (Landpastoral der brasilianischen Bischofkonferenz) spricht von 2015 als einem „schwarzen Jahr“: 50 Bauern und Menschenrechtsaktivist/innen sind ermordet worden. Im Kampf um ihre Rechte auf Land. Das ist die höchste Zahl in den letzten 10 Jahren. Die Agroindustrie, der Bergbau und die illegale Abholzung des Regenwaldes hinterlassen blutgetränkte Erde. 135 Wasserkonflikte (z.B. durch den Bau von Staudämmen) im Jahr 2015 ist die höchste Anzahl seit aufgezeichnet wird. Insgesamt waren in Brasilien über 800.000 Menschen auf mehr als 21 Mio. Hektar Land betroffen. Das ist eine Fläche zweieinhalb Mal so groß wie Österreich.

70 Indigene wurden 2015 ermordet. Das ist um ein Fünftel mehr als im Vorjahr, berichtet CIMI (Rat der brasilianischen Bischofskonferenz für die indigenen Völker). Hunderte wurden in den letzten Jahren getötet, hunderte begingen aus Verzweiflung Selbstmord. Bischof Erwin Kräutler, langjähriger CIMI-Präsident, Träger des alternativen Nobelpreises und Kritiker von Megasport-Events spricht von Genozid. Und auch davon, jetzt mutig die Kirche und die Welt zu verändern. Damit sie überlebensfähig bleibt. Für alle.

 

Brasilien, Russland, China, Südafrika. Die Gruppe der führenden Schwellenländer sind inzwischen die wichtigsten Austragungsorte von Mega-Sportevents. Man erhoffte sich wirtschaftlichen Schwung, Tourismuseinnahmen und eine Imagekorrektur in der Weltöffentlichkeit. Stattdessen manövrierten sich die Länder in tiefe Krisen, die Wirtschaft, Politik und Soziales immer stärker erfassen.

Sandburg

Mitte April hatte Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff nicht einmal mehr ein Drittel der Stimmen im Abgeordnetenhaus hinter sich. In einem kalten Putsch hat die konservative und extremistische Mehrheit im Parlament die Stimmung im Land ausgenützt. Was 2013 mit Demos beim Confederations Cup, dem Probetournier für die Fußball WM begonnen hatte, erreicht nun mit der Amtsenthebung einen einstweiligen Höhepunkt. Die neuen Machthaber hoffen nun, die Korruptionsermittlungen im Sand verlaufen lassen zu können. Aus Eigeninteresse. Immerhin wird gegen 60 Prozent der Kongressmitglieder ein Verfahren wegen Korruption, Stimmenkauf, Entführung oder Mord ermittelt. Wie konnte es dazu kommen? Sport sei ja nicht politisch, hören wir immer wieder von internationalen Spitzenfunktionären diverser Sportverbände.
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Entgegen den Erwartungen ihres Vorgängers Luiz Inácio Lula da Silva, unter dem sich Brasilien für WM und Olympiade beworben hatte, steckt die Wirtschaft in der tiefsten Krise seit Jahrzehnten. Die Inflation liegt trotz eines Leitzines von über 14 Prozent bei mehr als 10 Prozent und die Wirtschaftsleistung ist 2015 um rund 4 Prozent geschrumpft. Auch wenn die Gründe der politischen und wirtschaftlichen Krise vielfältig sind, ist eines auffällig und verbindet Brasilien mit anderen Austragungsländern: Für Mega-Sportevents werden Milliardenbeträge ausgegeben. Auch wenn man es sich eigentlich nicht leisten kann. Denn gleichzeitig liegen die Menschen in den Krankenhäusern auf den Gängen, werden oft gar nicht mehr aufgenommen, Schulen werden kaputtgespart, der Verkehr und damit auch das öffentliche Transportwesen kollabiert und Sozialleistungen werden– sofern überhaupt existent – gekürzt. Diese Bereitschaft für Spiele Geld ohne Ende zu investieren ist auch den internationalen Sportverbänden nicht verborgen geblieben. Es ist daher nicht überraschend, dass zum überwiegenden Teil Schwellenländer mit kaum ausgeprägten zivilen Kontrollmechanismen den Zuschlag erhalten haben. Die betroffenen Regierungen und die Sportverbände verbindet auch eine gemeinsame Arbeitskultur, die sich durch Korruption, autoritäre Strukturen, das Ignorieren von sozialen Folgen und dem Desinteresse um eine volkswirtschaftliche Vollkostenrechnung auszeichnet. In der folgenden Tabelle sind die Austragungsländer bzw. Städte der Olympischen Spiele sowie der Fußball WM der Jahre 2008 bis 2022 aufgelistet:
Sommer Olympia        Winter Olympia           Fußball WM
2008 Peking                      2010 Vancouver                2010 Südafrika
2012 London                     2014 Sotschi                      2014 Brasilien
2016 Rio de Janeiro         2018 Pyeongchang           2018 Russland
2020 Tokio                        2022 Peking                      2022 Katar

Es zeigt sich bei den internationalen Sportevents Olympia und Fußball WM klar: Demokratien als Ausrichter sind eine verschwindende Minderheit. Von 12 Ländern bzw. Städten sind mit London, Tokio und dem kanadischen Vancouver gerade mal drei Spielstätten in Demokratien beheimatet. Was auf den ersten Blick vielleicht überrascht, ist auf den zweiten Blick eine Konsequenz funktionierender Demokratie: Die Korruptionsskandale um die FIFA oder das Internationale Olympische Komitee sind durch Aufdeckungen wie jene der Panama Papers oder Ermittlungen des US-Justizministeriums ans Tageslicht gekommen. Selbst das lange für sauber gehaltene WM-Märchen 2006 in Deutschland versinkt inzwischen im Korruptionssumpf. In der öffentlichen Meinung stehen Mega-Sportevents spätestens seither für Geldverschwendung, Korruption und kriminelle Machenschaften.

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Wird in demokratischen Ländern die Bevölkerung gefragt, entscheidet sie sich gegen Olympia. Wie zuletzt in München, Hamburg, Stockholm, St. Moritz oder Oslo und zuvor auch in der Stadt Salzburg. In den autoritären Regimen von Schwellenländern wird diese Entscheidung über die Köpfe der Menschen hinweg von einer kleinen politischen Elite getroffen. In der nachstehenden Tabelle werden die ausrichtenden Länder nach dem Grad der Demokratie und dem Korruptionsausmaß benotet:

Sommer OympiaDemo- kratieKorrup- tionWinter OlympiaDemo- kratieKorrup- tionFußball

WM

Demo- kratieKorrup- tion
China14483Kanada79Südafrika2961
UK1610Russland132119Brasilien4476
Brasilien4476Südkorea2137Russland132119
Japan2018China14483Katar13622
Demokratieindex 2014 von The Economist bzw. Wikipedia (Liste von 167 Ländern:

Platzierung von 1 (ausgeprägte Demokratie) bis 167 (Diktatur)

Korruptionsindex 2015 von Transparency International (Liste von 167 Ländern):

Platzierung von 1 (wenig Korruption) bis 167 (viel Korruption)

Würden neben den Austragungsländern auch Sportverbände wie die FIFA oder das IOC in Hinblick auf Demokratie und Korruption durchgecheckt, wäre ein noch deutlich schlechteres Ergebnis zu erwarten. Wenig angebracht ist es als Europäer/in mit dem Finger auf andere Weltregionen zu zeigen. Das IOC und die FIFA haben nämlich ihre Sitze in der Schweiz.
„Sport hat das Potenzial die Welt zu verändern“, schreibt die Mandelas Biografin Evelyn Beatrice Hall. Dem muss man wohl ein „Ja, aber“ hinzufügen: Sport schafft das dann, wenn die aktuelle Debatte den Blick auf soziale, Umwelt und gesamtgesellschaftliche Fragen lenkt und autoritäre und korrupte Strukturen aufgebrochen werden.

Sportliche Wettkämpfe stehen für Fairness, klare Regeln und einen freundschaftlichen Umgang der Wettbewerbsteilnehmer/innen. So weit so schön. Alles heile Welt? Finanzdesaster, Korruption und Ausbeutung lassen daran zweifeln. Mit diesem Beitrag beginnt zu Rio 2016 und den olympischen Spielen eine Zartbitter-Serie unter dem Titel „schneller, höher, ärmer“

Rio

Rio musste Mitte Juni den Finanznotstand erklären. Bereits vor Beginn der Sommerspiele. Bisher kam der Kater meist nachher. Auf die Spiele in London 2012 reagierte die britische Regierung mit Kürzungen beim Sportunterricht in Schulen und im Breitensport. Die Uni Oxford hat berechnet, dass die Kosten bei Olympia durchschnittlich um das 2 ½ Fache überschritten werden. Wenige profitieren, die Rechnung zahlen die Steuerzahler/innen. Korruption, die Zwangsumsiedlung von Tausenden in Brasilien und zu befürchtende 4.000 tote Bauarbeiter in Katar machen deutlich: Transparenz und Menschenrechte zählen bei Megasport-Events nicht.

Zurück zum menschlichen Maß

Ein erstes Umdenken beginnt. Künftig werden die EM-Spiele auf mehrere europäische Länder aufgeteilt. Das kann ein Weg in die richtige Richtung sein. Kein Megaevent an einem Ort, sondern geteilte Kosten, Pflichten, Ehre und Nutzen. Für besonders geltungsbedürftige Herrscher autoritärer Regime wie Russlands Präsident Putin (Fußball WM 2018) oder die Scheichs aus Katar (WM 2022) wird das jedoch nicht ausreichen. Es braucht finanzielle Obergrenzen. Auch zum Schutz der Bevölkerung der Austragungsländer vor diesen Autokraten. Und es braucht eine zweifache „olympische Charta“: Alle Austragungskandidaten verpflichten sich zur Einhaltung der Menschenrechte und definierter Nachhaltigkeitskriterien. Es ist müßig wenn Spitzenfunktionäre in Sonntagsreden die olympischen Spiele 1994 in Lillehammer als letzte Spiele „mit menschlichem Maß“ loben, mit ihrem Handeln jedoch diese olympische Idee immer wieder ins Gegenteil verkehren. Höher und weiter, zugunsten weniger (Sportfunktionäre und bevorzugten Großunternehmen) und auf Kosten vieler, entspricht dem Geist einer entkoppelten Sport- oder Finanzwirtschaft, widerspricht aber dem Gemeinwohl. Der Widerstand gegen Megasportevents dieser Art nimmt Fahrt auf. In Austragungsländern genauso wie in Österreich. Initiativen wie nossojogo.at oder menschrechte-sind-olympisch.at stehen dafür Pate. Solche zivilgesellschaftlichen Initiativen dauern. Sie benötigen Geduld und Ausdauer. Aber sie geben die Richtung vor und könnten letztlich die olympische Idee mit dem menschlichen Maß versöhnen.