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IT bzw. ES: Ein kurzer Titel, der uns kollektiv erschauern lässt. Denn die meisten sind überzeugt: Was für ein gruseliger Film das doch war. Damals Anfang der 90er Jahre. Bemerkenswert für einen Fernseh-Zweiteiler mit mittelmäßigen bis schlechten Schauspielern. (John Boy mit Brillen und langen Haaren! Fast so gruselig wie Tim Curry als Clown Pennywise.)

Ich glaube, IT wird auch künftige Generationen von Filmfans erschauern lassen. Auf alle Fälle ist die Neuauflage schon heute ein bemerkenswerter Film. Nach einem enttäuschenden Sommer für die Filmindustrie hat er ein Vielfaches seines kleinen Budgets hereingespielt und mehr eingebracht, als die meisten aufwändigen Großproduktionen. IT zeigt ihnen die lange Nase. Nach knapp einem Monat Laufzeit ist IT sogar der erfolgreichste Horrorfilm aller Zeiten.

Worum geht’s?

Die Handlung muss man nicht mehr lange vorstellen. Im Städtchen Derry geht alle 27 Jahre das Grauen um – Kinder verschwinden. Eine Gruppe Jugendlicher nimmt es mit einem Bösen Wesen auf und versucht, ES ein für alle mal aus der Welt zu vertreiben.

Das Grauen

Pennywise der tanzende Clown hat sich allen ins Gedächtnis eingebrannt: Tim Curry spielte ihn einst bunt und schrill. Kostüm und Make-up waren nicht aufwändiger oder origineller als die eines Kindergeburtstags-Clowns. Trotzdem: Er hat uns das Fürchten gelehrt.

27 Jahre nach der Verfilmung mit Tim Curry, kehrt ES zurück. Wir erleben heute Bill Skarsgard als Pennywise. Und – wow! – oh wie großartig gruselig sieht schon das eng anliegende Clowns-Kostüm mit der aufwändigen Halskrause aus. Insgesamt wirkt es wie aus der Renaissance. Und erst das Make-up und die Zähne. Diese unglaublich gruseligen Hasenzähne.

Doch ES ist in seiner wahren Form kein Clown. ES ist ein Wesen, älter als die Zeit. Das absolut Böse. ES hat telepathische Fähigkeiten und nimmt jede Form an, die seinem Opfer Angst macht. ES nährt sich von dieser Angst.

Die Kinder der 80er Jahre

Stephen Kings Geschichte wird von den 50er Jahren in die 80er verlegt und man erkennt kaum den Unterschied. Irgendwie scheint die trügerische Kleinstadt-Idylle und das Leben dort kaum anders als im Buch oder in der Verfilmung aus 1990 dargestellt. Man erkennt die Zeit-Periode nur an Computerspielen, BMX-Rädern und Filmplakaten etc.

Die Geschichte dreht sich um eine Gruppe von sieben Kids – sie nennen sich der Club der Verlierer.
Der Club der Verlierer hat seine Gegenspieler: Eine Gruppe Halbwüchsiger – echte Bullies. Sie drangsalieren, erniedrigen, bedrohen und greifen die Schwächeren regelmäßig an. Sie tun das ohne Grund. Einfach, weil das ihre Rolle ist. Eine Gruppe Loser einerseits und Stänkerer andererseits, sie sind eine typische Zusammensetzung in Stephen Kings Romanen – zum Beispiel in Stand By Me.
Von den Erwachsenen ist niemand normal. Der offenbar pädophile Apotheker, der gewalttätige Vater von Beverly (dem einzigen Mädchen im Losers Club), die Mutter, die ihren Sohn an sich bindet, indem sie ihm krankhafte Ängste einredet.

Ob Bullies oder Erwachsene: Ihre Charaktere haben keine Tiefe. Sie sind nur da, um ihre Funktion zu erfüllen und unsere jungen Helden des Losers Clubs vom Rest der Stadt abzugrenzen. Letztere sind auch die einzig guten Menschen in der Story. Das wirkt ein bisschen schwerfällig. Doch vielleicht entspricht das auch der Wahrnehmung der durchschnittlichen 12–13-jährigen: Ältere Geschwister und Erwachsene sind gegen uns und verstehen uns nicht.

Übers Erwachsenwerden

Der Club der Verlierer. Sich seinen Ängsten stellen als Schritt zum Erwachenwerden

Immer wieder höre ich: Im Grunde ist IT ein Coming Of Age–Film, also ein Film übers Erwachsenwerden. Die Erwachsenwerdensgeschichte tritt allerdings in den Hintergrund. Sie kann gar nicht so viel Platz einnehmen wie im Roman von ca. 1500-Seiten. Am Ende, wenn die Loser ES besiegt haben (haben sie das wirklich?) sind sie freilich alle etwas an Erfahrung reifer. Sie haben mit sich gerungen, um ihre Ängste zu überwinden. Wahrscheinlich sind sie dadurch erwachsener geworden. Es fehlen im Film jedoch alle nicht jugendfreien Szenen aus dem Roman, die das Erwachsenwerden wohl noch deutlicher unterstreichen sollen.

Nennt mich ignorant, aber mich interessiert der Coming of Age-Aspekt gar nicht. Ich will Horror sehen. Oh, und den gibt es. Schon im Prolog, als das Papierschiffchen des kleinen Henry den Gulli hinunterschwimmt und wir Pennywise zum ersten Mal begegnen. Was für ein Auftakt.

Fütter mich!

Nährt sich von deiner Angst: Pennywise

Und so folgen wir den sieben jungen Hauptfiguren mit ihren Ängsten – und wie ES diese Ängste zu nutzen weiß. Alle sieben haben erste Begegnungen mit ES. Dann zweite, bedrohlichere Begegnungen. Wenn der Film die Jungs und das Mädchen in der ersten Hälfte der Laufzeit begleitet, dann springen wir immer von einer Figur zur anderen. Es mangelt zwar nicht an wunderbaren, mitunter surrealen Horror-Szenen, aber die Geschichte erhält in diesem Teil leider keinen richtigen Fluss. Erst nach der Mitte des Films bleibt die Gruppe zusammen. Die Geschichte wird stringenter und nimmt an Fahrt auf – Willkommen auf der Achterbahn! – bis zum furiosen Ende.

Dem furiosen, vorläufigen Ende, muss man sagen. Denn Stephen Kings Roman verwebt die Geschichte der erwachsenen Mitglieder des Losers Clubs mit ihren Erinnerungen aus der Kindheit. Der Film IT entwirrt diese beiden Zeitlinien. ES kehrt 27 Jahre später wieder zurück und hat die Loser nicht vergessen. Sie müssen daher durch ihren verdrängten Kindheitserinnerungen für ihr gegenwärtiges Leben lernen. Wir treffen die Erwachsenen alter Egos der Kinder also in zwei Jahren wieder im Kino, wie Warner Brothers letzte Woche bekannt gegeben hat. Kein Wunder bei dem Riesen-Erfolg. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon drauf.

Bitte nicht missverstehen: IT ist deshalb kein unfertiger Film. Es gibt ein richtiges abgeschlossenes Ende und ein sehr zufriedenstellendes noch dazu.

Bis Teil 2 von IT anläuft können wir Horrorfans uns aber die Zeit vertreiben. Es lohnt sich sicher, IT mehrere Male anzusehen. Wahrscheinlich ist noch viel darin entdecken. Aber zur Überbrückung läuft auch Stranger Things auf Netfilix – Staffel 2 beginnt Ende Oktober. Diese Serie hat es geschafft, eine unheimliche Story mit Stephen King-Feeling über 10 Stunden spannend zu erzählen – trotz der vielen Protagonisten und Nebengeschichten.

Es ist aber gut, dass IT nicht wieder „nur“ fürs Fernsehen adaptiert wurde. Solch wunderschöner und äußerst wirksamer Horror gehört auf die Leinwand!

 

Meine Bewertung auf IMDB: 8 Punkte
Nachdem die Erstverfilmung so schlecht gealtert ist, ist diese Verfilmung genau, was man sich erwartet. Sehr gute Kinderdarsteller, und Bill Skarsgard ist der wohl gruseligste Clown, den wir je zu sehen bekommen haben und werden.

 

 

Konnten nach der sexuellen Revolution noch Tabus gebrochen werden? Ja – das Bühnen-Musical The Rocky Horror Show bewies das Anfang der 70er Jahre. Männer in Frauenkleidern gab es auf Bühnen und in Filmen zwar immer – doch nur in harmlosen Verwechslungskomödien. Ein sexuell aktiver bisexueller Transvestit war allerdings eine völlig neue Kategorie. Dennoch erreichte diese Art Provokation eine sehr breite Masse. The Rocky Horror Picture Show von 1975 ist daher sowohl für die Babyboomer-Generation sowie für die Generation X ewiger Kult. Egal wie schlecht andere Filme mit Tim Curry sind – er wird für Rocky Horror-Fans der einzig wahre laszive, anziehend-abstoßende Dr. Frank-N-Furter bleiben.

Der Fernsehsender Fox hat dieses Jahr eine Neuauflage des Klassikers gewagt. Warum auch nicht?

Transsexuell vs Transvestit

Was könnte die Neuauflage also Neues bieten? Hauptsächlich Laverne Cox – sie ist die erste offen lebende transsexuelle Darstellerin und LGBT-Aktivistin, die einem breiteren Publikum bekannt ist – und zwar aus der hocherfolgreichen Netflix-Serie Orange Is The New Black [Anm.: empfehlenswert]. Kann die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show mit Laverne Cox in der Hauptrolle provozieren? Ich hatte mich auf den Fernsehabend gefreut. Doch schon nach den ersten Minuten stellte ich fest: Hier wirkt nichts frisch, frech oder auch nur annähernd anrüchig oder provokant. Alleine der Frank-N-Furter-Look ist nicht mit dem von Tim Curry zu vergleichen – das skurrile Make-up und das trashige Outfit haben viel zum Kult-Status der Figur beigetragen. Und, sorry, Ms Cox: I did not „shiver with antici… … … … [oh well – say it already, dammit] …pation“. Niemand wird an dieser Stelle Tim Curry je das Wasser reichen können.

Transsexualität könnte für Rocky Horror durchaus als Steigerung zu Transvestismus angesehen werden und zu einer geeigneten Adaption des Stoffs für die heutige Zeit anregen. Warum ist das nicht passiert? Seit den 70er Jahren sind viele Tabus gebrochen worden. Cross-Dresser oder Trans-Personen führen heute viel öfter kein verstecktes Leben mehr und sind längst auch in unserer alltäglichen Wahrnehmung angekommen. Das große Manko bei Laverne Cox war letztlich, dass sie durch und durch die Frau spielt, die sie heute auch tatsächlich ist. Ich meine damit, dass ihr Frank-N-Furter es an Ambivalenz fehlt. Sie setzt in der Rolle zwar auch ihre männliche Stimme ein, doch äußerlich dringt kein Fünkchen einer männlichen Ausstrahlung durch. Kostüm und Makeup lassen das nicht zu – anders als in Orange Is The New Black, wo ihr Gesicht nicht völlig hochglanzlackiert ist. Wo in Rocky Horror das Kostüm die richtigen Stellen quetscht und puscht, verrät ihr Gefängnisoutfit in Orange trotz der Brüste noch verbliebene Hinweise ihres biologischen Geschlechts, wie Taille oder Schultern. Die Kostüm- und Maskenbildner der Rocky Horror-Neuauflage haben es einfach zu gut gemeint.

[Seht euch hier den Trailer an oder scrollt runter und lest weiter]

 

Colour Boosting vs Talent

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again hätte dennoch noch ein unterhaltsamer Film werden können. Woran es fehlte, war sexuelle Spannung. Das liegt nicht nur an Laverne Cox‘ Darstellung von Dr. Frank-N-Furter. Das dröge Paar Brad und Janet wird mit einer neuen Welt und einer völlig anderen Lebensart konfrontiert, die beiden machen neue, aufregende sexuelle Erfahrungen und bleiben am Ende doch farblos und uninteressant. Mehr kann ich dazu gar nicht sagen. Ach ja, von wem wurden Brad und Janet in der modernen Fassung nochmal gespielt? Egal, es werden keine Weltkarrieren daraus werden, wie seinerzeit die von Susan Sarandon.

Der Tiefpunkt bei den Besetzungen war für mich Reeve Carney als Riff Raff ohne Buckel. Ok, Buckel ist nicht notwendig, aber Riff Raff ist als Charakter ein verschlagener, abstoßender Kretin. Reeve Carney ist geschminkt und trägt Perücke, bleibt aber fade und uncharismatisch, wie immer. Er bringt nichts davon mit, wodurch er als gruseliger Widerling überzeugen könnte.

Einzige Überraschung: Adam Lambert als Eddie! Wer hätte das gedacht? Eine Rolle anzunehmen, die vor ihm Meat Loaf mit viel Körper- und Stimmvolumen ausgefüllt hat, war mutig. Doch Adam Lambert hat die Show für ein paar Minuten so richtig gerockt und zeigte außerdem, dass in ihm ein richtiger Comedian steckt.

Zu Tim Currys Rolle als Erzähler möchte ich nicht viel sagen. Nur so viel: Jeder muss sein Geld verdienen, daher verstehe ich, weshalb er sich für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. Er soll uns allen aber lieber als Frank-N-Furter in Erinnerung bleiben.

Whatever happened to Fay Who?

Bleibt noch ein Thema. The Rocky Horror Picture Show ist auch eine nostalgische Hommage an die klassischen Horror B-Movies der 1930er bis 50er Jahre. Waren diese in den 70er und 80er Jahren noch fixer Bestandteil des Fernsehprogramms, hat ein junges Publikum von heute keinen Bezug mehr dazu. Schon allein deshalb ist die Neuauflage der Rocky Horror Picture Show völlig aus der Zeit gefallen. Und seien wir ehrlich: Bei allem Kult. Wenn man heute die Ur-Version der Rocky Horror Picture Show ansieht, dann tut man es ebenfalls aus purer Nostalgie. Eine nostalgische Hommage an diesen Klassiker aus den 1970er Jahren wäre im Jahr 2016 sicher interessanter gewesen.

 

The Rocky Horror Picture Show – Let’s Do The Time Warp Again (2016) lief in den USA am 20. Oktober 2016 auf Fox

Meine Bewertung auf IMDB: 4 Punkte
Insgesamt hat diese Neuauflage des kultigen Rocky Horror Musicals nicht viel mehr zu bieten als aktuell bekanntere Gesichter und sattere Farben, damit die bunten Kostüme und Make-ups gut rüberkommen. Es fehlt die Seele.