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Das Salzburger BühnenErlebnis packt aus, was am „Jedermann“ fasziniert

Der Mammon (Daniel Kranawitter) mit seiner geballten Kraft. Alle Bilder: Bühnenerlebnis / Angelika Leitner

Der Mammon (Daniel Kranawitter) mit seiner geballten Kraft gegen Jedermann (Peter Christian Ebner). Alle Bilder: Bühnenerlebnis / Angelika Leitner

Mit seinem „Jedermann“ hat Hugo von Hofmannsthal ein zeitloses Theaterstück geschaffen. Im Jahre 1911 wurde es in Berlin in einem Zirkuszelt uraufgeführt. Er war es, der dieses Stück gemeinsam mit dem Regisseur Max Reinhardt nach Salzburg brachte. Seit dem Jahre 1920 wird es nun ununterbrochen bei den Salzburger Festspielen auf dem Domplatz gespielt. Dabei verwob Hofmannsthal dramaturgische Vorbilder aus mittelalterlichen Mysterienspielen, wo Allegorien und Personifikationen abstrakter Wirklichkeiten auftreten und den frühneuzeitlichen Stoff „Von dem sterbenden reichen Menschen“, den der Nürnberger Meistersinger Hans Sachs verfasste. Zweifellos spricht der Stoff auch über die Festspiele hinaus sein Publikum an.

Angelika Bamer-Ebner als Buhlschaft und Regisseurin mit Peter Christian Ebner als Jedermann

Angelika Bamer-Ebner als Buhlschaft und Regisseurin mit Peter Christian Ebner als Jedermann

Denn nicht nur in Salzburg, sondern an vielen Orten und anderen Schauplätzen wird er lebendig inszeniert. Zartbitter fragte beim Salzburger BühnenErlebnis Bamer Ebner nach. Das Ensemble spielt im August den Jedermann im Gut Edermann bei Teisendorf in Bayern nun schon zum vierten Mal. Die SchauspielerInnen sprechen aus ganz persönlicher Sicht über die Faszination, die der „Jedermann“ auf sie ausübt.

 

 

Hier sehen Sie einen kurzen Einblick in die Inszenierung. Lesen sie unten weiter …

 

Intensive Kindheitserinnerungen

Daniel Holzbauer und Erwin Slavetinsky als Dünner und Dicker Vetter beim Abschied

Daniel Holzbauer und Erwin Slavetinsky als Dünner und Dicker Vetter beim Abschied

Beginnen wir mit dem Schauspieler, der den Jedermann schon am längsten kennt. Erwin Slavetinsky (Dicker Vetter, Spielansager) ist seit seiner Kindheit vom Theater begeistert. Er begleitete seine Eltern auf den Salzburger Domplatz und war bereits als Kind sehr beeindruckt. „Damals mimte Will Quadflieg (1952-1959) den Jedermann. In den Autobussen saßen die kostümierten Schauspieler.“ Erst später, als Slavetinsky den „Teufel“ bei der Inszenierung auf der Festung Hohensalzburg spielte, hat er sich intensiver mit den Texten auseinander gesetzt. Der Stoff beschäftigt sich mit menschlichen Grundfragen: „Was soll aus unserem Leben werden? Die Sucht nach Materiellem wird bedeutungslos. Der Tod holt uns alle ein.“

Barbara Hagen-Walther als Mutter

Barbara Hagen-Walther als Mutter

Von ähnlich intensiven Kindheitserinnerungen spricht Barbara Hagen-Walther (Mutter, Glaube). Als Maximilian Schell (1978-1982) den Jedermann zum Besten gab, war sie als kleines Kind dabei. Sie begleitete ihren Vater, der damals den Gerichtsdiener (Büttl) spielte. Stolz zeigt sie mir ein Bild aus dem Jahre 1984, wo sie mit dem kostümierten Vater posierte. „Dieses Bild habe ich immer in meiner Geldbörse bei mir.“

Allegorien werden lebendig
Die Rolle der Mutter macht ihr Spaß und die des Glaubens, findet Hagen-Walther inhaltlich schwierig, wenn auch sehr inspirierend. Das Stück lebt stark von den Personifaktionen der abstrakten Wirklichkeiten. Diese beeindrucken alle Schauspieler des Ensembles. Daniel Kranawitter (Schuldknecht und Mammon) fasziniert die eigene persönliche Auseinandersetzung mit der Rolle des Mammons. „Die Allegorien verleihen dem Stück Lebendigkeit und Witz.“

 

Christine Walther als Teufel versteht die Welt nicht mehr

Christine Walther als Teufel versteht die Welt nicht mehr

Dieser ist in außerordentlichen Maße in der Worten des Teufels zu erkennen, den Christine Walther verkörpert. Sie sieht im Stück die Urfragen des Lebens gestellt: „Gibt es Gott oder nicht? Menschliche Themen wie Beruf, Freunde, Familie und Krankheit werden hinterfragt.“ Walther spielt außerdem die Rolle des Todes. Der führt vor Augen, dass die Zeit begrenzt ist. „Im Sterben ist jeder allein. Jedermann hat Angst vor dem Tod, weil er mit sich nicht im Reinen ist.“

Die Kinder des Schuldknechts fühlen mit ihrem Vater

Die Kinder des Schuldknechts fühlen mit ihrem Vater

Dem Blumenkind und Schuldknechtsbild Johanna gefällt speziell der Teufel, „denn er ist gut und lustig gespielt.“ Ihre Schwester Elena findet dagegen den Tod spannend, da er so gruselig echt ist. Für die zehnjährige Laura ist „einfach alles“ faszinierend.

 

Die kritische Stimme im Ensemble
Bühnenerlebnis Bamer Ebner Jedermann zartbitter Gut EdermannDaniel Holzbauer (Dünner Vetter, Spielansager) spielt mit, weil er schon oft gemeinsam mit Angelika Bamer-Ebner und mir auf der Bühne gestanden ist. Das macht ihm Freude. Im Stück kommt ihm zu oft das Wort Gott und das Thema Schuld vor. „Der Jedermann ist ein Theaterstück für nicht Theatermenschen. Die Message ist leicht zu verstehen.“ Trotzdem ist auch er im vierten Jahr wieder mit von der Partie. Die Kinder haben ein besondere Freude mit ihm, denn als Jukebox hinter der Bühne hat er immer ein lustiges Lied auf Lager.

 

Zeitlose Aktualität, die jedermann betrifft

Jedermann hält seine geschwächten Werke (Monika Seidenfuß-B.) in den Armen

Jedermann hält seine geschwächten Werke (Monika Seidenfuß-B.) in den Armen

Für Monika Seidenfuß-B. (Werke, Schuldknechts Frau) verliert der Stoff nie an Aktualität. „Der Jedermann zieht die Menschen immer in den Bann. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit.“ In dieselbe Kerbe schlägt Arnold Niederhuber (Koch, Büttl, Knecht). Er weiß, dass sich jeder Mensch mit diesen Themen beschäftigt und „sich darüber Gedanken macht, warum er auf dieser Welt lebt.“

Arnold Niederhuber als unterwürfiger Koch

Arnold Niederhuber als unterwürfiger Koch

Irmgard Böttcher (Arme Nachbarin, Tischdame) befasst sich intensiv mit dem religiös gefärbten Schluss und „die Konfrontation mit dem eigenen Tod.“ Für mich selbst als Jedermann Darsteller ist ein ganz entscheidendes Kriterium für das Gelingen der Rolle: Schaffe ich in der Begegnung mit dem Glauben und den Werken den Wandel vom skrupellosen Lebensmenschen zum Mann, der wirklich glauben kann und mit sich ins Reine kommt. Ist diese Veränderung glaubwürdig, dann hast du es geschafft und kannst in Ruhe sterben. Der Tod verliert so seine Angst einflößende Macht.

Der Wunsch Schauspielerin zu werden

Der prachtvolle Auftritt der Buhlschaft

Der prachtvolle Auftritt der Buhlschaft Angelika Bamer-Ebner

Zum Schluss lassen wir die Regisseurin und Buhlschaft Angelika Bamer-Ebner zu Wort kommen: „Mich beeindruckt der Spannungsbogen zwischen dem historischen Stoff in schöner Kunstsprache und der immerwährenden Aktualität des Inhaltes. Zum anderen lässt dieses vielseitige Stück sehr viel Kreativität und Freiraum in der Umsetzung zu.“ In der Bildgewalt hat dieses Meisterwerk für sie etwas Mystisches. Es war zudem das erste Schauspiel, das sie je gesehen hat. „Mit diesem Stück entstand auch der Wunsch, Schauspielerin zu werden.“ Ihr Traum ging in Erfüllung.

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Was wäre der Sommer in Salzburg ohne die Festspiele? Und was wären die Festspiele ohne Jedermann? Jedenfalls wären wir alle um eine Klatsch-Story ärmer, denn das Interesse am Jedermann ist nicht zuletzt wegen der Buhlschaft sehr groß. Tritt „eine Neue“ die Rolle an, gibt es im Vorfeld aufgeregte Spekulationen. Dabei geht es weniger darum, wie sie die Rolle wohl anlegen wird. Viel mehr wird darüber geredet, wie gut sie wohl das Mieder ausfüllen und Männerträume als Superweib erfüllen wird. Zumindest in der Zeit vor #aufschrei war das so. Erst in zweiter Linie erregt die Besetzung des Jedermann Aufsehen.

Ich selbst hatte bisher erst zweimal den Jedermann gesehen. Einmal mit Klaus Maria Brandauer. Und ich kann mich beim besten Willen nicht mehr erinnern, wer die Buhlschaft spielte. Und einmal mit Veronika Ferres. Komischerweise kann ich mich hier nicht mehr erinnern, wer den Jedermann gab. Ebenfalls beim besten Willen nicht. Insgesamt muss ich auch zugeben, ich bin kein großer Fan des Stücks.

Der Tod (Peter Lohmeyer) reißt allen irdischen Firlefanz mit sich mit fort – ein starker und gruseliger Abgang

Kein großartiges Stück?
Hugo von Hofmannsthal hat sich mit seinem Mysterienspiel an eine spätmittelalterliche Form des Theaters fürs Volk angelehnt. Und da gehören die etwas hölzernen Versreime genauso dazu wie der mahnende Zeigefinger, mit dem Allegorien wie der Tod, der Mammon und die Werke dem Publikum den Weg zum Heil aufzeigen. Alles zusammen ist das ein wenig schwerfällig – und die Moralbotschaft nicht gerade subtil.

Was freilich den stärksten Eindruck hinterlässt, ist die Stimmung auf dem Domplatz. Wenn man das erlebt, wird schon klar, warum dieses Stück in Salzburg ein derartiger Publikumsmagnet ist. Für mich stand trotzdem fest: Öfter als zweimal muss man es nicht gesehen haben im Leben. Zumindest ich nicht.

Letzten Sonntag wurde ich dann unverhofft zum Jedermann eingeladen. Wie könnte ich so etwas ablehnen? Noch dazu, wo die Inszenierung ein echtes Spektakel sein soll. Anscheinend sind doch aller guten Dinge drei.

Es kommt immer anders
Doch der Abend begann mit einer Enttäuschung: Um halb 9 wurde bekannt gegeben, dass die Aufführung ins Große Festspielhaus verlegt wird. Völlig unnötigerweise, wie wir fanden. Es regnete doch gar nicht und wir und unsere Wetter-Apps waren sicher, es hält aus. So trotteten wir Richtung Festspielhaus.
Kaum im Saal angekommen wurden wir gleich mit der nächsten schlechten Nachricht begrüßt: Die Buhlschaft, Brigitte Hobmeier, hat sich einen Mittelfußknochen gebrochen. Zugegeben, für Frau Hobmeier muss das eine noch größere Hiobsbotschaft gewesen sein als für uns. Aber ausgerechnet die Buhlschaft wird einen Gipsfuß hinterherschleifen? Oder einfach nur dastehen?

Der Vorhang geht hoch und alle Darsteller tanzen mit lauter Musik in einem großer Umzug von Bürgern, Dämonen und riesenhaften Knochengerüsten durchs Publikum auf die Bühne. Das Stück beginnt. Obwohl ich es kenne und es mich bisher nur mäßig begeistert hat, lasse ich mir diesmal – zum ersten Mal – keinen einzigen Vers entgehen. Ob man sich im Festspielhaus einfach besser konzentrieren kann als vor dem Dom?

So hätten wir sie gern gesehen – diesmal gabs Brigitte Hobmeier ohne Radl-Akrobatik

So hätten wir sie gern gesehen – diesmal gabs Brigitte Hobmeier ohne Radl-Akrobatik

Wie man sein Publikum erobert
Auftritt Buhlschaft: Anstatt, wie vorgesehen, auf dem Fahrrad angefahren zu kommen, wird die Buhlschaft mit einer Scheibtruhe hereingekarrt. Dabei hebt sie grazil das verletzte Bein, an dessen Ende sich ein klobiger Vorfußentlastungschuh befindet, abwechselnd an und lässt es wieder sinken. Sie „winkt“ damit und flirtet fröhlich mit dem Publikum – bis die Scheibtruhe abgesetzt wird. Das Publikum ist begeistert. Als erste Worte erklärt die Buhlschaft Jedermann (Cornelius Obonya), dass ihr Mittelfußknochen gebrochen sei und dass er einen Kuss drauf geben müsse, damit die Verletzung besser heilt – selbstverständlich alles in passenden Knittelversen. Kokett streckt sie ihm anstatt der Hand das Bein zum Gruß entgegen, den Fußkuss erwartend. Tosender Applaus!

Teufel und Glaube – man siehts hier nicht, aber das spielte sich in schwindelnden Höhen ab

Teufel und Glaube – in schwindelnden Höhen

Auch sonst beweist diese Jedermann-Inszenierung viel Einfallsreichtum und bringt einen zum Staunen. Ob durch die allegorischen Gestalten – wie Tod (gruselig und Ehrfurcht gebietend), Mammon (frech), Werke (mit gebrechlichem Puppenkörper), Glaube (über allem stehend) – oder durch die ausgelassenem Tanzeinlagen zu mittelalterlich anmutenden oder Balkanklängen, die das Geschehen immer wieder unterbrechen. Und auch die Freundin, die mich auf den Abend eingeladen hat, kommt als Salzburgs größter Michael Jackson-Fan auf ihre Kosten, als plötzlich sehr moderne Rhythmen von einer Thriller-ähnlichen Choreografie begleitet werden.

Wer kann, der kann eben
So wurde in beiden Fällen meine erwartete Enttäuschung … nun ja … enttäuscht. Und als Salzburger, der schon etwas stolz darauf ist, dass so etwas Einmaliges jeden Sommer bei uns stattfindet, bin ich geneigt zu sagen: Aus widrigen Situationen ein großartiges Erlebnis zu zaubern, das bringen nur unsere Salzburger Festspiele mit ihrem Aushängeschild, dem Jedermann, fertig.

Beim Verlassen des Hauses regnet es. Mitunter sogar heftig. Auch das können die Festspiele also gut: Das Wetter richtig vorhersagen.

Link zu mehr Infos zum Jedermann

Link Salzburger Festspiele

Alle Bilder: Salzburger Festspiele – Forster