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Teil 1 über meine erste Reise im Rolli ist schon eine Weile her: Lest hier: Der Anreisetag

Die erste Nacht im französischen Bett war sehr angenehm. Gut, ich kann eigentlich immer und überall schlafen. Aber hier war es trotzdem schön. Bei Beginn der Reise, vereinbarten wir, dass wir nicht im Hotel, sondern jeden Tag woanders in einem kleinen, typisch französischen Cafe unser Frühstück zu uns nehmen. Ich kann ja ohne Frühstück gar nichts! Die Idee mit den kleinen, niedlichen Cafés gefiel mir sofort, hatte ich doch noch die wunderbare alte American Express Werbung mit Alfred Biolek aus den 90ern im Gedächtnis.

Allerdings haben wir dahingehend die Rechnung ohne den Wirt gemacht, dass wir nicht wussten, wie weit unser Hotel vom Zentrum entfernt ist. Ängstlich wie wir allesamt waren, nahmen wir das erste Frühstück doch lieber im Hotel ein. Gut, die Angst der anderen bestand darin, dass ich in buntesten Farben schilderte, wie zickig ich ohne Frühstück sein kann! Das Gebotene war den Preis wert, kurz gesagt gut und preiswert. Gestärkt bestiegen wir unseren eleganten, silbermetallicfarbenen Bus und starteten zeitgleich das Handy-Navi. Die Fahrt führte uns über die Autobahn durch eine schöne Landschaft. Sehen konnten wir die schöne Gegend, weil es hier keine Verschachtelung der Autobahn wie bei uns gibt.

Ich hab mir alles aus der Ferne angesehen

Ich hab mir alles aus der Ferne angesehen

Ohne Verfahren kamen wir im Laufe des Vormittags an der Kriegsgräber-Gedenkstätte nahe Verdun an. Alleine die Zufahrt war schon sehr beeindruckend. Tausende weiße Kreuze und Grabsteine in Reih und Glied! Als wir anreisten, waren nur wenige Besucher da und wir konnten direkt an der Gedenkstätte parken. Kaum war der Turbodiesel abgestellt, ging schon die hintere Schiebetür auf. Mein Rollstuhl wurde mir schnell hingestellt und nicht wie sonst gewartet, bis ich aus dem Wagen rutschte. Nein, zwei der Jungs zischten sofort mit der Kamera los und bestaunten die Anlage. Die anderen zwei hatten noch Hunger und stürzten sich auf die Reste der Jause, die noch vom Anreisetag übrig waren. „Gut“, dachte ich mir. „Schwingst dich halt alleine aus der Fuhre!“ Ich rutschte wie schon zuvor nicht sonderlich elegant aus dem Wagen. Fest hielt ich mich an der offenen Tür. Das war ja kein Problem. Im Hintergrund hörte ich die beiden anderen schwatzen und schmatzen. Vorm hinsetzen in den Rollstuhl musste ich mich aber zurecht machen. Das Unterhemd gehörte in die Hose gesteckt und diese raufgezogen. Nur ist das Ganze schwierig, wenn man sich festhalten muss. Also lehnte ich mich mit der Stirn an den Fensterrahmen des Busses und versuchte, die Prozedur zu erledigen. Nun ist es bei mir so, dass ich mich beim Stehen und Gehen auf meine Fussi konzentrieren muss. Während ich mit beiden Händen an meiner Hüfte hantierte, ließ die Spannkraft in meinen Knien nach und ich rutschte mit der Stirn langsam über die Seitenscheibe nach unten. X-beinig lehnte ich da. Ich sah aus wie eine Giraffe am Wasserloch! Die beiden hinter mir stehenden Mitreisenden, nahmen davon keine Notiz. Leises bitten um Hilfe wurde von ihren Schmatzgeräuschen übertönt. Ich musste also etwas lauter auf mich aufmerksam machen, während ich mit der Stirn immer weiter übers Seitenfenster runterrutschte. Endlich. Die Schwatzenden und Schmatzenden, wandten sich mir zu. Sicherlich gleich mit helfender Hand, aber auch schallend lachend! Gerade noch gerettet und schnaufend im Rollstuhl angekommen, konnte ich mir mindestens fünf Minuten lang schallendes Gegacker über meine schiefe Optik anhören! Furchtbar und nicht der Gedenkstätte angemessen!

Alles in Verdun dreht sich um den ersten Weltkrieg. Die Souvenirläden sind voll mit solchen Dingen. Der Schrecken: ein Geschäft

Alles in Verdun dreht sich um den ersten Weltkrieg. Die Souvenirläden sind voll mit solchen Dingen. Der Schrecken: ein Geschäft

Als die Lachtränen letztlich doch noch versiegten, ging es dann doch los, die Gedenkstätte zu erkunden. Sehr spannend und bedrückend. In einem Raum sind abertausende, nicht zuordenbare Gebeine aufgetürmt. Die sterblichen Überreste der gefallenen Franzosen liegen in den Gräbern mit den weißen Kreuzen und Grabsteinen. Die identifizierten, gefallenen Deutschen wurden außerhalb beerdigt, hier unter schwarzen Kreuzen. Dieser Friedhof war an einem ziemlich steilen Hang angelegt und ich betrachtete ihn nur vom Auto aus, während die anderen den Hügeln hinaufstiegen und interessiert die Inschriften lasen. Nach ausgiebiger Besichtigung, fuhren wir los zu einer anderen Sehenswürdigkeit in der Nähe. Nämlich die Schützengräben. Wieder konnte ich nicht mit, da die Anlage nicht barrierefrei war. Wieder blieb ich derweilen wie ein zurückgelassener Pudel in dem Auto sitzen. Die Ruhe war dann doch ganz gut, schließlich wurde während der Fahrt noch mal mein Türerlebnis breitgetreten! Meine treusorgenden Freunde kamen bald wieder, die Gräben waren nicht sehenswert. Also fuhren wir los um das Fort Vaux zu besichtigen. Das ist eine alte Wehranlage aus dem 17. Jahrhundert.

Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist, hält man zuerst Ausschau, wo denn eine barrierefreie Keramik ist. Bei dieser Anlage war überhaupt keine, weder eine normale, noch eine barrierefreie. Unsere mitreisende Freundin ging in den Touristenshop und erkundigte sich, ob und wo denn eine Toilettenanlage sei. Die Dame verneinte und sagte gleichzeitig, dass das Wildpinkeln strengstens verboten sei. Nun, das kommt ja im Rollstuhl sitzend ohnehin nicht infrage. Wir rollten weiter und nach ungefähr zehn Metern kam die besorgte Dame aus der Touristenfalle und plärrte uns nach, dass wir auf gar keinen Fall Lulu machen dürften. Also Leute gibts! Wir beschwichtigten sie, dass wir das eh nicht vor hatten und nur zur Vorsicht gefragt hatten. Somit war für mich der Besichtigungstag vorüber.

Zum Abschied köstlich gegessen im sehr urigen Chez Mamie

Zum Abschied köstlich gegessen im sehr urigen Chez Mamie

Bereits bei der Anfahrt zur Gedenkstätte, waren wir in „Downtown” Verdun an einem kleinen, typisch französischen Lokal mit dem klingenden Namen „Chez Mamie“ vorbeigefahren. Ob das wohl gut ist? Es gab jedenfalls einige Treppen rauf in das Lokal im alten Häuschen. Für mich nicht ideal. Nach unserem Sightseeing-Tag bei den Kriegsgedenkstätten fuhren wir nochmals nach Verdun hinein und schlenderten 15 Minuten herum. Zufällig kamen wir zu einer kleinen, aber feinen Chocolaterie. Dort stöberten wir ein wenig und machten natürlich Beute. Die zwei Herren darin, der Schokomeister und sein Angestellter, waren sehr freundlich und hilfsbereit. Bevor wir mit unseren vollen Taschen das Geschäft verließen, fragten wir, wo wir denn in Verdun zum Essen gehen könnten. Das sei schwer. Sie nannten ein, zwei Lokale, die in Ordnung seien. Es sei schwierig, in Verdun richtig gut essen zu gehen. Auf Nachfrage, was sie von „Chez Mamie“ halten, erhellten sich die Antlitzer der beiden. Wenn wir einen Platz bekämen, seien wir dort bestens aufgehoben. Wir riefen an und das Glück war uns tatsächlich hold.

Die Treppe hinauf ins Lokal hielt uns nicht ab, denn manchmal geb ich meine Selbstbestimmtheit gerne auf. Ich ließ mich mitsamt meinem Rollstuhl von den anderen hochhieven und genoss unseren Platz mitten unter den Einheimischen. Herrlich würziges Brot, Foie Gras, Miesmuscheln, Entrecote und Rotwein. Aber nicht nur Essen und Trinken waren wie im französischen Film – auch die Stimmung.

Nach der wunderbaren Labung ging es hauptsächlich über die Landstraße zurück nach Metz – durch eine Gegend so stockfinster wie man es selten erlebt. Nach der Ankunft zogen sich alle erschöpft, zufrieden und eindrucksschwanger in unsere französischen Betten zurück. Gute Nacht Mary-Ellen!