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Ich will da jetzt nicht groß Worte machen, sondern einfach ein paar Bilder zeigen, die ich heuer gemacht habe. An Orten des Krieges, in Frankreich, in Deutschland und in Bosnien. Die mich seither begleiten. Und die mir immer wieder unterkommen, wenn  jetzt von Krieg gesprochen wird. Bei all der Kriegsrhetorik, die gerade jetzt wieder in Europa zu hören ist, sollte man den Krieg von seinem Ende her sehen. Wenn die Menschen getötet sind, wenn die Städte zerstört sind und wenn das Leid unendlich ist. Am Anfang von Kriegen sollten eigentlich ALLE die Kriegsbilder der Vergangenheit sehen, vielleicht bringt einen das ein bisschen zum Nachdenken.

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Das ist das zerstörte Ulm. Am 17. Dezember 1944, das war der dritte Adventsonntag, fielen abends von 19.23 bis 19.50 Uhr 96.646 Bomben, in Worten sechsundneunzigtausendsechshundertsechsundvierzig auf die Stadt. Das heißt pro Minute 3.579 Bomben, das heißt jede Sekunde 59 Bomben. Unvorstellbar oder? 707 Tote, 613 Verletzte, 25.000 Obdachlose und 55% kaputte Häuser waren die Bilanz. Krieg…

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Gefunden in den zerbombten Häusern von Ulm. An jenem dritten Adventsonntag 1944 saßen vielleicht Kinder beim Abendbrottisch. Es gab vielleicht eine dünne Steckrübensuppe, Kriegskost. Aber eine warme Suppe und dann die 27 Minuten Bombenhagel. Die Löffel sind übrig. Krieg…

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Ein romantischer Wald oder? Ein bisschen außerhalb von Verdun. Vor 100 Jahren gab es da noch ein Dorf. Das gibt es nicht mehr. Zerstört und auch nach dem Krieg unbewohnbar. In den Granatkratern und Schützengräben wachsen die Bäume, auf verseuchter Erde, verseucht vom Giftgas, das im Ersten Weltkrieg seine Premiere feierte. Darunter so heißt es auch auf jedem Quadratmeter Granatsplitter, Knochen, Helme. Krieg…

ak4Die Knochen, die man aus den Feldern rund um Verdun zusammengetragen hat und keinem Soldaten zuordnen konnte, die liegen jetzt im Beinhaus von Douaumont. Deutsche und französische Gebeine, bunt durcheinander. Im ´Krieg gegenüber in den Schützengräben. Im Tod miteinander. Die Familien hatten kein Ort zum trauern. Damals nannte man die Soldaten einfach „Menschenmaterial“. Krieg…

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Am Busbahnhof von Mostar. Jeden Tag kommen unzählige Touristen, um die berühmte Brücke zu sehen. Gebaut 1556 bis 1566. Jahrhunderte die Menschen verbunden und dann zerstört am 9.11. 1993. Wiederaufgebaut. Jetzt ist die Brücke eine beliebte Sehenswürdigkeit. Touristen brauchen W-Lan und Erfrischungen. Beworben auf einer Tafel am Busbahnhof in Mostar auf einer zerschossenen Mauer. Entrisch, wie wir im Innviertel sagen. Krieg…

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Eine Ausstellung in Sarajevo über den Völkermord in Srebrenica. Riesige Bilder. Auch von den Exhumierungen. So berühren Tod und Leben einander. Krieg…

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Die Rose von Sarajevo. Man geht in der Stadt spazieren und trifft immer wieder unvermutet auf die Rose von Sarajevo an einem Ort, wo ein Mensch sein Leben im Krieg verlor. Erinnern auf Schritt und Tritt. Nach dem Krieg…

Und ich möchte mit den noch immer aktuellen Worten der großen Pazifistin Bertha von Suttner enden:

„Merkwürdig, wie blind die Menschen sind! Die Folterkammern des finsteren Mittelalters flößen ihnen Abscheu ein; auf ihre Arsenale aber sind sie stolz.“

Bosnien – ich komme wieder“, habe ich vor nicht allzu langer Zeit versprochen [hier nachzulesen]. Jetzt hat mich der Weg tatsächlich wieder hier hergeführt. Meine erste Station: Sarajevo.

Ich betrete die alte serbisch-orthoxe Kirche von Sarajevo. In dem Augenblick beginnt der Muezzin mit seinem Ruf zum Mittagsgebet. In der Kirche vermischt sich der Ruf mit den leisen christlichen Gesängen, die vom Tonband kommen. Ich setze mich und lasse mich von diesem Moment tragen. Ich blicke auf, vorne steht eine Frau, versunken ins Gebet. Die Ikonen blicken stumm herunter, wie schon seit Jahrhunderten. Ein Mann betritt mit seiner kleinen Tochter am Arm die Kirche. Mit einem liebevollen „Haydi!“ ermutigt er das Kind das erste Bild zu küssen. Fasziniert schaue ich zu, wie er mit seiner Tochter reihum alle Bilder und Reliquien küsst. Ein Vater-Tochter Augenblick, der nur den beiden gehört. Dann verlassen sie die Kirche wieder, vielleicht auf dem Weg nach Hause.

In der serbisch-orthodoxen Kirche

In der serbisch-orthodoxen Kirche

Die Frau beendet ihr Gebet, auch der Muezzin ist nicht mehr zu hören. Ich zünde noch zwei Kerzen an, eine für die Lebenden, eine für die Toten, so habe ich es in der rumänisch-orthodoxen Kirche gelernt, ein schönes Ritual. Jetzt erst fällt mir auf, wie laut der Straßenlärm von draußen hereindringt.

Kolay gelsin!

Kolay gelsin!

Die Altstadt von Sarajevo ist geteilt, ersichtlich. Auf der Straße steht: Sarajevo- Meeting of Cultures. Die Touristen machen Posen, fotografieren sich gegenseitig und zeigen nach Westen und nach Osten. Hier der neuere Teil, mit europäischen Häusern, die sich von Wien bis Istanbul finden. Dort das alte Sarajevo, osmanisch geprägt. Mit niedrigen Häusern, Bazaren, Werkstätten und Wasserpfeifenlokalen in schönen Innenhöfen. Es ist ein entspanntes Miteinander. Ich gehe durch die Straße der Kupferschmiede, ein altehrwürdiges Handwerk. Männer schlagen das Metall zu Tellern, Kannen und Kühlschrankmagneten. Mir rutscht dauernd ein „Kolay gelsin!“ heraus. Das sagt man in der Türkei zu jemandem, der arbeitet, wenn man vorbeigeht. Aber ich bin in Bosnien, die Männer schauen mich nur lächelnd an, verstehen mich natürlich nicht. Aber ich kann nicht anders, ich bewege mich durch das Viertel wie in Istanbul. Es ist noch ganz viel Orient hier in Sarajevo!

Die Rose von Sarajevo

Die Rose von Sarajevo

Auch die nahe Vergangenheit ist noch immer präsent. An manchen Häusern finden sich die Einschusslöcher aus der über dreijährigen Belagerung Sarajevos. Bei der Stadtführung ist es immer wieder Thema. Auf der Straße findet sich an vielen Orten die „Rose Sarajevos“, die an die tausenden Toten erinnert. Man kann nicht einfach vorbeiflanieren, die Erinnerung ist überall. Ich gehe in die Ausstellung Srebrenica Memorial im Haus direkt neben der katholischen Kathedrale, vor der eine Statue des gebeugten Johannes Paul II steht. Im dritten Stock empfangen mich die Bilder der Toten. Ein Film über die Belagerung der Stadt läuft. Rennende Menschen, Schüsse von den umliegenden Bergen, Schreie von Kindern. Das bosnische Sinfonieorchester, das in einer Tiefgarage gegen den Krieg anspielt. Die Miss Wahl 1993, die Frauen in Badeanzügen halten ein Transparent hoch: Don’t let them kill us!

Ausstellung „Srebrenica Memorial“

Ausstellung „Srebrenica Memorial“

Und immer wieder Menschen, die vom täglichen Überlebenskampf berichten, dem Brot- und Wasserholen, das nur unter Lebensgefahr möglich ist. Und Kinder, die sich in ein zerschossenes Auto setzen und „Wir fahren ans Meer“ spielen. Das ist Krieg.
Als ich aus der Ausstellung hinauskomme, strahlt die Sonne, die Menschen gehen ihrem Alltag nach. In Sarajevo herrscht jetzt Frieden. Aber nicht in Aleppo, nicht in Mossul, nicht in Kabul. Der Film ist nicht Vergangenheit, sondern grausame Gegenwart.