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oder Psychomigration-oder die Flüchtlingskrise aus psychiatrischer Sicht!

von Dr. Carolin Schiefer

Ein Dialog zweier älterer Damen:

A:“Glaubst gibt‘s in 20 Jahren no Österreicher?“

B:“Ja, logisch gibt‘s die dann no, woher die kommen und welche Sprache die vorher gred haben weiß ma ned, aber es sind dann Österreicher..“

„Die Flüchtlinge“ sind derzeit in aller Munde.

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Dr. Carolin Schiefer

Es herrscht Betroffenheit, egal ob nun positiv oder negativ besetzt. Jetzt da die Folgen des Krieges direkt an uns „vorbeimarschieren“ und soziale Medien wie Facebook es vereinfachen mitzureden. Frei nach dem Motto „wer nichts weiß, muss alles glauben“ wird munter diskutiert, eingemischt und verleumdet, auch wenn die vermeintlichen Tatsachen widerlegt werden.

Opfer und Täter liegen unangenehm eng beieinander da die „Beflüchteten“ sich genauso als Opfer fühlen wie die Geflüchteten selbst. Angst vor Gewalt, Terror und Konkurrenz heizen die Stimmung auf und gleichzeitig sieht jeder wie zerbrechlich der eigene „Friede“ ist.

Was passiert nun mit den Betroffenen wenn der Alltag nicht mehr existiert?

Viele Menschen, deren Eltern oder Großeltern zum Beispiel im Zweiten Weltkrieg traumatische Erfahrungen erlebt und diese nicht aufgearbeitet haben, empfinden genauso Ängste und entwickeln Befürchtungen wie die Flüchtlinge selbst. Bei den Flüchtlingen heute ist das Trauma ganz frisch. Mittlerweile ist bekannt, dass traumatische Erfahrungen „vererbt“ werden können und bei nachfolgenden Generationen Symptome auslösen, die dann zu der erlebten Abwehr und Aggression führen können.

Das heißt vereinfacht: Flüchtlinge heute treffen auf Menschen in Österreich, die ähnliche Befürchtungen und Ängste haben können. Ängste und Befürchtungen können nur ausgeräumt werden, wenn man darüber spricht. Information, Gespräch und Austausch über die Angst ist ein Weg für ein friedliches Miteinander.

Im Allgemeinen kann jeder von uns auch belastende Ereignisse „wegstecken“. Wenn aber der Druck größer und die Belastung stärker wird, werden bei manchen Menschen vorerst Trauer, Angst und dann Wut auftreten, die aber kein eindeutiges Ziel haben. Dadurch können dann Schlafstörungen, Flashbacks, Ängste, Albträume, Gereiztheit und Schreckhaftigkeit auftreten, die sich in übersteigerter Form zeigen und das Leben nahezu unmöglich erscheinen lassen.

Als Psychiater und Psychotherapeut ist man mit dem Umgang solcher Belastungen vertraut.

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Für ein friedliches Miteinander

Die bekanntesten Begriffe sind wohl die akute Belastungsstörung bzw. die Posttraumatische Belastungsstörung, wobei natürlich im Rahmen dieser auch Somatisierungsstörungen (Schmerzen ohne sichtbare Ursache), Depressionen und Schlafstörungen auftreten können.

Das alles gehört in professionelle Hand.

Meist wird anhand der Beschwerden mittels Psychopharmakotherapie eine erste Symptombehandlung durchgeführt. Das führt zu einem  Ausgleich von Konzentrationsstörungen der Botenstoffe im Gehirn, welche die Symptome verursachen. Durch die Stabilisierung der Beschwerden ist in weiterer Folge eine psychotherapeutische Traumatherapie möglich. Damit ist aber behutsam umzugehen, eine Traumatherapie kann nicht aufgezwungen werden, das kann unnötigen Schaden verursachen. Eine vollständige Heilung ist meist nicht möglich, aber der Umgang mit der Belastung kann zumindest „neutral“ besetzt werden. Das heißt Menschen lernen damit zu leben. Heutige Flüchtlinge genauso wie Menschen, die in der Familie Generationen vorher traumatische Erlebnisse hatten.

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Die Insassen der Justizanstalt Puch können in zwölf Betrieben arbeiten. In Gesprächen erzählen zwei Inhaftierte über ihre Vergangenheit und Gegenwart. Der Blick in die Zukunft ist ungewiss, obwohl die Maßnahmen zur Resozialisierung immer mehr greifen.

Mit vollster Konzentration schraubt Insasse Fritz am Motor eines roten Minis. Der Ölwechsel und ein paar kleinere Reparaturen sind fällig. Der 60-Jährige ist seit März im Gefängnis. „Es war wieder Mal ein Diebstahl. Ich kann es einfach nicht lassen“, seufzt der Pensionist. Fritz ist Wiederholungstäter. In der neuen Justizanstalt in Puch fühlt er sich wohl. „Das Essen ist gut und es gibt auch die Möglichkeit zu arbeiten. So vergeht die Zeit schneller.“ Er ist von 7.15 bis 14 Uhr in der Werkstatt und führt diverse Arbeiten an den Autos durch.

Zwei Inhaftierte reinigen im Innenhof einen Opel.

Zwei Inhaftierte reinigen im Innenhof einen Opel.

Insgesamt zwölf Betriebe umfasst die Anlage. Es gibt unter anderem eine Wäscherei, eine Schlosserei, den Küchendienst oder eben die Autowerkstatt. Zwei andere Insassen waschen unterdessen im Innenhof einen Opel, sowohl außen als auch innen. Werkstattmeister Gerhard Schöcklitsch überwacht das Geschehen. „Es kann jeder zu uns kommen, um sein Auto reparieren zu lassen. Wir führen allerdings nur kleine Arbeiten durch, weil wir kein Meisterbetrieb sind.“ In den meisten Fällen mache man ein gutes Geschäft. „Für die komplette Reinigung innen und außen zahlt man 15 Euro. Das bekommt man sonst nirgends günstiger“, sagt der gelernte Spengler und Lackierer. Ein Inhaftierter bekommt sechs Euro pro Stunde, von denen er vier Euro für Versicherung, Kost und Logis abgeben muss. Das restliche Geld kommt entweder auf ein Sparbuch oder es wird ausbezahlt. Die neue Justizanstalt verfügt über einen kleinen Supermarkt, in dem man zu bestimmten Zeiten einkaufen kann.

„Mich nimmt ja niemand ohne Leumundszeugnis.“

In der Autowerkstatt arbeiten insgesamt fünf Insassen. Neben Fritz ist auch Herbert mit dem Mini beschäftigt. Er tauscht den Auspuff. Der 48-Jährige wurde beim Einbrechen erwischt. Auch bei ihm war es nicht das erste Vergehen. Angefangen habe er mit Versicherungsbetrug. „Ich habe Auffahrunfälle inszeniert, irgendwann ist mir die Verischerung auf die Schliche gekommen“, erzählt Herbert. Das Einbrechen in Firmen sei zur Gewohnheit geworden. Der gebürtige Niederösterreicher, der in Salzburg erwischt wurde, ist äußerst geschickt im Umgang mit Schraubenzieher und Lötkolben. Kein Wunder, Herbert deutet mit Stolz auf seinen Kfz-Meisterbrief. Noch zehn Monate muss er in Puch absitzen. Er blickt in eine ungewisse Zukunft. „Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Mich nimmt ja niemand ohne Leumundszeugnis. Zum Glück habe ich hier eine Beschäftigung.“ Werkstattmeister Gerhard Schöcklitsch ist mit seinen Mitarbeitern zufrieden: „Es ist noch nichts Negatives vorgefallen und es gab auch keine Beschwerden. Die Inhaftierten machen einen sehr guten Job.“

So sieht ein Zimmer in der Justizanstalt Puch aus.

So sieht ein Zimmer in der Justizanstalt Puch aus.

Die Justizanstalt in Puch, die rund 34 Millionen Euro gekostet hat, umfasst 100 Mitarbeiter. Von den 227 Betten für die Inhaftierten sind derzeit rund 200 belegt. Der stellvertretende Anstaltsleiter David Klingbacher sorgt mit seinem Team für einen reibungslosen Tagesablauf. Dieser beginnt um 6.45 Uhr mit dem Frühstück. Danach können die Insassen ihren Arbeiten bis 14 Uhr nachgehen. Die Justizanstalt verfügt über mehrere Aufenthaltsräume, eine Bibliothek und auch sportlich kann man sich zum Beispiel im Kraftraum betätigen. Manche der Inhaftierten sind Freigänger. Sie verlassen die Anstalt in der Früh, um ihrer Arbeit nachzugehen, und müssen am Abend wieder pünktlich zurück sein. Es gibt entweder Einzel- oder Doppelzimmer. Die Zimmer sind mit einem Bad, Kühlschrank und einem Fernseher ausgestattet. Telefonieren ist ebenfalls möglich. Zugang zum Internet gibt es allerdings keinen.

„Die Rückfallquote liegt bei 50 Prozent. Das ist ein sehr guter Wert. Die Maßnahmen zur Resozialisierung tragen Früchte“, sagt David Klingbacher. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Gefängnis in Puch liegt bei acht Monaten. „Auf 185 Männer kommen ungefähr 15 Frauen. Der jüngste Inhaftierte ist 16, der älteste 78 Jahre alt“, erklärt er. Vor der Entlassung führt das psychologisch geschulte Personal Gespräche, wie es weitergehen soll. „Wenn jemand zum Beispiel abhängig vom Alkohol ist, schauen wir, dass diejenige Person eine Therapie bekommt. Wir schicken die Leute auch zum Arbeitsmarktservice. Zusätzlich bieten wir regelmäßig Bewerbungshilfen an.“

Pünktlich um 14 Uhr legt Fritz seinen Schraubenzieher zur Seite und zieht sich um. Er kann sich nun seinen Hobbys widmen. Im schlimmsten Fall muss er noch 18 Monate im Gefängnis bleiben. Er weiß, was er in Zukunft machen will. „Ich muss mich um meine schwer kranke Frau kümmern und nebenbei will ich ein wenig die Pension genießen. Ich hoffe nicht, dass ich rückfällig werde“, sagt der 60-Jährige.