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Eine Debatte bestimmt unser Land: „Wehrpflicht oder Berufsheer“. Im Jänner sind wir ÖsterreicherInnen aufgerufen uns für einen Weg zu entscheiden. Die Politik hat es geschafft in den letzten Jahren bemerkenswerte Kehrtwendungen zu vollziehen und jetzt sollen wir alle gescheiter sein, als Sicherheits-, Heeres- und MiltärexpertInnen.

Ich gebe ganz offen zu, dass ich mich für das Bundesheer nie richtig interessiert habe. Natürlich hat man immer wieder damit zu tun, erstmals ist es mir richtig bewusst geworden, als ein Klassenkollege 1986 erzählt hat, wie er vor der Gewissenkommission gestanden hat. Er wollte damals Zivildienst leisten und das war eigentlich noch was für „Drückeberger“. Heute muss der Zivildienst herhalten, um die Wehrpflicht zu rechtfertigen. So ändern sich die Zeiten. Und da sind wir schon mitten in der heftigen Diskussion um die Abschaffung der Wehrpflicht und die Einführung eines Berufsheeres.

Mich interessiert dann immer, was andere Länder so machen, besonders in Europa. Die meisten Staaten, 21 von 27 EU-Ländern, haben die Wehrpflicht abgeschafft oder ausgesetzt. Und in diesen Ländern gibt es trotzdem einen funktionierenden Rettungsdienst, Sozialvereine und Seniorenheime, die sich würdig um die Menschen kümmern. Der Vorschlag einen freiwilligen Sozialdienst auch finanziell entsprechend abzugelten finde ich gut. Das wertet auch die Berufe im Sozialbereich auf.

Immer wieder kommt das Argument, dass sich beim Wehrdienst junge Männer kennenlernen, die sonst wenig miteinander zu tun hätten. Reiche und weniger gut situierte, Migranten und Einheimische, Maturanten und Lehrlinge. Das Argument gefällt mir gar nicht. Wenn eine Gesellschaft ihre reale Vielfalt nur über den Wehrdienst kennenlernen kann, dann haben wir noch viel Arbeit vor uns, ein selbstverständliches Miteinander zu leben.

Was mir auch einleuchtet ist, dass aufgrund geburtenschwacher Jahrgänge weniger Wehrdienstleistende im Sinn der Sache ausgebildet werden. Mehr als die Hälfte von ihnen sind sogenannte Systemerhalter, also Kochen, Putzen und Schreibstube. Da ist es mir lieber, wenn Profis ausgebildet werden und die Systemerhaltung ganz normale Jobs werden.

Was ich auch nicht glaube ist, dass es in einer so komplex technisierten Militärwelt möglich ist Grundwehrdiener für einen Einsatz auszubilden. Was heute noch Standard ist, kann morgen schon längst überholt sein. Und die Zeiten als Soldaten einfach Kanonenfutter waren, sind Gott sei Dank in Europa vorbei.

Alles zusammengerechnet werde ich im Jänner für das Berufsheer stimmen. Obwohl es wahrscheinlich gescheiter wäre die Volksbefragung nicht zu machen, denn die Zeit ist zu kurz, um wirklich rational alle Argumente abwägen zu können. Es geistern zuviel Emotionen durch die ganze Debatte, denn tatsächlich geht es ja nicht um das Bundesheer, sondern um die politische Sandkastenfrage: Wer bäckt die meisten Kuchen?

Nachsatz: Aber eigentlich will ich eine Welt ohne Militärs, Kriege und blutige Konflikte, nur darüber gibt es keine Befragung der Völker!

http://zartbitter.co.at/allgemein/%e2%80%9estell-dir-vor-es-ist-krieg/

Seit einigen Jahren schwinge ich mich im Mai auf das Fahrrad und dann geht’s ab nach St. Radegund in Oberösterreich. Der winzige Ort im Innviertel ist der Geburtsort von Franz Jägerstätter. Jägerstätter hat im zweiten Weltkrieg den Kriegsdienst verweigert. Grund dafür war aber nicht irgendeine Form von Feigheit. Sondern er verweigerte jede Form der Unterstützung des nationalsozialistischen Systems. Dazu brauchte es großen Mut.
Er war kein Fanatiker. Seine Grundlagen waren sein Glaube und sein Gewissen. Und in der Folge die Konsequenz, für seine Haltung ein zustehen bis zu seiner Hinrichtung am 9. August 1943. Es gibt in dieser dunkelsten Zeit unserer Geschichte Millionen von Opfern des Systems. Was diesen Fall so außergewöhnlich macht ist, dass er sehr gut dokumentiert ist. Nicht zuletzt aus dem Briefverkehr mit seiner Frau Franziska.
Jägerstätter ist mir deswegen so sympathisch, weil er ein ganz einfacher Bauer war. Auch wenn ihn die Katholische Kirche 2007 selig gesprochen hat, so macht es wenig Sinn, ihn abgehoben und entrückt darzustellen. Seine Ausbildung reichte nicht über die Grundschule hinaus. Dennoch liebte er es zu lesen. In seiner alternativen Lektüre liegt auch der Schüssel für seine kritische Haltung dem Regime gegenüber.
Seine wichtigste Begleiterin in seinem Leben war seine Frau Franziska. Die heute 99 jährige Frau ist immer zu ihm gestanden. Sie hat seine Entscheidung akzeptiert, auch wenn es mit den drei Kindern extrem schwer für sie gewesen ist. Nach dem Krieg bekam sie anfangs nicht einmal eine Witwenpension. Das war für Deserteure nicht vorgesehen.

Franziska Jägerstäter mit Angelika Bamer-Ebner

Wenn Jägerstätter für sein Verhalten kritisiert wird, er habe sein Vaterland und sein Familie im Stich gelassen, dann fällt mir nur ein: Wenn mehrere so gehandelt hätten wie er, und eine kritische Masse des inneren Widerstands sich gebildet hätte, hätte das bestialische System keine Chance gehabt. Er schreibt in einer Aufzeichnung nach seiner Verurteilung zum Tode: „Wenn ich sie [meine Worte] auch mit gefesselten Händen schreibe, aber immer noch besser, als wenn der Wille gefesselt wäre.“ Dieser Mensch imponiert mir einfach und ist ein Stachel im eigenen Fleisch, dass ich es mir selbst gemütlich in meinen abgesicherten Lebensumständen mache. Er gibt mir Kraft, selbst mutig gegen Ungerechtigkeiten aufzutreten.

Am 19. Mai ist es wieder soweit: Rauf auf das Bike und ab nach Radegund …