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Heute war Gemeinderatssitzung mit dem Schwerpunkt Salzburg – für Menschen und mit Menschen mit Behinderung.

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Blind in den Gemeinderatssaal finden

Das habe ich zum Anlass genommen meine erste Rede in leichter Sprache zu halten. Barrierefreiheit gilt nicht nur für Bauwerke sondern auch in der Kommunikation.

Aber vor der Rede hieß es noch in den Gemeinderatssitzungssaal zu kommen. Entweder mit dem Rollstuhl oder mit Dunkelbrille und Stock als blinder Mensch. Ich habe mich für zweiteres entschieden. Eins weiß ich jetzt, jedes Ministüfchen, jede Ecke, jede Kante, jede Türschwelle ist hochriskant. Wer das probieren möchte, sollte sich an die Verantwortlichen vom Projekt „Aus anderer Sicht“ wenden.

Aber nun zu meiner Rede:

„Hoher Gemeinderat!

Ich möchte heute versuchen meine Rede in leichter Sprache zu machen. Die leichte Sprache ist Teil der Barrierefreiheit. Leichte Sprache hilft, dass alle verstehen können. Das brauchen Menschen mit Lernschwierigkeiten oder auch Analphabetinnen. Ihre Vertreter sind in Salzburg Erich Gierlek und Maco Buchinger.

Einige Regeln für leichte Sprache sind zum Beispiel:

  • Verwende nur kurze Sätze
  • Jeder Satz enthält nur eine Aussage.
  • Keine Passivsätze.
  • Im Interesse der Verständlichkeit besteht ein Satz aus den Gliedern Subjekt, Verb und Objekt.
  • Den Konjunktiv vermeiden.
  • Den Genetiv durch präpositionale Fügungen ersetzen.

Ich versuche es jetzt:

Vor einem Jahr haben die Parteien SPÖ, ÖVP, Bürger-Liste, Neos und FPÖ einen Vertrag gemacht.

In dem Vertrag steht: Wir wollen die nächsten 5 Jahre besonders für Menschen mit Behinderung arbeiten.

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Dank Peter Weiser gut angekommen!

Aber genauso wichtig ist unsere Arbeit mit Menschen mit Behinderung.

Dafür gibt es in der Stadt Salzburg den Behinderten-Beirat.

Viele Menschen mit und ohne Behinderung arbeiten mit.

In den letzten 18 Jahren ist viel passiert.

Viele Gebäude sind jetzt barrierefrei

Zum Beispiel das Rathaus hier.

Das war eine schwierige Aufgabe.

Das Rathaus ist alt und geschützt.

Aber die Stadt hat es geschafft.

Es gibt einen Lift und ein WC für Menschen mit Behinderung.

Auch das Projekt „Mit anderer Sicht“ hat der Behinderten-Beirat gemacht.

Wir konnten heut im Rollstuhl und als Blinde in den Gemeinderats-Saal kommen.

Das war das Projekt mit anderer Sicht.

So erfahren wir wie schwierig es oft ist mit einer Behinderung zu leben.

Für Menschen mit Behinderung gibt es auch Taxi-Gutscheine.

Die Stadt Salzburg zahlt dafür viel Geld.

Das hilft vielen.

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Der Garten ist barrierefrei, viele Gasthäuser sind es nicht!

Es gibt auch oft Baustellen in der Stadt Salzburg.

Für Menschen mit Behinderung ist das schwierig.

Darum machen wir auch Baustellen barrierefrei.

Ich selbst habe viel von Menschen mit Behinderung gelernt.

Und wir müssen noch viel tun.

Ein Freund von mir sitzt im Rolli.

Es ist schwierig in Salzburg gemeinsam essen zu gehen.

Es gibt nur wenige Gast-Häuser für Rollstuhl-Fahrer.

Da müssen wir mehr tun.

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Gabi Pöhacker und ihre Nachfolgerin Barbara Schubert

Im letzten Behinderten-Beirat haben wir Gabi Pöhacker verabschiedet.

Sie geht in Pension.

Sie hat sich an die vielen Jahre im Behinderten-Beirat erinnert.

Gabi hat gesagt: Wir haben vieles geschafft in den 18 Jahren.

Das vergessen wir manchmal im Alltag.

Aber wir dürfen nicht aufhören.

Wir haben viel geschafft und wir werden gemeinsam noch viel schaffen.

Danke an alle für die gute Zusammen-Arbeit!“

Ich weiß, dass diese Rede nicht zu 100 Prozent in leichter Sprache ist. Da gibt es sicher noch einiges zu verbessern. Und ich sage euch, es ist gar nicht so leicht, etwas einfacher auszudrücken. Aber es war wert, es probiert zu haben und ich möchte alle ermuntern es selbst zu versuchen!

ho1Heute hatte ich ein Gespräch, da ging es um Hausordnungen. Hausordnungen sind oft nicht zu verstehen. Da waren sich alle einig. Eine Hausordnung ist dazu da, dass das Zusammenleben ein paar Regeln bekommt. Sie sollen auch helfen, dass sich die Menschen in einem Haus nicht streiten. Es geht vor allem um Lärm und Schmutz. Und um mögliche Gefahren. Wichtig ist jetzt, dass die Menschen die Hausordnung auch lesen. Darum hängen Hausordnungen üblicherweise in einem Stiegenhaus, wo alle vorbeigehen. Und dann dachte ich an unser Wohnhaus und unser Stiegenhaus und unsere Hausordnung. Habe ich die eigentlich schon mal gelesen? Ehrlicherweise muss ich gestehen: Nein, habe ich nicht.

Mein erster Blick heute beim Nachhausekommen war dann auf unsere Hausordnung. Es blickte mir aus dem Rahmen ein Text entgegen, der ohne Lupe fast nicht zu lesen ist und obendrein wahrscheinlich noch mit Schreibmaschine geschrieben wurde. Als Germanistin habe ich gelernt mich ohne Angst jedem Text zu nähern.

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Spannend spannend, was ich da zu lesen bekam. Endlos lange Sätze im klassischen Beamtendeutsch. Also viele Hauptwörter und altertümliche Ausdrücke. Hätte ich nicht das Gespräch am Vormittag gehabt, wäre ich nach dem ersten Absatz schnurstracks weitergegangen. Aber ich habe durchgehalten. Und so habe ich mich in die Hausordnungsprosa vertieft. Manche Sätze musste ich zwei Mal lesen, um sie zu verstehen. Besonders gefallen haben mir die maschinellen Einrichtungen in Waschküchen. Außer einer Waschmaschine und einem Trockner kann ich mir keine „maschinelle Einrichtung“ in der Waschküche vorstellen. Aber vielleicht habe ich die letzten Jahre ja etwas übersehen und es befindet sich auch ein Geschirrspüler dort. Bevor ich die Hausordnung gelesen habe, wäre ich allerdings auch nie auf die Idee gekommen „Strümpfe in die Toilette einzubringen“.

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Und ein Wort kam öfters vor. Ein Wort, das mich an einen Roman aus einer Zeit erinnerte an dem dieses Wort durchaus seine Berechtigung hatte. Ich hatte beim Lesen des Wortes sofort „Effi Briest“ von Fontane vor Augen. Effi Briest, die als junges Mädchen zwangsverheiratet wurde, sich dann einer Liebschaft hingab und damit den Ehrenkodex ihres Ehemannes brach. Das war natürlich „unstatthaft“ damals im 19. Jahrhundert. In der Hausordnung steht, dass „jedwede Wasserverschwendung unstatthaft ist“. Ein fast poetischer Satz.

Und etwas, was ich in der derzeit aufgeheizten Diskussion um die gendergerechte Sprache eigentlich gar nicht erwähnen will: Die Hausordnung gilt natürlich nur für Hausbewohner ;)