Es geht schon sehr hektisch zu in unserer Welt. Auf Schritt und Tritt begegnen wir Werbebotschaften. Sie schreien uns an ein fulminantes Produkt zu kaufen, das uns sicher glücklich macht. Das Handy garantiert dauernde Erreichbarkeit. In Facebook und Twitter erreichen uns im Sekundentakt Botschaften. Fernsehen und Zeitungen künden von Sensationen, die eigentlich keine sind, nur um nicht unterzugehen im Strom der Nachrichten.

Aber es gibt Orte, die uns einladen inne zu halten. Orte, die eigentlich nichts Neues und Sensationelles verkünden. Orte, an denen der Konsum noch keinen Eintritt bekommt, Nachrichten draußen bleiben.

Meine stillen Orte sind Kirchen.kerze

Ich öffne die schwere Kirchentür und sofort breitet sich Ruhe aus. Mein bevorzugter Platz ist bei den Kerzen. Ich zünde eine Kerze an, stelle sie zu den anderen, setze mich und halte Andacht. Andacht kommt von „denken“. Das Schöne an der Andacht vor den brennenden Kerzen ist das Denken an NICHTS. Manchmal dauert das Innehalten nur wenige Minuten, oft bleibe ich länger sitzen.

Weil es einfach schön ist, nichts zu tun und nichts zu denken.

Erstaunlich. Das hätte ich mir nicht erwartet. Denn dies hat es seit fast 800 Jahren nicht mehr gegeben: Ein Papst tritt zurück. Noch dazu am Rosenmontag. Da überlegt man zuerst, ob das nicht doch ein Faschingsscherz ist. Kirchenrechtlich ist das einwandfrei. Das Oberhaupt der Katholischen Kirche kann selbst auf das Amt verzichten. In der Begründung bezieht sich Papst Benedikt auf die stark nachlassenden geistigen und körperlichen Kräfte. Die sich rasant verändernde Welt dürfte sich für den fast 86-jährigen doch zu schnell zu drehen.

Das ist beachtlich. Denn gerne unterstellt man der Katholischen Kirche, allein auf Machterhalt aus zu sein. Diese Entscheidung zeigt, dass es dem Papst nicht um eigenen Machterhalt geht. Er setzt ein Zeichen, dass es ihm wirklich um die Zukunft der Kirche geht. Er kündigt auch an, dass er sich nicht in die Wahl seines Nachfolgers einmischt. Das macht er dann hoffentlich auch nicht.

Interessant sind auch die Auswirkungen dieses Amtsverzichts am 28. Februar auf die die Kirche in Österreich. In den Diözesen Graz (Steiermark), Feldkirch (Vorarlberg) und Salzburg stehen dringendst die Bischofsnachbesetzungen an. In Feldkirch zum Beispiel ist seit 2011 kein Bischofsnachfolger bestellt. Administrator Benno Elbs macht zwar seine Sache hervorragend, aber wenn die Katholische Kirche möchte, dass das Bischofsamt ernst genommen wird, dann müssen auch personelle Entscheidungen getroffen werden. Da darf nicht so lange gewartet werden. Meine Vermutung ist, dass es in Salzburg noch vor dem 28. Februar einen neuen Bischof geben wird. Papst Benedikt kennt die Kirche in Österreich aus nächster Nähe. Und das nicht nur weil er in Bad Hofgastein jahrelang seinen Urlaub verbrachte. Auf diese Bischofsentscheidungen wird er nicht verzichten.

Ich hoffe, dass es zukunftsweisende und reformfreudige Personen sind, die darauf ausgerichtet sind, was die Menschen hier brauchen und dem entspricht, was der Papst in seiner 2. Enzyklika Spes salvi formuliert hat. Darin betont er, dass sich Christen nie nur fragen sollten: „Wie kann ich mich selber retten? Sondern auch: Wie kann ich dienen, damit andere gerettet werden und dass anderen der Stern der Hoffnung aufgeht? “

Diese Tulpenknolle pflanzte ich am 25. November in die Erde unseres Gartens. Im Grunde zu spät, da dies bis zum Oktober geschehen sollte, damit im Frühjahr eine prächtige Blume erblühen kann. Aber mal sehen, was geschieht. Die Kraft der Natur hat mich schon öfters überrascht.
Diese Tulpenknolle bekam ich geschenkt von Sr. Ishpriya, einer englischen Ordensschwester, die lange Zeit in Indien lebte und jetzt in Österreich wohnt. Wir sprachen damals über die Schlagzeile des Tages: Dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern. Was hat das alles zu bedeuten? Warum nimmt das kein Ende? Warum können anscheinend nur Mauern und Bomben schützen? Was geschieht, wenn es einen Dominoeffekt der Gewalt gibt? Das ist doch völlig absurd. Faktum ist, dass hier politische Versuche der Einigung immer wieder scheitern und Religionen nicht zur Lösung beitragen, sondern durch die Besitzansprüche auf das „heilige Land“ die Konflikte verfestigen und somit verschärfen.

Der Konflikt steht für mich stellvertretend für die unzähligen Kriege, die weltweit geführt werden. Anja hat am 26. Februar darauf hingewiesen, dass es 2011 insgesamt 20 kriegerische Konflikte gegeben hat. Machen wir uns nichts vor. Wir sind Teil dieser Konflikte, sie beginnen in uns. Das heißt in mir selbst. Im Missverstehen, in der täglichen Gewalt und in der Gier des mehr haben Wollens. Das möchte ich KRIEGen. Aber worin gründet das Ganze? Ich vermute in der Angst. Der Mensch ist geplagt von zahllosen Ängsten. Diese verwurzeln im Abgrund der Nichtexistenz.
Ich werde sterben. Ich weiß zwar nicht wann, aber irgendwann sicher. Dieses Bewusstsein schafft mir unglaublichen Freiraum und nimmt mir meine Lebensängste. In der Erkenntnis, dass ich sterben werde, liegt meine – so paradox das klingen mag – Lebensfreude. Jede gelungene Grenzüberschreitung hin zum Anderen, zum Unbekannten und zum Fremden bereitet mir Freude. Aber auch im Aufweichen ideologischen Lagerdenkens, im Aufbrechen verkrusteter Traditionen und natürlich im Eingeständnis, dass ich auch falsch liegen kann, fühle ich mich heimisch.
Ich sehne mich danach, dass sie wächst. Diese einzigartige Blume möge sich im Jahr 2013 den Weg durch die Schichten von Hass, Gewalt und der Angst bahnen. Ich bin voller Hoffnung, da das Potential des Lebens in ihr und in uns Menschen angelegt ist.

Hermann (Mitte) und Peter „erarbeiten“ sich Gespräch in Kirchberg bei Kitzbühel

Das Experiment „Wanderapostel“ startete in Hopfgarten bei Kitzbühel im Tiroler Unterland. Mittags bei strömenden Regen gingen wir los. Ohne Geld, Verpflegung, nicht wissend, wo wir schlafen würden. Es gab kein geographisches Ziel, wohl aber ein inhaltliches. Auftrag war es, aufmerksam zu machen für die Aktionswoche „Offener Himmel“ der Erzdiözese Salzburg einerseits, andererseits mit Menschen direkt ins Gespräch zu kommen über Lebens- und Glaubensfragen. Wir ließen uns führen von der Intuition. Wir läuteten an den Häusern und stellten uns als Wanderapostel vor. Die Reaktion der Menschen war sehr unterschiedlich: Von totaler Ablehnung, über „darüber wollen wir euch ein andermal hören“ bis hin zu echtem Interesse. Viele Menschen waren dankbar, einmal ihre Meinung zur Kirche loszuwerden. Dabei kam vieles zur Sprache: Der Pflichtzölibat (Verpflichtung zu Ehelosigkeit und sexueller Enthaltsamkeit) für Priester solle aufgehoben werden. Der Kirchenbeitrag (1% des Bruttoeinkommens in Österreich) sei zu hoch. Die junge Generation interessiere sich nicht mehr für Religion und Kirche. Ein großes Ärgernis sind die Missbrauchsfälle, die in der Kirche stattgefunden haben. Manchmal fühlten wir uns wie Mülleimer für Abfall, den wir nicht produziert haben.

Wir hörten auch viele Sorgen: Wie wird der Kirchenbesuch in 20 Jahren aussehen? Sind die Kirchen dann leer? Sollte Friedrich Nietzsche Recht behalten wie im bekannten Aphorismus 125 in seiner „Fröhlichen Wissenschaft“? „Was sind denn diese Kirchen noch, wenn sie nicht die Gräber und die Grabmäler Gottes sind?“ Die Menschen machen sich Sorgen um die Umwelt. Wird ihre schöne Tiroler Landschaft schon in naher Zukunft unwiederbringlich zerstört sein? Welche Welt hinterlassen wir unseren Kindern?

Uns wurden auch Einblicke in soziale Härtefälle gewährt, aus denen es sehr schwer ist, sich zu entziehen. Wo man gleich helfen möchte, aber merkt, dass die Verstrickungen und Abhängigkeiten so groß sind, dass es hier keine einfachen Lösungen gibt. Da war ich auch froh, dass es kirchliche Stellen gibt, die Auffangnetze und konkrete Hilfe anbieten.

Wir führten auch Glaubensgespräche. Viele Menschen glauben an Gott, oder an eine letzte Wirklichkeit, möchten aber mit Kirche nichts oder nur wenig zu tun haben. Andere wünschen sich eine stärkere Kirche, die sich wirklich auf die Lebensfragen der Menschen einlässt.

Die Aktion „Offener Himmel“ mit ihren zahlreichen Veranstaltungen mit zum Teil experimentellem Charakter fand bei den Menschen Anklang. Hier wird eine Kirche sichtbar, die auf die Menschen zugeht, offen ist für neue Formen und die sich an andere Religionen annähert. Eine Kirche, die das Verbindende sucht. In diesem Klima wurden wir Wanderapostel voll respektiert. Wir spürten die Gastfreundschaft der Tiroler und fanden für jede Nacht ohne Probleme eine Bleibe. Für die Tage brauchten wir keinen Cent.

Das Projekt ist gelungen. Du hast im Grunde keine andere Wahl, als dich spontan und radikal auf alles einzustellen, was dir begegnet. Jede Begegnung war Anstoß für die eigene Entwicklung. Wir wurden mit jedem Kontakt selbst verändert. Leben ist nichts Statisches, sondern ist in ständiger Veränderung. Diese Form des Gehens macht letztendlich zufriedener, vertrauensvoller und nimmt Ängste vor der eigenen Zukunft. Und es macht mich offener für Menschen auf der Flucht. Menschen, die unfreiwillig aufbrechen müssen, weil sie keine Zukunft mehr haben in ihrer Heimat. Vor allem aber stärkt es die eigene Dankbarkeit, dass alles im Leben Geschenk ist.

http://www.youtube.com/watch?v=DUjX1FwD-ew

Haben Sie das schon einmal ausprobiert? Einfach losgehen. Ohne etwas zum Essen mitzunehmen, kein Geld, keine Kreditkarte, kein Auffangnetz, nur eine Flasche Wasser. Nicht wissen, wo man am Abend schläft. Einfach darauf Vertrauen, dass jemand die Tür öffnet und etwas zu essen bereitet. Man bricht auf, ohne ein Ziel, das man erreichen muss. Einfach nur einer inneren Sehnsucht folgen. Getragen allein von der Grundhaltung der Offenheit gegenüber dem Augenblick. Was begegnet mir unterwegs? Mit wem komme ich ins Gespräch? Worüber werden wir reden?

Nach meiner Matura wollte ich mich auf diese Weise mit einem Freund auf den Weg machen. Es wurde nichts daraus, da die Vernunft und das Sicherheitsdenken über das innere Gefühl und die eigene Sehnsucht siegte. Wie so oft im Leben.

Kommende Woche werde ich es tun. Losgehen mit einem Begleiter. Schauen, atmen, staunen, schwitzen, offen sein, nichts bewerten, da sein, Gespräche über das Leben führen, mit meiner Seele in Kontakt kommen, beten, frei sein und mich des Augenblicks erfreuen. Also nicht über vergangene Chancen nachdenken, oder in der Zukunft liegende Projekte planen, sondern ganz im Jetzt leben.

Mehr dazu in einer Woche hier auf zartbitter.

Seit einigen Jahren schwinge ich mich im Mai auf das Fahrrad und dann geht’s ab nach St. Radegund in Oberösterreich. Der winzige Ort im Innviertel ist der Geburtsort von Franz Jägerstätter. Jägerstätter hat im zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigert. Grund dafür war aber nicht irgendeine Form von Feigheit. Sondern er verweigerte jede Form der Unterstützung des nationalsozialistischen Systems. Dazu brauchte es großen Mut.
Er war kein Fanatiker. Seine Grundlagen waren sein Glaube und sein Gewissen. Und in der Folge die Konsequenz, für seine Haltung ein zustehen bis zu seiner Hinrichtung am 9. August 1943. Es gibt in dieser dunkelsten Zeit unserer Geschichte Millionen von Opfern des Systems. Was diesen Fall so außergewöhnlich macht ist, dass er sehr gut dokumentiert ist. Nicht zuletzt aus dem Briefverkehr mit seiner Frau Franziska.
Jägerstätter ist mir deswegen so sympathisch, weil er ein ganz einfacher Bauer war. Auch wenn ihn die Katholische Kirche 2007 selig gesprochen hat, so macht es wenig Sinn, ihn abgehoben und entrückt darzustellen. Seine Ausbildung reichte nicht über die Grundschule hinaus. Dennoch liebte er es zu lesen. In seiner alternativen Lektüre liegt auch der Schüssel für seine kritische Haltung dem Regime gegenüber.
Seine wichtigste Begleiterin in seinem Leben war seine Frau Franziska. Die heute 99 jährige Frau ist immer zu ihm gestanden. Sie hat seine Entscheidung akzeptiert, auch wenn es mit den drei Kindern extrem schwer für sie gewesen ist. Nach dem Krieg bekam sie anfangs nicht einmal eine Witwenpension. Das war für Deserteure nicht vorgesehen.

Franziska Jägerstäter mit Angelika Bamer-Ebner

Wenn Jägerstätter für sein Verhalten kritisiert wird, er habe sein Vaterland und sein Familie im Stich gelassen, dann fällt mir nur ein: Wenn mehrere so gehandelt hätten wie er, und eine kritische Masse des inneren Widerstands sich gebildet hätte, hätte das bestialische System keine Chance gehabt. Er schreibt in einer Aufzeichnung nach seiner Verurteilung zum Tode: „Wenn ich sie [meine Worte] auch mit gefesselten Händen schreibe, aber immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre.“ Dieser Mensch imponiert mir einfach und ist ein Stachel im eigenen Fleisch, dass ich es mir selbst gemütlich in meinen abgesicherten Lebensumständen mache. Er gibt mir Kraft, selbst mutig gegen Ungerechtigkeiten aufzutreten.

Am 19. Mai ist es wieder soweit: Rauf auf das Bike und ab nach Radegund …