Als ich zum ersten Mal hörte, dass Andy und Lana Wachowski wieder einen neuen Film planen, war ich aufgeregt. 16 Jahre ist ihr Sensationserfolg Matrix her. Gleich zu echten Cyberpunk-Stars aufgestiegen, enttäuschten Sie mit allen folgenden Projekten. Aber, wie gesagt, 16 Jahre später … nach so langer Zeit war meine Hoffnung groß. Es könnte wieder ein großer Wurf gelingen.

Ein russisches Einwanderermädchen in Chicago, Jupiter Jones [Mila Kunis], bringt sich gemeinsam mit ihrer Mutter als Putzfrau bei reichen Leuten durch. Doch bald erfährt sie, dass sie zu Höherem geboren ist. Und zwar nicht, weil ihr Vater Astrophysiker war und die Mutter eigentlich Mathematikerin ist. Sie ist genetisch identisch mit der jüngst verstorbenen Eigentümerin der Erde. Intergalaktische Herrscher-Familien teilen sich nämlich das Universum auf und Jupiter ist somit Mitglied des Abrasax Clans, einer der mächtigsten Familien des Universums. Nur dass ihre drei neuen Verwandten (es sind sozusagen ihre Kinder!) sie gleich wieder loswerden wollen – vorzugsweise durch Mord. Die verzogenen Space-Adeligen hatten von ihrer Mutter einige von Menschen dicht bevölkerte Planeten geerbt. Durch Jupiters Existenz würden sie Planeten und Völker wieder verlieren – und Menschen sind aus makabren Gründen ein wertvolles Gut. Caine Wise, ein Mensch-Wolf-Hybridwesen/gefallener Engel [Channing Tatum, derzeit auch in Foxcatcher zu sehen] hilft Jupiter, zu ihrem Recht zu kommen und ihr Leben zu retten – nicht ganz ohne Eigennutz.

Mila Kunis alias Jupiter lässt andere SciFi-Prinzessinnen vor Neid erblassen

Mila Kunis alias Jupiter lässt andere SciFi-Prinzessinnen vor Neid erblassen – und dann trägt sie auch noch dieses Outfit

Visuell ist Jupiter Ascending beeindruckend: elegante Raum-Kampffluggeräte, kathedralenhafte Raumschiffe und opulente Kostüme. Selbst die Raumanzüge sind so schick, dass ich unbedingt einen davon haben wollte. Und die Outfits von Mila Kunis erst – dagegen sieht Prinzessin Leia in Star Wars wie eine Landpomeranze aus Hintertupfing aus. Leider ist damit auch schon alles Positive gesagt, das mir zu dem Film einfällt.

Mila Kunis spielt also eine einfache Haushaltshilfe, die völlig unverhofft zum Spielball einer mächtigen Elite wird. Das läuft dann so ab: Jupiter wird verfolgt, wahlweise bedroht oder mit Lügen getäuscht, fast getötet und in allerletzter Sekunde von Caine Wise gerettet – vorzugsweise mitten im (minutenlangen) freien Fall. Man wiederhole dieses Muster so oft, bis der letzte Widersacher tot ist. Und das geht einige Male hintereinander so dahin.

In der Mitte des Films ist ein Moment, in dem Jupiter eine schockierende Wahrheit erfährt. Das hätte der große Höhe- und Wendepunkt im Film sein sollen – war es aber nicht. Dabei hat es mich nicht gestört, dass die Wachowskis, einen recht ähnlichen Effekt bereits Cloud Atlas verbraten haben (dieser Schock-Moment ist aus dem Film Soylent Green ausgeliehen). Nur kann man diesen Moment schon eine Stunde lang kommen sehen. Ich war jedenfalls nicht im Geringsten überrascht oder schockiert. Und letztlich war diese Enthüllung für die weitere Entwicklung der Geschichte völlig belanglos.

Bis alle Abenteuer bestanden sind, wollte man es auch spannend machen, ob die Majestät Jupiter und der Underdog Caine denn zusammenkommen. Doch bis sie endlich einander küssen, war ich aber schon nicht mehr an der Handlung interessiert. Handlung ist überhaupt das große Stichwort hier. Über die Tatsache, dass eine Story etwas abgestanden ist, sehe ich wirklich recht gern hinweg. Aber: Von einer Hauptfigur erwartet das Publikum, dass sie tatsächlich handelt. Jupiter wird aber nur herumgeschupst und kann aus eigenem Antrieb keine Entscheidungen fällen, die tatsächlich Einfluss auf den Verlauf der Geschichte haben. Jupiter reagiert nur auf die Umstände. Schwach. Einem männlichen Haupthelden hätte man solche Ohnmacht sicher nicht zugemutet.

Jupiter Ascending ist also doch nicht der neue, große Wurf der Geschwister Wachowski, auf den viele gehofft haben. Vielleicht das nächste Mal.

Meine Bewertung auf IMDB: 6 Punkte
Visuell ist der Film großartig. Es mangelt aber an Originalität, Leidenschaft für Geschichten, die Figuren und die Menschheit insgesamt.

(alle Fotos: Courtesy of Warner Bros. Pictures)

Zwei Filme, die hoch im Oscar-Kurs stehen, habe ich in der letzten Woche schon vorgestellt:
Die Entdeckung der Unendlichkeit und The Imitation Game.
Hier ist Teil 3 – ein Film, der zu den ganz großen Favoriten zählt:

Birdman
Wie geht es einem Hollywood-Star, dessen Karriere-Höhepunkt als Darsteller eines Comic-Superhelden schon 20 Jahre zurückliegt und seither nichts Nennenswertes mehr gemacht hat? Wie kommt er wieder zurück ins Rampenlicht? Michael Keaton ist so ein ehemaliger Filmstar und die Rolle seines Lebens war: Batman.

Was macht Michael Keaton also? Er nimmt die Rolle eines Hollywood-Stars an, dessen Karriere-Höhepunkt als Darsteller eines Comic-Superhelden schon 20 Jahre zurückliegt und den Weg zurück ins Rampenlicht sucht. Die Filmfigur heißt Riggan Thomson und die Rolle seines Lebens war: Birdman.

Wer ist wer?
Es ist nicht leicht, die Biografie von Michael Keaton und der Filmfigur Riggan Thomson auseinanderzuhalten. Ich habe mich ertappt, dass ich während des Films darüber nachdachte, wie weit sich Michael Keaton da wohl selbst spielt.

Michael Keaton hat es also geschafft – mit einem Film, der fast ausschließlich in einem Theater spielt, ist er wieder im Geschäft. Und er hat für Birdman schon eine Menge Preise eingeheimst, unter anderem einen Golden Globe. Dadurch ist er ein großer Favorit für einen Academy Award.

Die von Keaton dargestellte Figur Riggan Thomson hingegen versucht, mit einer Rolle am Theater wieder von sich Reden zu machen. Er hat sein ganzes Geld in ein Stück investiert, spielt die Hauptrolle und führt auch Regie.

Birdman_poster

Filmposter (Wikepedia)

Probleme gibt es dabei ohne Ende. Eines davon ist Riggans Tochter [Emma Stone], die sich frisch vom Drogenentzug nun recht widerwillig als seine persönliche Assistentin verdingt. Ein anderes heißt Mike Shiner, gespielt von Edward Norton. Mike ist Filmschauspieler, ein aufgeblasener Egoist und besessen von Intensität und Authentizität auf der Bühne. Als Privatperson hält er allerdings weniger von Ehrlichkeit. Er bringt das Stück beinahe zum Scheitern und Riggan zur Verzweiflung. Immerhin droht diesem, nicht nur der Verlust seines letzten Geldes. Wenn das Stück ein Flop wird, dann verliert Riggan auch seine letzte Chance, wieder jemand zu sein. Er will nicht mehr nur der Typ sein, der früher mal berühmt war.

Köstliche Mischung
Wenn ein Ex-Comic-Superhelden-Darsteller einen Ex-Comic-Superhelden-Darsteller spielt und ein authentizitätsbesessener Method-Actor einen authentizitätsbesessenen Method Actor spielt, dann bleibt die geballte Ladung Meta-Referenzen nicht weit. Ich habe beim ersten Mal ansehen, sicher nicht alle davon mitbekommen. Die existentialistische schwarze Satire teilt dabei allerlei Seitenhiebe auf die Welt der Filmstars und der Social Media aus. Und sie bringt einen auch darüber zum Nachdenken, welche Maßstäbe wir für unseren Selbstwert ansetzen.

Der Regisseur und Drehbuch-Co-Autor Alejandro G. Iñárritu stammt aus Lateinamerika, wo der magische Realismus besonders stark in der Literatur verankert ist. Und so lässt er Birdman, das Über-Ich des Schauspielers Riggan Thomson, mit jedem Problem erstarken. Dabei durchbricht er die Grenzen zwischen Phantasie und Realität. Birdman ist für einige kraftvolle Sequenzen im Film verantwortlich und verwandelt sogar eine harmlose Straßenszene in eine handfeste Actionfilm-Sequenz. Am Ende bringt er sogar etwas Poesie in all die Überdrehtheit und das Drama.

Der Film wird nicht unbedingt allen gefallen. Aber für mich hat er auf originelle Weise alles verpackt, was ich vom Kino erwarte.

Wer kriegt den Oscar?
Bester Hauptdarsteller, Michael Keaton: 80%
Bester Nebendarsteller, Edward Norton: 60%
Beste Nebendarstellerin, Emma Stone: 100%
Bester Film: 80%

Hier gehts zum Trailer:

Lust auf ein paar großartige Kinoabende? Jetzt ist die beste Zeit dafür. Mit einer Reihe von Kurzkritiken möchte ich euch einen Überblick über Oscar-nominierte Filme geben, die derzeit noch laufen.
Teil 1 könnt ihr hier nachlesen: Die Entdeckung der Unendlichkeit

Hier stelle ich den nächsten Film vor:

The Imitation Game – Ein streng geheimes Leben
Benedict Cumberbatch ist momentan überall zu sehen. Sein großer Aufstieg begann mit der BBC-Fernsehserie Sherlock. Er spielt darin den Meisterdetektiv Sherlock Holmes als Genie ohne Gespür für die Menschen. Er stellte in Inside WikiLeaks Julian Assange dar – schlau, aber ohne soziale Kompetenzen. Er spielte in einer Fernsehverfilmung Steven Hawking – zweifellos ein Genie. Und in The Imitation Game stellt er Alan Turing dar – ein mathematisches Genie, ebenfalls leicht autistisch. Wer erkennt das Muster?

The Imitation Game ist ein Biopic über den Mathematiker und Logiker Alan Turing, der wesentlich dazu beigetragen hat, dass der Krieg gegen Nazi-Deutschland gewonnen werden konnte.

Benedict Cumberbatch ist Alan Turing

Benedict Cumberbatch ist Alan Turing

1952 wird bei Alan Turing eingebrochen. Mysteriöserweise wurde nichts gestohlen. Sehr verdächtig. Die Polizei vermutet, dass Turing ein russischer Spion ist. Doch sie stoßen auf ein ganz anderes, privates Geheimnis.
Und Geheimnisse sind das Hauptthema des Films. Turing hat sein ganzes Leben lang gelernt, Geheimnisse zu hüten und mit ihnen zu leben. Und das begann schon im Internat, wo der hochbegabte, aber eigenbrötlerische Junge Schwierigkeiten hatte, Freunschaften zu schließen. Nur mit seinem Mitschüler Christopher steckte er ständig zusammen.
1939, nun Mathematiker, soll Alan Turing den Code von Enigma knacken – einer Chiffriermaschine, mit der die Deutschen im zweiten Weltkrieg ihre Nachrichten verschlüsselten. Die Herausforderung: Es gibt 150 Millionen Millionen Kombinationsmöglichkeiten. Alan und sein Team arbeiten unter allerstrengster Geheimhaltung. Nicht ein Wort darf er außerhalb der Arbeit darüber verlieren, sonst droht die Todesstrafe. Alan Turing baut eine unglaubliche, riesige Entschlüsselungsmaschine, um die sich nun sein ganzes Leben dreht. Er gibt ihr sogar einen Namen: Christopher.

The Imitation Game zeigt wie sich Parallelen durch Alan Turings Leben ziehen und wie frühere und spätere Ereignisse miteinander zusammenhängen. In der Erzählweise sind die geschickten Sprünge zwischen drei Zeitebenen gut gelungen: Alans Internatszeit; die Zeit, in der er daran arbeitet, den Enigma-Code zu entschlüsseln; und als er sieben Jahre nach Kriegsende von der Polizei verhört wird.

The Imitation Game beweist: Auch aus einer bekannten Geschichte kann man einen faszinierenden Film machen. 2001 wurde die Geschichte bereits einmal verfilmt und hat bei mir bei weitem keinen so starken Eindruck hinterlassen. Der Film hieß Enigma und beschäftigte sich fast ausschließlich mit der Arbeit an der Entschlüsselung und den Geschehnissen im Krieg. So richtig interessant wird es jedoch erst, wenn der eigentliche Angelpunkt der Geschichte das berührende Schicksal des genialen Alan Turner ist, der so Großes geleistet hatte, schwer mit Menschen umgehen konnte und starb, weil sein Geheimnis ans Tageslicht kam. Benedict Cumberbatch hat das Genie mit autistischen Zügen facettenreich dargestellt und mich tief bewegt.

Wer verdient den Oscar?
Bester Film: 60%
Bester Hauptdarsteller: 70%
Beste Nebendarstellerin (Keira Knightley): 50%
Bestes adaptiertes Drehbuch: 100%

Hier gehts zum Trailer:

Das Oscar-Rennen

Die Oscar-Verleihung steht vor der Tür. Man merkt’s. Woran? Das ganze Jahr über laufen Special Effects-geladene Action- und Superhelden-Filme (bessere und schlechtere) und ab Jänner kommt eine geballte Ladung „wertvoller Filme“, die um einen Oscar buhlen. Ich weiß dann gar nicht, woher ich die Zeit nehmen soll, um alles anzusehen, was mich interessiert.

Auf Zartbitter möchte ich allen einen kleinen Überblick geben, die diese Gelegenheit wahrnehmen und sich noch ein paar schöne Kinoabende machen möchten. Hier meine erste Kurzkritik:

Die Entdeckung der Unendlichkeit (The Theory of Everything)
Stephen Hawking ist sicher einer der brillantesten Menschen unserer Zeit. Er ist zu wichtigen Erkenntnissen im Bereich der theoretischen Physik und Astrophysik gekommen. Dabei ist er nicht nur unter Wissenschaftlern bekannt: Er hat komplexe Themen in populärwissenschaftlichen Büchern einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Selbst wer seine Bücher nicht gelesen hat, kennt den Mann, der bewegungslos im Rollstuhl sitzt und über einen Computer mit mechanischer Stimme spricht.

DieEntdeckung_PlakatDer Film beginnt mit dem jungen Stephen Hawking, wie er als nerdiger Student auf seinem Rad wild durch Cambridge rast. Doch bald schon wird bei ihm Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) diagnostiziert – eine nicht heilbare Schädigung der Nervenzellen, die für Muskelbewegungen verantwortlich sind. Während sein körperlicher Zustand sich verschlechtert, schließt er sein Studium ab, heiratet, wird Vater, lehrt an der Universität.

Eddie Redmayne spielt diesen außergewöhnlichen Mann mit großer körperlicher Disziplin. Denn um die Stadien in einem Krankheitsverlauf darzustellen, bei dem ein Mensch schrittweise die Beherrschung über seinen Körper verliert, muss der Schauspieler jeden einzelnen Muskel kontrollieren können – bis ins letzte Fingerglied. Die Darstellung von Stephen Hawking im fortgeschrittenen Stadium seiner Erkrankung lässt wenig Mimik zu. Wie es dem britischen Schauspieler trotzdem gelingt, den brillianten Geist des Wissenschaftlers und seinen Sinn für Humor stets durchblitzen zu lassen, ist faszinierend.

Filmbiografien sind für die Oscars immer ein heißer Tipp, obwohl sie – ehrlich gesagt – sehr oft nicht wirklich zu den besten Filmen des Jahres gehören. Die sogenannten Biopics holen aber trotzdem regelmäßig die Academy Awards für den besten Film (und oft auch für die beste Hauptrolle). Sei es Lawrence von Arabien, Gandhi, A Beautiful Mind, The King’s Speech, … die Liste ist endlos. Die Entdeckung der Unendlichkeit könnte sich trotz Schwächen in diese Liste einreihen.

Es ist zwar mal ganz interessant, etwas über das Leben eines außergewöhnlichen Menschen zu erfahren. Nur: Das Fortschreiten von Stephen Hawkings ALS-Erkrankung und die Entwicklung seiner Ehe reichen nicht als Haupthandlung für 120 fesselnde Film-Minuten. Zumindest habe ich das so empfunden. Der Film zeigt die Geschichte episodenhaft und verläuft dabei völlig ohne Überraschungen. An einigen Stellen wirken die Ereignisse ein wenig geschönt, besonders wenn es darum geht, wie sich die Beziehung von Stephen Hawkings zu seiner Frau Jane (Felicity Jones) auseinanderentwickelt.

Im letzten Jahr wurde viel über ALS geredet. Tausende Leute ließen sich einen Kübel Eiswasser über den Kopf gießen – als Charity für die ALS-Forschung. Wer sich dabei gefragt hat, was die Diagnose ALS wirklich bedeutet, erfährt es in diesem Film. Es ist tatsächlich schwer, sich einen derartigen Einschnitt in ein Leben vorzustellen. Die Entdeckung der Unendlichkeit hat hier eine wunderbare Botschaft: Seine Mobilität zu verlieren ist nicht das Ende, ob durch ALS oder auf andere Art. Solange man sich nicht aufgibt, Erfüllung in einer Beschäftigung findet – und in einer Beziehung. Aber auch, solange man den Humor nicht verliert.

Verdient er den Oscar?
Bester Film: 40 %
Bester Hauptdarsteller: 100 %

 

Vor einigen Wochen wurden die Server von Sony Pictures gehackt. E-Mails, Dokumente und ganze Filme wurden dabei gestohlen. Fast täglich geben die Hacker Informationen aus kompromittierenden E-Mails preis, für die Sony weltweit Häme erntet.

Das ist unangenehm, aber sehr harmlos zu dem Wirbel, um den durch die Hacker gestohlenen Film „The Interview“. Der Film stammt von Seth Rogen, und der ist für ziemlich brachialen Bad Taste-Humor bekannt. Auch der Trailer von „The Interview“ lässt nicht darauf schließen, dass Rogen hier mit mehr Subtilität vorgegangen ist. Ganz kurz zum Inhalt: Es geht es darum, dass zwei vertrottelte US Journalisten im Auftrag der CIA den Präsidenten Nordkoreas umbringen sollen: Kim Jong-un.

Bereits im Juni hat Nordkorea auf den Affront reagiert. Und nun drohten Hacker, die sich „Guardians of the Peace“ nennen, mit Anschlägen auf Kinos, in denen der Film gezeigt wird. Sony Pictures musste rasch reagieren: Die unmittelbar bevorstehende Premiere des Films wurde abgesagt und der Film überhaupt zurückgezogen.

Ausgestoßen von Hollywood
Der Komiker Steve Carell postete darauf nur ein Bild von Charly Chaplin in „Der große Diktator“ – ohne Kommentar. Das ist ein starkes Symbol. Charly Chaplin stellte 1940 eine Hitler-ähnliche Figur dar (und in einer Doppelrolle einen jüdischen Barbier) und nahm die Politik des Dritten Reichs ordentlich auf die Schippe.

Schauspieler und Regisseur Seth Rogen (Foto: Angela George, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Schauspieler und Regisseur Seth Rogen
(Foto: Angela George, Lizenz: CC BY-SA 3.0)

Es gab jedoch einen Unterschied: Hitler, hieß bei Chaplin Hynkel, und die Handlung spielte im erfundenen Staat Tomanien. Der Diktator plante die Invasion des Nachbarstaats Osterlitsch. Auch die Juden wurden in dem Film verfolgt – sofern Hynkel nicht gerade ein Darlehen von jüdischen Bankiers benötigte. Es war eindeutig: Hitlers Art zu reden, die Symbole der Nazis usw. – es wurde alles persifliert. Sollte Sony sich lieber ein Beispiel an Chaplins Mut nehmen? Ist Seth Rogen am Ende gar der Charly Chaplin unserer Zeit? Wohl kaum.

Ohne die Art des Humors zu vergleichen, ist der größte Unterschied, dass „Der große Diktator“ – bei aller Eindeutigkeit – kein reales Land und keinen realen Menschen. Was aber noch mehr zählt: Der Film zeigt nicht, wie ein reales und regierendes Staatsoberhaupt eines Landes umgebracht werden soll. Noch dazu auf Geheiß Amerikas, dem Land in dem der Film produziert wurde.

In „Der große Diktator“ plant die jüdische Bevölkerung zwar auch einen Anschlag auf den Diktator, doch sie besinnen sich und kommen zu dem Schluss:

Freiheit kann nicht durch Mord und Zerstörung erreicht werden.

Das ist eine wichtige Botschaft des Films, eine Botschaft des Autors und Regisseurs Charly Chaplin. Das war seine Einstellung. Charly Chaplin wäre mit der Gesinnung des Films „The Interview“ sicher nicht einverstanden gewesen. Das sollte auch Steve Carell wissen. Die Todesszene von Kim Jong Un kursiert inzwischen übrigens auch bereits im Internet. Es ist ganz gewiss nicht lustig, wie er in Flammen aufgeht.

Nach dem Trailer geht es weiter …

Schelte bekam Sony für auch vom Komiker Ben Stiller und von Talkshow Host Jimmy Kimmel. Sie nannten diese Entscheidung „unamerikanisch“ und „feige“. Haben sie Recht?

Bedroht Terror die künstlerische Freiheit?
Klar, die Hacker und Terroristen haben mit ihrer Erpressung gewonnen. Ich verstehe die Kritik. Es ist bitter und zutreffend, dass Sony hier vor Hackern und möglichen Terroristen in die Knie gegangen ist. Terror gewinnt gegen künstlerische Freiheit – wirklich kein schöner Gedanke (auch wenn ich persönlich gern auf die Produkte von Seth Rogens künstlerischer Verwirklichung verzichte). Aber in diesem Fall der Erpressung durch Terroristen weiß man nicht, mit wem man es wirklich zu tun hat. Es gibt daher kein Gegenüber, dessen weiteres Verhalten man richtig abschätzen könnte. Der Filmstart war bereits für den 25. Dezember geplant. Sony musste also äußerst rasch entscheiden.

Sony Pictures ist jedenfalls durch das Zurückziehen des Films zum Buhmann der Branche geworden. Doch, man weiß immer erst nachher, welche Reaktion richtig gewesen wäre. Stellt euch vor, der Film läuft an und ein Anschlag wird verübt – ganz wie angedroht. Der Aufschrei gegen das Studio wäre dann noch viel größer als der Protest jetzt. Statt nur Häme und Kritik gäbe es Anschuldigungen, dass Sony den Tod unschuldiger Menschen fahrlässig in Kauf genommen hätte. „Aus Profitgier“ würde es heißen.

Ein Staat würde und muss anders handeln. Aber ich verstehe die Entscheidung des Unternehmens. Sony wird es überleben, auch wenn „The Interview“ vielleicht ganz in der Versenkung verschwindet, werden alle darüber hinwegkommen und die Vorwürfe der Feigheit werden auch rasch vergessen sein. Der Ruf, dass das Studio Menschen auf dem Gewissen hat, würde ewig haften bleiben.

Zur Einführung von Netflix haben alle Medien über die Fernsehrevolution geschrieben. Natürlich war ich Netflix Kunde der ersten Stunde. Das Angebot fand ich für den Anfang ganz ordentlich. Und auch wenn in den ersten beiden Monaten wenig dazugekommen ist: Ich habe immer wieder Filme und Serien entdeckt, die ich noch nicht kannte und ohnehin schon länger ansehen wollte.

Doch jetzt tut sich anscheinend wirklich was in der schönen Welt des Streaming-Fernsehens. Netflix hat bekannt gegeben, dass es bald alle drei Wochen neue Eigenproduzierte Serien veröffentlichen wird. Da die Firma schon einige wirkliche Hits produziert hat, darf man sich hier einiges erhoffen.

Mit seiner ersten selbst produzierten Serie „House of Cards“ hat Netflix vor fast 2 Jahren ganz schön großes Aufsehen erregt. Auch die Frauengefängnis-Serie „Orange is the New Black“ kam bei Kritik und Publikum sehr gut an.

Foto 1Ist das schon die versprochene Revolution?
Bis zur versprochenen großen Serien-Offensive im 3-Wochen-Takt ist es zwar noch ein wenig hin – erst 2015 soll es so weit sein –, aber es gibt einen weiteren Vorgeschmack auf die Qualität, die Netflix seinen Abonnenten bieten will. Seit 12. Dezember steht nämlich die neue Serie „Marco Polo“ zur Verfügung. Die Presse beeilte sich, die Serie gleich als Konkurrenzprogramm zum Mega-Hit der letzten Jahre „Game of Thrones“ zu platzieren und die Erwartungen damit eigentlich ins fast Unerreichbare hochzupuschen.

Nach den ersten beiden Folgen von „Marco Polo“ kann ich nur sagen: Ich bin schon beeindruckt. Es gibt Armeen, Schlachten, fernöstliche Kampfkunst, wunderschöne und detailreiche Set-Ausstattungen sowie aufwändige Kostüme. Und natürlich Sex, denn in diesem Punkt scheint man tatsächlich mit den erfolgreichen Produktionen des Senders HBO mithalten zu müssen. Ein neues „Game of Thrones“ ist „Marco Polo“ trotzdem nicht. Warum auch? Es gibt „Game of Thrones“ ja schon. „Marco Polo“ kann durchaus mit seinen eigenen Qualitäten bestehen.

Die Geschichte ist allen bekannt. Oder irgendwie auch nicht. Mein eigenes Wissen – und ich getraue mich zu behaupten, das Wissen der meisten Leute – über Marco Polo geht zum Beispiel kaum darüber hinaus, dass er Jahrzehnte am Hof Kublai Khans verbrachte und dass er bei seinen Berichten über diese Zeit möglicherweise einiges dazuerfunden hat. Das gibt auch den Produzenten der Serie einige Freiheiten und sie haben sie gut genutzt. Warum nicht einen mehrere Jahre dauernden Krieg auf einen dramatischen Zweikampf zwischen zwei Brüdern auf den Punkt bringen? Bei aller Verzerrung zugunsten der Dramatik, darf man das Gefühl haben, dass man beim Ansehen ein bisschen mehr über Marco Polo und die politischen Umstände im Reich des Kublai Khan lernt. Die Geschichte beginnt zwar etwas langsam, nach zweieinhalb Episoden habe ich aber den Eindruck, dass sie zunehmend interessanter wird und auch etwas an Fahrt aufnimmt.

Hier gibt’s den Trailer zu sehen

Andere Vorbilder
Die richtige Mischung aus Geschichte und fernsehtauglich hingebogenen Geschichten bescherte bereits anderen Serien durchaus Erfolg: zum Beispiel „Rom“ (zumindest Staffel 1), „Die Tudors“ oder „Die Borgias“. „Marco Polo“ sollte man eher an ihnen messen. Und ich finde, es schneidet gut ab.

Die Zeit Online hat die Serie mit folgendem Kommentar bedacht: „Marco Polo wirkt wie das altmodische Vorweihnachtsprogramm konventioneller TV-Sender.“ Gar nicht so falsch, eigentlich. Ich habe früher die Vorweihnachts-Serien (es hieß immer Weihnachts-Vierteiler) geliebt – ob „Shogun“ oder „Der Seewolf“. Und ich habe sie, ehrlich gesagt, in den letzten Jahren sogar ein bisschen vermisst. Freilich wünscht man sich auch mehr Innovatives von Netflix. Aber der Weihnachts-Vierteiler-Vergleich klingt für mich nicht schlechter, als dass die Serie ein zweites „Game of Thrones“ sein soll.

Die große Fernsehrevolution läutet zwar auch „Marco Polo“ nicht ein, aber wenn gut gemachtes Fernsehen geboten wird, dann ist das schon viel mehr, als wir von vielen unserer Privatsender geboten bekommen – und auch von unseren viel teureren öffentlich-rechtlichen Sendern.