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von Bernhard Damoser

Spätestens seit Herbst 2015 ist die Flüchtlingsthematik in aller Munde und DAS Thema in den Medien, am Stammtisch und überhaupt. Menschen haben ja verschiedenste Gründe und Begründungen, ihre Heimat zu verlassen – sei es wegen Krieg, Armut oder aus höchstpersönlichen Gründen. Im Rahmen meiner Tätigkeit in der HOSI Salzburg und im Zuge meiner Masterarbeit habe ich mich mit der Situation von Asylwerber*innen mit LGBTI-Hintergrund auseinandergesetzt. LGBTI ist ein internationaler Sammelbegriff für schwule, lesbische, bisexuelle, transidente sowie intersexuelle Menschen. Als QUEER bezeichnen sich Menschen, die sich eben nicht in eine heterosexuelle Norm einfügen lassen wollen bzw. können. Ich beschäftige mich also mit der Lebensgeschichte sowie der aktuellen Lebensrealität von Menschen, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung bzw. geschlechtlichen Identität von zu Hause flüchten mussten und in Österreich gelandet sind.

Tod den Homosexuellen?

Die Geschichten und Erfahrungen, die diese Menschen zu erzählen haben, sind alles andere als banal, sie sind zumeist sehr bewegend und teils verstörend. Man muss sich dabei vor Augen führen, dass im Jahr 2016 Homosexualität in beinahe 80 Ländern der Erde strafbar ist, man also offiziell dafür verfolgt wird, einen Menschen des gleichen Geschlechts zu begehren bzw. zu lieben. In acht Staaten (Saudi-Arabien, Iran, Mauretanien, Jemen, Somalia, Nordnigeria, Irak, sowie in den vom IS besetzen Gebieten Syriens und Teilen Afghanistans), in denen überwiegend die Scharia-Gesetzgebung gilt, steht auf homosexuelle Lebensweisen gar die Todesstrafe!! Doch auch in Ländern, in denen LGBTI-Lebensweisen nicht offiziell bestraft werden (vgl. Russland, Südost-Europa, etc) haben diese Menschen häufig mit gesellschaftlicher Ausgrenzung und Gewalt zu rechnen. Auch Trans*- und Inter*-Personen werden häufig verfolgt und gesellschaftlich geächtet, weil sie sich nicht einem starren Geschlechtersystem anpassen wollen bzw. können.

Einzige Chance: Flucht

So bleibt diesen Menschen in den Herkunftsländern häufig nur ein Leben in permanenter Furcht vor Verfolgung, Ausgrenzung, Diskriminierung oder Tod. In einigen Gebieten, vor allem in der arabischen Welt, ist männliche Homosexualität zwar weit verbreitet, jedoch wird (wenn überhaupt) nur der männliche, aktive Part beim Sex akzeptiert. Als „weiblich“ abgestempelte Männer sind demnach einer großen Stigmatisierung und sexueller Gewalt ausgesetzt. Als Alternative besteht häufig nur die oft gefährliche Flucht in Länder, in denen Menschen mit LGBTI-Hintergrund freier leben können und mehr vor Verfolgung geschützt sind, beispielsweise nach Österreich.

In zahlreichen Gesprächen mit betroffenen Asylwerber*innen wurde mir über Angst, Verfolgung und Unterdrückung in den Heimatländern sowie über enttäuschte Hoffnungen hierzulande berichtet. LGBTI-Flüchtlinge sind wie beispielsweise auch allein reisende Frauen oder christliche Minderheiten in den Massenunterkünften des Asylwesens auch in Europa bzw. Österreich häufig Gewalt und Diskriminierung durch andere Bewohner ausgesetzt. Die Angst vor der Herkunftscommunity wurde mir in allen Gesprächen als äußerst belastend und bedrohlich geschildert. Problematisch ist in diesem Zusammenhang auch, dass Mitarbeiter*innen in Behörden und in den Unterkünften dahingehend oft wenig sensibilisiert sind oder zeitliche Ressourcen schlichtweg fehlen. Folgendes Zitat eines schwulen, irakischen Asylwerbers verdeutlicht die Situation in der Unterbringung:

“It’s difficult to keep your emotion in. It’s very difficult not to find anyone to tell. It’s very difficult and I’m crying a lot, I’m crying every day but I cannot find someone to hug and cry.”

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Mehr Hilfe durch Information

Umso wichtiger ist es, dass ein Bewusstsein für die mehrfache Diskriminierung dieser Menschen geschaffen wird, und zwar in der Politik, in den Asylbehörden und den entsprechenden Einrichtungen. Das Leid von geflüchteten LGBTI-Personen hat während des Asylverfahrens im Aufnahmeland häufig kein Ende und deren Situation kann nur durch zielgruppengerechte, geschützte Unterbringungsformen sowie entsprechende Beratung und Betreuung wesentlich verbessert werden. Um hier wichtige und richtige Schritte zu setzen, müssen wesentliche Entscheidungsträger und Organisationen im Asylbereich diese Problematik erkennen und die Herausforderung gemeinsam angehen. LGBTI-Organisationen wie die HOSI spielen hierbei eine zentrale Rolle und könnten in puncto Sensibilisierung, Wissenstransfer sowie Betreuung und Begleitung betroffener Personen wesentliche Aufgaben übernehmen, sofern die finanziellen und personellen Rahmenbedingungen sichergestellt werden. Ich hoffe, mit diesen Zeilen etwas zu dieser Bewusstseinsbildung beitragen zu können, denn diese Menschen verdienen es einfach, gehört und aus ihrer oft unerträglichen Situation befreit zu werden.

Vier Flüchtlinge aus vier Ländern werden an der Universität Salzburg im Rahmen des Projekts „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ über ihr gefährliches Leben berichten. Darunter auch Gerald Manjuo, der von Kamerun nach Salzburg kam und den wir nun näher vorstellen. 

Früher war Gerald Manjuo als Reiseführer auf der gesamten Welt unterwegs. Er arbeitete unter anderem einige Jahre für die Swiss Air, darum spricht der Kameruner auch sehr gut Deutsch. Im Juni dieses Jahres  kam er nach Traiskirchen, seit Juli wohnt er in Salzburg. Er musste flüchten, weil er in seinem Heimatland Kamerun politisch verfolgt wurde.

Der afrikanische Staat war bis zum Ende des 1. Weltkriegs eine deutsche Kolonie. Danach wurde er zwischen den Briten und Franzosen aufgeteilt. Seit 1960 ist Kamerun eine Präsidialrepublik mit einer eigenen Verfassung, dennoch besteht noch immer eine große soziale Kluft zwischen den beiden Territorien. Gerald Manjuo kommt aus dem ehemals britisch besetzten Teil Kameruns, genauer gesagt aus der Zwei-Millionen-Metropole Douala, das im Südwesten an den Atlantik grenzt.

„Kamerun ist geprägt von Korruption, und es gibt ständig Menschenrechtsverletzungen. Der Westen des Landes steuert vor allem durch die Öl-Vorkommen einen Großteil für das wirtschaftliche Vorankommen bei, dennoch werden wir noch immer unterdrückt“,  erklärt der 43-Jährige.

Also habe er sich mit anderen Gleichgesinnten zusammengeschlossen, um gegen diese Ungerechtigkeiten vorzugehen. Bei einem Treffen der 53 Staaten des Commonwealth hatte er die Möglichkeit, seine Anliegen den ausländischen Politikern zu schildern. „Ich war danach drei Wochen im Gefängnis, konnte mit niemandem sprechen.“ Sie hatten ihm während dieser Zeit auch gedroht, dass er bei einem weiteren Verstoß die Todesstrafe bekommen würde.

Dennoch ließen sich Gerald Manjuo und seine Mitstreiter nicht mundtot machen. „Wir haben eine Gruppe gegründet und versucht, vor allem über die Medien auf die Missstände aufmerksam zu machen.“ Nach einem Bombenanschlag auf ein Studentenheim wurde seine Gruppe als Drahtzieher des Attentats beschuldigt, obwohl es keinerlei Beweise gab. „Das war für die Regierung eine gute Chance, uns loszuwerden.“ Manjuo musste sich daraufhin verstecken, durch gute Kontakte gelang ihm schließlich per Flugzeug die Flucht. Zuerst in die Türkei und dann nach Österreich.

Nun versucht er, den Dialog mit Politikern in ganz Europa zu suchen. „Europa hat an unserer Misere großen Anteil und muss uns endlich helfen“, sagt er. Er hofft, dass der jetzige Präsident in Kamerun, Paul Biya, der bereits seit  1982 im Amt ist, bald Geschichte sein wird. „Er ist  82 Jahre alt. Ich sehne mich nach einem Ende seiner Herrschaft“, sagt Gerald Manjuo, der hofft, in ein paar Jahren zu seiner Familie nach Kamerun zurückkehren zu können.

Informationen zum Projekt: „refugee stories – Geschichten einer Flucht“ wurde vom Friedensbüro und dem Verein Intersol ins Leben gerufen. Vier Flüchtlinge erzählen in der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät über ihr Leben auf der Flucht. Die Termine der moderierten Gespräche sind am 28. Oktober, 11. November, 25. November und 9. Dezember ab jeweils 17.30 Uhr im Hörsaal 381.