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Wählen in Österreich ist eine einfache Sache. Zettel her, kreuz machen, einwerfen. Trotzdem sind unsere Wahlbeteiligungen nicht berauschend.

Vor ein paar Jahren hatten wir in der Stadt Salzburg gleichzeitig Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen – da wurde es für manche Menschen schon kompliziert. Als Wahlbeisitzer habe ich einige Male folgende Frage gehört: „Warum geben Sie mir so viele Zettel? Ich will doch nur wählen gehen.“

In den USA liegt die Wahlbeteiligung etwa bei etwas über 55 Prozent – noch niedriger als bei uns. Aus den Medien war in letzter Zeit wieder zu erfahren, warum das so ist und wie es manchen Wählergruppen absichtlich schwer gemacht wird, sich zur Wahl zu registrieren.

Aber es gibt da noch einen anderen Grund – zumindest glaube ich, dass es noch einen Grund gibt: Abgesehen davon, dass über die Präsidentschaft, Kongress und andere Ämter abgestimmt wird, entscheiden die Menschen hier auch über eine Vielzahl von Gesetzesvorlagen.

223 Seiten voller Juristenenglisch – alleine der „Kurzüberblick“ ist 10 Seiten. Wer liest sich das alles durch? Und wer versteht das dann wirklich?

223 Seiten voller Juristenenglisch – alleine der „Kurzüberblick“ ist 10 Seiten. Wer liest sich das alles durch? Und wer versteht das dann wirklich?

Jeder Haushalt erhält verschiedenste kleinere Büchlein mit gut gestalteten, leicht verständlichen Informationen übers Wählengehen. Zusätzlich kommt aber auch ein dicker Katalog, der die gesamten Texte der Gesetzesvorlagen enthält, über welche die Menschen entscheiden sollen – samt Änderungen und Streichungen. Dazu gibt es auch ausführliche Beschreibungen der Pro- und Kontra-Argumente. 223 Seiten voller Juristensprache umfasst dieser Katalog in Kalifornien.

So indirekt der Präsident bzw. hoffentlich die Präsidentin hier gewählt wird (letztlich wählen ja die Wahlmänner jedes Staats den Präsidenten), so viel direkte Demokratie gibt es. Und die wird ja sehr oft bei uns verlangt.

Darum stelle ich mir die Frage: Wie viele Leute würden sich bei uns an dieser Art der direkten Demokratie beteiligen? Und ist das überhaupt sinnvoll? Immerhin geht dabei oft es um hochkomplexe Fragen. Oder sollten wir nur mit werbeplakatgerechten Sprüchen zu einer Entscheidung bewogen werden? Diesen Eindruck habe ich oft. Denn mehr direkte Demokratie wird bei uns in Österreich meist dann verlangt, wenn Populisten ein passendes Thema gefunden haben, mit denen sich Emotionen schüren lassen.

Und noch was

Facebook schickt heute allen eine Erinnerung, dass Wahltag ist. Man kann per Button das zuständige Wahllokal finden, die Route dorthin ansehen, sich anmelden und auf Facebook bekannt geben, dass man schon gewählt hat – so sollen auch andere motiviert werden auch tatsächlich hinzugehen. Nicht schlecht, oder? Was haltet ihr davon?

fb-wahlerinnerung

Die Wahl ist in Wien ist vorbei. Und fast 70% der Wiener sind mit dem Ausgang der Wahl wohl zufrieden – Hauptsache Strache ist weit davon entfernt, Bürgermeister zu werden. Und zwar so weit, dass man ihn durchaus als Verlierer der Wahl bezeichnen kann. Wie kann das sein? Die FPÖ hat immerhin beachtlich zugewonnen, während die SPÖ 4% der Stimmen verloren hat.

Doch das erklärte Ziel der FPÖ war es, Kopf an Kopf mit der SPÖ zu liegen und diese sogar zu überflügeln. Strache sollte Bürgermeister werden. Nach dem vorläufigen Ergebnis liegt die SPÖ fast 9% vor der FPÖ. Das ist tatsächlich eine herbe Niederlage für die Blauen und schwer zu verwinden. Im Netz verbreiten deren Anhänger bereits, man habe die Partei um 50% ihrer Stimmen betrogen.

Alle haben mitgemacht
Währenddessen herrscht in ganz Österreich großes Aufatmen. Im ganzen Land wurde im Zuge des Wiener Wahlkampfs leidenschaftlich, ja, bis ins Hysterische hinein diskutiert. Anhänger der FPÖ wurden als Rechtsextremisten und Dummköpfe beschimpft, die anderen als linkslinkes Gutmenschenpack – und das sind noch die nettesten Ausdrücke. Man hat sich gegenseitig nichts geschenkt. Und es wurde ein tiefer Riss in der Gesellschaft sehr deutlich sichtbar. Erschreckend!

Thema Asyl verhindert FPÖ-Sieg?
Losgetreten hat das die FPÖ, indem sie sich völlig ins Thema Asyl verbiss. Michael Häupl wollte sich aber nicht von den Blauen treiben lassen, sondern bekannte sich mit Nachdruck zu einer menschlichen Politik. Und fast 70% der Bevölkerung Wiens haben mit ihren Stimmen ausgedrückt, dass Sie die Ausgrenzung, die Angstmache gegen Flüchtlinge ablehnen.

Strache hat bereits in ersten Interviews zum Wahlergebnis zu beklagen begonnen, dass die FPÖ trotz ihrer Stärke ausgegrenzt wird, dass man damit ein Drittel der Wiener Bevölkerung nicht respektiere, wenn man die FPÖ nicht mitregieren lasse. Doch es war von vornherein klar: Ohne Nummer 1 zu sein, konnte die FPÖ nie damit rechnen zu regieren.

Die FPÖ hat sich mit ihrer Art, wie sie den Wahlkampf in den Sozialen Netzwerken führte, noch mehr zum Schmuddelkind gemacht, als sie es schon vorher war. Was bringen 31%, wenn mich dann doch keiner mitspielen lassen will? Am Ende hat sich die FPÖ durch ihre fremdenfeindlichen Wahlkampfaussagen selbst geschadet und gefällt sich nun wieder einmal in der Opferrolle.

Seid nett zueinander
Doch die gute Nachricht ist: Es besteht jetzt die Möglichkeit, dass wir alle gewinnen. Alle Menschen in ganz Österreich. Ja, es wird weiter über Asyl debattiert werden. Das müssen wir auch. Doch so, wie wir das in den letzten Wochen getan haben, war es auf beiden Seiten völlig überhitzt und voller persönlicher Beleidigungen – vor allem in den Sozialen Netzwerken.

Jetzt, wo keine Partei mehr eine Wahl mit dem Thema gewinnen muss, sollten wir alle unsere Gemüter abzukühlen. Wir müssen aufhören uns gegenseitig zu beschimpfen, müssen wieder versöhnlicher werden und etwas respektvoller miteinander umgehen. Wenn wir wie in den letzten Wochen weitermachen, werden wir den Riss in der Gesellschaft am Ende nicht mehr kitten können.