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Seit mehr als zwei Jahren gibt es am Sozialamt der Stadt Salzburg einen Mitarbeiter, Herrn Toporis, der Hausbesuche macht. Hausbesuche bei Menschen, die die Mindestsicherung bekommen. Er kontrolliert, ob die Menschen zu viel oder zu wenig bekommen und ob es sonst Probleme gibt.

Heute durfte ich ihn begleiten. Am Vormittag besuchten wir Klienten, um Nachschau zu halten. Nicht alle waren zu Hause. Von zweien will ich euch erzählen.
Ein großes Haus in einem noblen Stadtteil in Salzburg. Wir läuten an und ein Mann macht uns auf. Herr Toporis erklärt, dass er vom Sozialamt kommt und die Wohnung und die Wohnumstände sehen möchte. Auch mich stellt er vor. Der Mann bittet uns höflich einen Stock höher.
Wir betreten eine kleine Wohnung mit zwei Zimmern und einer kleinen Küche. Zwei Personen teilen sich diese Wohnung. Sie ist sehr sehr spärlich eingerichtet. Nur das notwendigste ist da. Ein Sofa, ein Bett, ein Kasten, ein Stuhl. Es gibt zwei Kühlschränke, ein paar Küchen Kästchen, ein wenig Geschirr. Und ein kleines Bad. Alles ist sehr abgewohnt, alt und auch nicht mehr richtig sauber zu kriegen. Aber es ist alles da, mehr gibt es nicht. Im Haus sind noch mehr Bewohner, insgesamt zwölf. Die meisten von ihnen sind anerkannte Flüchtlinge. Männer und Frauen. Alles ist sehr ärmlich, unwohnlich, eine absolute Notlösung. Mich erinnert es an die Unterkünfte für Flüchtlinge, die ich im Libanon gesehen

Das muss als Kochnische genügen

habe. Billig ist es nicht hier zu wohnen, bis zu 300 € pro Person ist an den Vermieter zu bezahlen. Zwischen den anerkannten Flüchtlingen wohnt eine Mindestpensionistin. In einem minikleinen Zimmer, voll geräumt mit Habseligkeiten. Sie sieht krank aus. Sie versichert uns, dass es ihr gut gehe, dass sie nichts brauche, dass sie alles habe. Wir sind sehr betroffen, wir werden die Seniorenbetreuung der Stadt Salzburg einschalten. Wir sprechen noch mit den anderen Bewohnerinnen, lassen uns das Gemeinschaftsklo und die Dusche zeigen und verabschieden uns dann.
Wir verlassen den noblen Stadtteil, jetzt geht es in einen Teil der Stadt, der nicht so einen guten Ruf hat. Wir wollen Klienten besuchen, die ein neues Bett beantragt haben, weil das alte kaputt sei. Auch hier läuten wir an und werden höflich hinein gebeten. Es ist eine schöne drei Zimmerwohnung, geräumig und hell. Wir lassen uns das Bett zeigen. Die Frau erklärt, dass die Matratze kaputt sei. Aber es ist nichts zu sehen, alles in Ordnung. Herr Toporis erklärt, dass sie kein neues Bett bekommen, weil das alte völlig ok ist.
Zwei Besuche, die sehr unterschiedlich waren. Einmal Menschen in großer Armut, die im Nobelviertel mehr hausen als wohnen. Der Mindestpensionistin werden wir helfen können, wenn sie die Hilfe auch annimmt.
Dann eine wirklich schöne Wohnung, nicht luxuriös aber alles sehr gepflegt. Das ältere Ehepaar schaut penibel darauf, aber ein neues Bett ist nicht zu rechtfertigen, das Sozialamt wird keine Kosten übernehmen.

Es war nicht das letzte Mal, dass ich mit Herrn Toporis mitgehe.

Ja, man kann viel Spaß haben in einem Deutschkurs. Nicht nur als Lehrerin, nein auch als Schüler. Lernen kann viel Freude machen. Aber Deutsch lernen ist auch etwas Ernstes. Denn ohne Deutschkenntnisse ist Integration nicht möglich, Arbeit nur schwer zu bekommen und ein Leben in der Mindestsicherung wäre vorprogrammiert.

Was wir in der Stadt Salzburg seit einem Jahr machen ist denkbar einfach. Menschen, die Mindestsicherung beziehen können nicht am Arbeitsmarkt Fuß fassen, weil sie kein Deutsch können. Das AMS verlangt Basiskenntnisse, nachgewiesen durch eine Prüfung. Es gab viele Deutschkursangebote für Mindestsicherungsnehmer, die auch leistbar waren. Aber kein Angebot war an den Bezug der Mindestsicherung geknüpft und hatte eine verpflichtende Abschlussprüfung. Letztes Jahr im Juli haben wir in der Stadt Salzburg ein Programm gestartet, das in Österreich einzigartig war.

Verpflichtende Deutschkurse für anerkannte Flüchtlinge, die Mindestsicherung beziehen:

aaa3120 Stunden in 6 Wochen. Also Montag bis Freitag jeweils vier Stunden am Tag. 80% müssen die Leute anwesend sein. Wer 10 Minuten zu spät kommt wird als nicht anwesend geführt. Die Prüfung im Anschluss ist verpflichtend. Für die Teilnehmer ist es kostenlos. Wer nicht ernsthaft am Kursprogramm teilnimmt oder sich weigert es zu absolvieren, dem wird schrittweise die Mindestsicherung gekürzt, bis zu 99%. Ich finde das fair. Es gibt klare Rahmenbedingungen, die auch offen kommuniziert werden. Und es gibt das entsprechende Angebot, nämlich den Deutschkurs mit Abschluss, der die Aufnahme beim AMS ermöglicht und der erste Schritt in den Arbeitsmarkt ist.

Heute hat eine Zeitung über unser Deutschprogramm berichtet und es kamen ganz viele positive Rückmeldungen. Als ich den Artikel im Facebook gepostet habe, kam ein ganz liebes Foto, quasi live aus dem Kurs, mit dem Kommentar: Übermorgen ist Prüfung! Grüße von der Front an Mama Anja!

Glaubt mir, das hat mich wirklich berührt. Weil ich überzeugt bin, dass es eine Win-Win Situation ist. Für die Menschen, weil sie  die ersten Schritte zum Arbeitsmarkt unter klaren Bedingungen machen können. Und für den Staat, weil es nur Ziel sei kann die Menschen aus der Mindestsicherung zu bekommen.

Was  ich nicht verstehe ist die Diskussion über die Kürzung der Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge oder gar ein Verweigern in den ersten 5 Jahren nach der Anerkennung, wie der Innenminister gefordert hat. Das ist keine Politik, nicht mal billige. Das ist das Fördern von Armut, Schwarzarbeit und Illegalität. Und Integration wird völlig unmöglich. Ich bin überzeugt davon, dass unser Weg der richtige und vernünftige ist: Mindestsicherung ja! Aber gleichzeitig Bedingungen daran knüpfen, damit die Menschen aus der Mindestsicherung kommen.

Fördern und Fordern oder auch Hart aber Fair!

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Danke in 100 Sprachen

Jetzt setz ich mich schon lange mit dem Thema Asyl und Mindestsicherung auseinander. Viele andere Menschen auch. Man ist dann bald mal in einem Strudel drinnen, verbeißt sich in Details. Und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.

Was meine ich?

Wenn ein Mensch in Österreich um Asyl ansucht, bekommt er eine Grundversorgung. Manchmal dauert es Monate, manchmal Jahre bis eine Entscheidung fällt. In dieser Zeit lernt er ein kleines bisschen Deutsch, kann gemeinnützig arbeiten. Eine normale Arbeit darf er nicht machen. Die meiste Zeit wartet so ein Mensch und hofft natürlich, dass er Asyl bekommt. Dann kommt einmal der Tag der Entscheidung. Viele Menschen bekommen kein Asyl, diese müssen in den meisten Fällen Österreich verlassen. Andere Menschen bekommen Asyl, sie sind dann anerkannte Flüchtlinge oder Asylberechtigte. Und sind damit österreichischen StaatsbürgerInnen fast gleichgestellt. Was passiert jetzt?
Diese Menschen können dann noch bis zu vier Monaten in der Grundversorgng bleiben. Dann gehen sie aufs Sozialamt. Und beantragen Mindestsicherung. Und bleiben oft dort hängen, weil sie sich nicht beim AMS melden können.

Und hier ist der Knackpunkt – das ist der falsche Weg!

Der richtige Weg führt in den Arbeitsmarkt! Menschen müssen nach ihrer Anerkennung sofort zum AMS, sich arbeitssuchend melden. Das passiert jetzt nicht! Weil es heißt, dass die meisten keine ausreichenden Deutschkenntnisse haben, also landen sie in der Mindestsicherung ohne beim AMS gemeldet zu sein. Das ist nicht gut!
Das aktiviert die Menschen nicht. Das macht sie zu passiven Empfängern. Und es verdammt sie dazu weiter zu warten. Denn die Mindestsicherung bereitet niemanden auf den Arbeitsmarkt vor. Das ist nicht die Aufgabe der Mindestsicherung, auch wenn wir in der Stadt mit unseren Deutschkursen das probieren. Das ist die Ausnahme in Österreich.

Ich erinnere mich gut, wie es für mich war, als ich mit dem Studium fertig war. Die Warteliste war elendslang, keine Chance auf eine Arbeit als Lehrerin. Ich bin nicht aufs Sozialamt gegangen. Sondern zum AMS. Da habe ich Qualifizierungsmaßnahmen gemacht, Bewerbungstraining und so weiter. Und bald konnte ich als Sozialpädagogin in einem Kinder- und Jugendzentrum beginnen.

Und deswegen möchte ich ein bundesweites Integrationspaket, das so aussehen sollte:

1. Clearing in der ersten Woche, also alle Infos zu oder über eine Person, die dann allen Behörden zur Verfügung stehen.
2. In der zweiten Woche Start mit Deutschkursen, mindestens 10 Stunden die Woche, noch besser 20 Stunden. Natürlich verpflichtend mit anerkannten Prüfungen.
3. Ab dem dritten Monat soll jeder/ jede die Möglichkeit haben arbeiten zu gehen und selbst den Lebensunterhalt zu verdienen.
4. Menschen, die eine positive Prognose auf Asyl haben, also aktuell Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak,… sollen die Möglichkeit haben ihre Nostrifizierungen und Anerkennungsverfahren einzuleiten.
5. Wenn ein positiver Bescheid auf Asyl kommt, dann müssen die Menschen zum AMS und sich arbeitsbereit melden. Qualifizierungsmaßnahmen müssen eingeleitet werden.
6. Als Übergang kann Mindestsicherung bezahlt werden bis jemand Arbeit bekommt.

So stell ich mir das vor! Klingt doch ganz einfach und logisch, oder?