Unter der Lupe: Unser Siegerlied – „Rise like a Phoenix“ von Conchita Wurst

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Ein Beitrag von Elisabeth Kaplan

cw1Ich muss zugeben, dass mich „Rise Like a Phoenix“ beim ersten Mal hören vor wenigen Tagen nicht gefesselt hat. Aber nachdem ich den Song gestern Abend gleich zweimal hören durfte, hat sich der Refrain bei mir eingebrannt, sodass ich kaum schlafen konnte. Für mich hat der Song erst durch den Live-Vortrag der Conchita Divina seine Qualität gezeigt. Denn um diesen Song wirkungsvoll rüberzubringen, braucht es nicht nur eine dementsprechend große Stimme, sondern auch eine dementsprechend große Persönlichkeit – und beides hat uns gestern Madame Wurst geboten. Ihr Auftritt war souverän und kraftvoll im Ausdruck, ohne jeglichen Schnickschnack.

Ein Song, wie gedacht für eine Diva des Größengrades von Shirley Bassey. Oder den man sich auch sehr gut am Anfang von „Bridget Jones“ vorstellen könnte, wenn Bridget im Pyjama zu „All By Myself“ von Celine Dion grölt. Oder, man könnte Vergleiche zu „Skyfall“ von Adele ziehen. Schon der Orchesterakkord, mit dem der Song beginnt, erinnert an den James Bond-Titelsong aus 2012, wobei „Rise Like a Phoenix“ im Gegensatz zu „Skyfall“ die Bezeichnung „Diva Ballad“ wahrlich verdient.

Was mir an „Rise Like a Phoenix“ gefällt ist erst mal das fette orchestrale Playback, vor allem ab der zweiten Wiederholung des Refrains, wenn die tiefen Blechbläser dazukommen. Und der letzte Refrain bietet da sowieso Gänsehautfeeling, wenn der Tonumfang noch einmal durch die hohen Trompeten erweitert wird. Dem Arrangement ist es zu verdanken, dass der Song nicht in die billige Ralph Siegel-Schiene abgerutscht ist (siehe den Beitrag von San Marino), sondern wirklich Klasse hat. Kein anderes Land hat ein dermaßen hochwertiges Playback geboten.

cw2Vergleiche mit der Bond-Musik der John Barry-Jahre kann man durchaus ziehen, wobei „Rise Like a Phoenix“ keineswegs einfach abgekupfert ist. Die typische Bond-Gitarre, beispielsweise, die „Skyfall“ stark prägt, spielt in „Rise Like a Phoenix#2 keine tragende Rolle, und die Harfe, die John Barry oft eingesetzt hat, fehlt auch.

Was mir an dem Song am meisten gefällt, ist ein kleines Detail. Die Versuchung, beim letzten Refrain eine Halbtonrückung nach oben zu machen war sicher groß, nicht nur weil das ein stilistisches Mittel ist, das für das Genre angemessen wäre, sondern auch weil es sich durchaus durch den Text rechtfertigen ließe („I’m gonna fly / And rise like a phoenix“). Und obwohl man sich denkt „so, jetzt kommts“ und die Gesangsmelodie sogar tatsächlich auf  dem Wort „rise“ einen Halbton höher ist als in den Refrains zuvor, bleibt die Tonart gleich. Das finde ich sehr elegant gelöst. Classy – wie unsere Conchita selbst.