Integrationsunwillig? Geht gar nicht!
Jetzt wird es aber wirklich Zeit mit dem Integrieren. Gerade haben wir 50 Jahre Anwerbeabkommen mit der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien begangen. Und dann sind die immer noch nicht integriert. Und dann leben in Österreich und Deutschland noch ganz viele Menschen aus anderen Ländern, mal länger mal kürzer. Und ihre Kinder sind hier geboren, gehen hier zur Schule und arbeiten hier. Und die Enkerl sind auch schon da. Und jetzt sind sie immer noch nicht integriert. Also müssen Sanktionen her, Strafen. Das mit dem Putzen hat sich schon erledigt, träfe ja nicht nur integrationsunwillige Migranten. Aber jetzt überlegen wir juristische Schritte gegen die Integrationsunwilligkeit. Wenn zum Beispiel Buben oder Männer Frauen nicht als Lehrerin akzeptieren. Das gibt es wirklich. Vereinzelt. So wie es Eltern gibt, die juristisch gegen Lehrer vorgehen, weil sie mit einer Note nicht einverstanden sind.
Ich habe in meiner 20jährigen Tätigkeit als Deutschlehrerin zwei Mal erlebt, dass der Ehemann einer Schülerin mich nicht respektiert hat und mich unter Druck setzen wollte. Übrigens war einer davon Österreicher. Ich habe mir den nötigen Respekt selbst verschafft ohne juristischen Beistand. Was ich noch erlebt habe sind unzählige Ehemänner, die gesagt haben: „Bitte Frau Lehrerin, schauen Sie, dass meine Frau schnell Deutsch lernt und sich in Salzburg auskennt.“ Die türkischstämmigen Ehemänner und Schülerinnen haben auch oft „Hodscha“ zu mir gesagt, was eine besonders respektvolle Anrede für einen Lehrer ist. Manchmal passiert es mir heute noch, dass ich auf der Straße so angesprochen werde. Und manchmal küssen mir die Kinder, Mädchen und Buben, die Hand, was auch ein besonderes Zeichen von Respekt ist. Mir ist das immer peinlich.
Die Forderung nach Integrationswilligkeit ist jetzt auch nicht überraschend neu, sondern eher diversen Wahlkämpfen geschuldet. Finde ich aber nicht besonders verantwortungsvoll, weil damit gemeint ist, dass eine bestimmte Gruppe von Menschen nicht dazu gehören will. Weil mir weder vor 20 Jahren noch heute jemand erklären kann, was das genau bedeutet mit der Integration. Ich glaube auf eines können wir uns alle einigen:
Wer in Österreich lebt, muss Deutsch reden können oder lernen und die Gesetze des Landes akzeptieren.
Und was heißt Integration noch? Bin ich selbst integriert, wenn ich noch nie die Lipizzaner gesehen habe? Darf ich eigentlich Fan von Bayern München sein? Muss ich meine popkulturellen Vorlieben aufgeben und mich ausschließlich dem Volkslied widmen? Darf ich mich einem Beuschel verweigern? Muss ich mich langsam von der katholischen Kirche verabschieden, weil Prognosen sagen, dass besonders in den Städten in absehbarer Zeit immer mehr Menschen ohne Bekenntnis leben?
Diese ganze Diskussion um die Integration tut so als ob unsere Gesellschaft ein Einheitsbrei wäre. Ist sie aber nicht. Unsere Gesellschaft ist bunt, vielfältig und daher eine gute Gesellschaft. Und natürlich hat unsere Gesellschaft auch Schattenseiten. Das liegt an einzelnen Menschen, ohne oder mit Migrationshintergrund. Das liegt aber nicht an Gruppen von Menschen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie eine oder mehrere Eigenschaften gemeinsam haben und keine Mehrheit sind. Ob sie jetzt Menschen sind, die keine Kinder haben. Oder Menschen die ganz viel Geld haben und nicht arbeiten müssen. Oder Menschen, die gerne in die Oper gehen und gleichgeschlechtlich lieben. Oder Menschen, die im Rollstuhl sitzen und in ihrer Freizeit Spanisch lernen. Oder Menschen, die Politiker sind und sonntags in die Kirche gehen. Oder Menschen, die aus Albanien kommen und nicht bei Facebook sind.
Wie gesagt, wer in Österreich lebt, soll sich in Deutsch verständigen können und die Gesetze akzeptieren. Und unsere Gesetze basieren auf den Menschenrechten. Wer die nicht einhält, hat mit Sanktionen zu rechnen. Und das gilt für uns alle. Und das ist gut so.
Oder sehe ich das jetzt zu einfach?