Der Integrations-Aufreger der Woche ist sicher das druckfrische Buch von Inan Türkmen „Wir kommen“. Die Medien stürzten sich darauf, also musste ich mir das Buch auch zulegen. Gerade habe ich es fertig gelesen. Ein durchaus erfrischendes Buch, finde ich.  Ein junger Mann  erzählt aus seinem Leben, was er sich so denkt, wenn das Mitteleuropäische auf das Türkische trifft und umgekehrt. Er genießt es „uns Europäern“ den Spiegel vorzuhalten, durchaus humorvoll, aber nicht ohne Ernsthaftigkeit. Natürlich schafft er es mit seinen Provokationen vor allem die Kommentarseiten der Onlinemedien zu füllen. Und das ist gut so.

http://derstandard.at/1330389965365/Vorzeigemigrant-Meine-Haare-sind-tuerkisch

 Ja dürfen’s das?

Ein Knackpunkt in der ganzen Integrationsdebatte ist ja, dass viele Nicht-Migranten schwer damit umgehen können, wenn sich ein Migrant, insbesondere der 2. Generation, unverblümt zu Wort meldet. Es schwingt immer ein „Ja, darf der denn das überhaupt?“ mit. Das ist mir in vielen Diskussionen schon untergekommen, dass einige sich darüber beschweren, wenn „die da“ auch mitreden. Inan Türkmens Buch ist so ein „Ich sage mal, was ich mir denke“-Buch.

Gewöhnlich lesen wir über unterdrückte Frauen, bildungsunwillige Kinder und nicht-arbeitswillige Männer. Jetzt schreibt Türkmen über „hungrige“ junge Menschen, die mehr wollen und dafür viel zu geben bereit sind.  Er sieht viele Potenziale in der 2. Generation, die in Österreich und Deutschland brach liegen. Er ist überzeugt davon,  es hier in Österreich oder in der Türkei zu schaffen.

Kein Anti-Sarrazin

Er verklärt an einigen Stellen die Türkei, sein Blick reicht hier in vielen Aspekten nicht über das moderne und pulsierende Istanbul hinaus. Was er fordert, ist der Türkei und ihren Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und er bringt einige Beispiele, die vielen von uns den Spiegel vorhalten. Und das mag niemand so gerne. Als Beispiel sage ich nur: Frauen in Führungspositionen. Wenn wir seit Jahren über Quoten diskutieren und merken, dass die gläserne Decke nur langsam dünner wird, dann hat die Türkei hier wirklich eine andere Tradition. Eine weibliche Führungskraft, insbesondere in der Wirtschaft, ist nichts Ungewöhnliches. Am anderen Ende stehen aber natürlich Frauen, die nicht in den Genuss einer Führungsposition kommen, die nicht die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Aber dieses Thema behandeln andere, von Seyran Ates bis zu Necla Kelek.

Wenn Türkmen allerdings meint, sein Buch wäre ein Anti-Sarrazin, dann ist es gut für die Werbung, aber den Tatsachen entspricht es nicht. Was er leistet ist, aus einer persönlichen Perspektive den ganzen Integrationsdebatten  eine zusätzliche Stimme zu geben, die auch gehört werden soll!

Schwienhorst Schönberger

Samstag Morgen, leichter Nieselregen, der Winter scheint noch nicht vorüber zu sein. Dennoch: Ein guter Tag, um große Dinge zu tun: Den Weg nach Innen zu gehen. Einen Tag sich Zeit zu nehmen, um bewusst Spuren Gottes zu entdecken. Schon spannend, denn 50 Männer kommen da zu einem Männertag mit dem Titel „Tabu Spiritualität“ ins Bildungszentrum St. Virgil.
Religionssoziologen meinen, Spiritualität sei Frauensache. Tendenziell stimmt das. In Seminaren kommen im Normalfall drei Viertel Frauen, wenn es um spirituelle Themen geht. Warum? Steht Spiritualität im Gegensatz zur Rationalität? Spreche ich von Spiritualität, wenn ich nicht mehr weiter weiß? Ist das Ganze nichts für gestandene Männer? Haben Männer Angst? Wenn ja, wovor?
Der vage Begriff gehört definiert. Spiritualität „zeigt uns wie die Wirklichkeit in Wahrheit beschaffen ist“, meint der Referent des Männertages Schwienhorst-Schönberger. Da geht es nicht um Weltflucht. Das Sitzen von 20 bis 30 Minuten am Tag führt zu einer geschärften Wahrnehmung der Wirklichkeit. Gedanken tauchen dabei auf. Probleme die mich beschäftigen, oder sogar belasten. Aber auch die andere Seite mit beglückenden Bildern, die mich bereichern. Ich gebe ihnen kein Gewicht, gleichgültig ob positiv oder negativ. Ich lasse sie los. Auch meinen Willen.
Der Weg ist radikal. Er ist kritisch gegenüber allen Bildern, auch den Gottesbildern. Den Vorstellungen, die ich mir oder wir uns über Gott machen. Selbst bei einem atheistischen Zugang zu Gott macht man sich bestimmte Bilder, die dann abgelehnt werden. Werden Vorstellungen absolut gesetzt führen sie zu Fanatismus und Ideologien. In diesem Sinne lasse oder werde ich Gott los. Und bin dennoch zutiefst überzeugt, dass es eine göttliche oder letzte Wirklichkeit gibt, die mein Leben bestimmt. Das ist paradox. Auf jeden Fall ist es ein offener Prozess, den ich sehr aufregend finde.
Hier ist auch eine interessante Spur für den gewaltfreien interreligiösen Dialog.

 

…und keiner geht hin!“ Dieser Wunsch ist hochaktuell, aber er erfüllt sich nicht.

Das HIIK (Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung) hat für 2011 weltweit 20 Kriege gezählt, die höchste Anzahl seit 1945. Diese Kriege sind die höchste Gewaltstufe, insgesamt gibt es 388 Konflikte.

Krieg betrifft uns alle

Vor kurzem sprach ich mit einer Syrerin, ich wollte wissen, wie es ihrer Familie geht, ob alle wohlauf sind? Die Frau sagte, dass ihre Familie in relativer Sicherheit in einer syrischen Kleinstadt ist. Aber zwischen den Zeilen hörte ich ihre Angst und ihre Verzweiflung. Sie ist hier in Österreich, sie lebt in Sicherheit. Aber sie kann eigentlich nichts tun. Ihr sind die Hände gebunden. Wie wird es weitergehen? Was ist, wenn der Krieg auch ihre Familie erreicht?

So geht es Millionen Menschen, hilflos zuschauen müssen, wenn Konflikte eskalieren. Nichts tun können, wenn sich wie in Syrien ein Diktator gestützt von einer Minderheit und zwei Weltmächten, Russland und China, blutig an die Macht klammert. Kriege sind nicht die glänzenden Paraden, glitzernde Waffen und bunte Uniformen. Krieg ist schrecklich, so schrecklich, dass er in Wahrheit nicht in Worte gefasst werden kann. Krieg bringt immer Leid, Schmerzen und unverzeihliche Erinnerungen. Und trotzdem ist die Welt voll davon, weil Machtgelüste, Gier, Religion  und Ideologie vielen Menschen Rechtfertigung für Blutbäder sind. Heute sind Kriege oft nicht mehr zwischen zwei Staaten, sondern innerhalb eines Landes Bürgerkriege. Das macht den Krieg nicht besser, im Gegenteil. Oft dauern innerstaatliche bewaffnete Konflikte und Kriege länger und scheinen kein Ende zu finden. Andere Staaten können sich offiziell heraushalten, wenn das Interesse an dem Land nicht über Waffenlieferungen hinausgeht und die eigene Sicherheit oder wirtschaftliche Stabilität nicht bedroht.

Schützt Demokratie vor Krieg?

Seit 200 Jahren führen Demokratien eigentlich keinen Krieg mehr untereinander. Insofern schützt Demokratie, aber Demokratien führten und führen natürlich Kriege gegen Diktaturen und Autokratien. Meist mit dem Argument, damit Demokratie in dem bekriegten Land zu installieren. Wie der Irak und Afghanistan zeigen, ist diese Vorgangsweise zum Scheitern verurteilt.

In Anlehnung an den österreichischen Ökonomen und Nobelpreisträger Friedrich A. von Hayek meint Joshua Cooper Ramo: „Seit Jahrhunderten haben wir uns als Erbauer gesehen, die von Brücken bis Nationen alles konstruierten und dabei im Streben nach ihrem Traum von globalen Wohlstand rücksichtslos auf alle zur Verfügung stehen Ressourcen zurückgriffen. Politiker und Denker sollen die Welt nicht wie ein Arbeitsstück sehen, dass der Handwerker formt, sondern vielmehr Wachstum dadurch fördern, dass sie eine geeignete Umgebung schaffen, wie es etwa ein Gärtner für seine Pflanzen tut.“

Der alte Clausewitz sagte: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“. Es wird Zeit, dass wir erkennen, nicht der Krieg ist das andere Mittel, sondern Respekt, Kreativität und Miteinander.

 

http://hiik.de/de/presse/pdf/Pressemitteilung_2012.pdf

 

27.Juli 2011: Die Eröffnung der Salzburger Festspiele. Der Festspielredner ist Joachim Gauck- bekannter Bürgerrechtler und damals gescheiterter Bundespräsidentschaftskandidat Deutschlands.Ich habe mich richtig gefreut auf die Rede von Gauck. Viel wusste ich nicht über ihn, eigentlich ist mir bei Gauck immer nur die Gauck-Behörde in den Sinn gekommen. Umso so gespannter war ich.

„Ja, es gibt sie, diese Tristesse des Alltags. Sie umgibt alle Dinge mit einem Niederungsgrau. Die Unvollkommenheit der Leute und der Verhältnisse erzeugt dann eine ganze Kultur des Verdrusses. Einige – ich komme aus Deutschland – verbringen ihr ganzes Leben darin.“

So hat er die Rede begonnen und damit meine Enttäuschung über Joachim Gauck. In den ersten Sätzen beschreibt er sein Deutschland als Land des Verdrusses, der Tristesse und der Unvollkommenheit-das fand ich anbiedernd.

Wir sind das Volk

Natürlich versteht er es in wunderbaren Worten seine Botschaften zu verpacken. Aber mich interessiert immer mehr die Botschaft und weniger die Verpackung. In der Mitte seiner Rede sprach er dann vom Mauerfall, von der Befreiung des Ostens, was in einem „ Wir sind das Volk“ gipfelte.

An seinen Worten war nichts auszusetzen aber an dem, was er NICHT sagte. Im Juli 2011 kämpften in den arabischen Ländern, von Libyen über Ägypten, den Jemen und Syrien die Menschen für ihre Freiheit. Jeden Tag starben und sterben die Menschen für ihre Hoffnungen. Und kein Wort dazu in der Festspielrede. Ein Satz hätte genügt: „Wir denken an euch, der Kampf für die Freiheit zahlt sich aus!“ Wenn er das gesagt hätte als Bürgerrechtler, es wäre glaubwürdig gewesen.

Die Rede war eine Rede für die Vergangenheit, eine Revolution, die vor über 20 Jahren stattgefunden hat, ist niemandem mehr gefährlich, sie kann man wunderbar beklatschen. Den Bogen zu spannen ins Jahr 2011 schien ihm wohl zu riskant – Schade.

Schaun mer mal

Nun bin ich neugierig wie er sich als Bundespräsident im zweiten Anlauf machen wird. Die einzigen die fein raus sind, sind Kanzlerin Angela Merkel und die Linken. Merkel, weil sie immer die Ausrede haben wird, dass sie ihn nicht wollte und die Linken wurden nicht gefragt. Die SPD und die Grünen wurden vom Coup der FDP überrascht, denn eigentlich war Joachim Gauck nur mehr eine Verhandlungsmasse für sie.

Aber wie sagen wir in Österreich so schön: Schaun mer mal!

Link zur Festspielrede:

http://www.salzburg.gv.at/festrede_gauck_2011.pdf

 

Ich eile durch die Straßen der Stadt. Die eisige Kälte sitzt ihr noch im Nacken. Sie sieht mitgenommen aus. Grau in grau. Schneematsch. Februarwetter eben. Ich fröstle ebenfalls. Die Verkühlung lähmt mich noch ein wenig. Ich bin verschnupft. Missmutig gehe ich zum nächsten Termin, etwas grantig, wie wir es hier in Österreich so gerne sind.
Ja und da gibt es schon eine Menge an Dingen, die mich aufregen: Das neue Sparpaket zum Beispiel: Ich zahle schon sehr viele Steuern bei einem nicht sonderlich satten Gehalt. Oder die Berichterstattung der Kronenzeitung, die menschliche Tragödien schamlos missbraucht und das Leid der Angehörigen in Quoten verwertet. Ja und gestern das desaströse Fußballspiel. Oder, dass ich eben wieder verkühlt bin. Das ärgert mich im Moment. Es gibt 1001 Möglichkeiten sich aufzuregen, und es kommen ständig neue Gründe hinzu.
Wir haben in der deutschen Sprache sehr viele Begriffe, das Jammern auszudrücken. Aber in Österreich gibt es noch viel mehr: lamentieren, sudern, sempern, sumpern, trenzen, raunzen, maunzen, … Da gibt’s nichts zu lachen.
Nun hat das Jammern auch eine Funktion: Ich rege mich auf, aber brauche eigentlich nichts zu verändern. Ich verweile im Zustand der Passivität. Und während mir dies in den Sinn kommt, bleibe ich stehen, und ein Lächeln steigt in mir hoch: Es meint: Nimm dich nicht so wichtig. Ich gehe mit diesem Lächeln weiter und bemerke, dass die griesgrämigen Blicke mir gegenüber sich ebenfalls verändern. Ihre Mundwinkel heben sich nach oben. Und dann muss ich lachen. Über die anderen und mich selbst.
Selbst Jesus kann hier perfekt zitiert werden: „Selig, die ihr jetzt weint, denn ihr werdet lachen.“ (Lukas 6,21) Wann passt das eigentlich besser als im Fasching? Bis kommenden Dienstag haben wir noch Zeit, mal richtig loszulachen. Verrückt zu sein. Aber auch danach darf noch gelacht werden: Deshalb lade ich zu „Comedy im Pub“ ein, einer salzburger Plattform für neue Kabarettist(inn)en und Comedians. Da können alle mitmachen und (fast) alles ist erlaubt.

www.comedyimpub.com

 

Es ist der Blick! Der Blick auf den majestätischen Bosporus, der zwei Kontinente trennt. Der Blick auf die erhabene  Brücke, die zwei Kontinente verbindet!

Wer einmal in den Genuss „des Blicks“ gekommen ist, kann ihn nicht vergessen und will es immer wieder sehen. Istanbul ist ein Ausblick auf die Zukunft der Menschheit. Immer mehr Menschen drängen in diese Stadt und es scheint, dass Istanbul noch immer Platz hat. Platz für Männer und Frauen, die ihre Hoffnungen in der Stadt leben wollen. Istanbul empfängt die Menschen mit ihrer Schönheit, treibt viele mit ihrer Rauheit in die Verzweiflung und tröstet  sie dann wieder mit ihren Versprechungen und Verlockungen.

Eminönü

Ich kenne keinen intensiveren Platz  als Eminönü  in Istanbul. Zehntausende drängen sich zwischen Ägyptischen Bazar, Moschee, Schiffsanleger und Galatabrücke. Straßenhändler, die lauthals Käufer für Zahnbürsten, Batterien und Gebetsketten anlocken.  Taubenschwärme, die darauf warten, dass fromme Menschen ihnen bei den Futterverkäufern vor der Moschee ein Schälchen Körner spendieren. Frauen, die bepackt mit ihren Einkäufen und die Kinder am Rockzipfel einen Weg durch die Menge suchen. Der Duft von gegrilltem Fisch zieht vorbei. Man steht mittendrin ganz alleine und spürt doch das volle Leben, lässt sich zur Anlegestelle eines der Bosporusdampfer treiben.

Glück

Mit einem tiefen durchdringenden Tuten kündigt sich das Schiff an, ganz behäbig sucht es seinen Platz zum Anlegen. Unzählige Passagiere ergießen sich aus dem Schiff, während eine riesige Menge wartet den Schiffsbauch gleich wieder zu füllen. Am besten ist der Platz am Außendeck, das Schiff legt ab, grüßt nochmal die Stadt und dampft in Richtung Asien. Nach einigen Minuten öffnet sich der Blick auf die Kontinente und die Brücke. Der Blick zaubert allen Passagieren ein Lächeln ins Gesicht, den Armen, den Reichen den Alten und den Jungen. Mit dem Blick atmet man die ganze Energie Istanbuls ein und ist einfach glücklich!