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Wenn man will, dann kann man es Menschen so richtig schwer machen. Es wird wieder mal die Staatsbürgerschaft diskutiert in unserem Land. Aber statt es einfacher, günstiger und einladender zu machen, lässt man sich ein paar zusätzliche Hürden einfallen. Warum einen ein ehrenamtliches Engagement bei der Feuerwehr qualifiziert, aber ein ebensolches bei einem Jugendzentrum nicht, bleibt rätselhaft.

Ja und die Deutschkenntnisse erst! Wenn wir so weitermachen, bürgern wir nur noch Menschen ein, die eine Dissertation auf der Germanistik geschrieben haben, vielleicht über den um sich greifenden sekundären Analphabetismus in unserem Land. Tja und verdienen sollte man natürlich auch mehr als der Durchschnittsösterreicher. Aber das Geld braucht man eh, unter 2000€ Gebühren bekommt man keinen österreichischen Pass. Was interessiert uns die demografische Entwicklung und die globalisierte Welt?

Was ExpertInnen zum Staatsbürgerschaftsrecht sagen ist auch egal. Die meinen nämlich, dass man erfolgreiche Integration nicht so richtig messen kann. Die meinen auch, dass es vernünftig wäre in Österreich geborenen Kindern von Drittstaatsangehörigen automatisch die österreichische Staatsbürgerschaft zu geben. Das alles wird nicht diskutiert. Hauptsache wir verlangen von anderen der perfekte Österreicher zu sein, der wir selbst nicht sind!

Was in den Vereinigten Staaten und Kanada schon lange normal ist, ist in Deutschland in der Testphase. Bei uns in Österreich wird gerade darüber diskutiert. Ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren  hat durchaus einige Vorteile. Gerade in der ersten Phase einer Bewerbung findet Diskriminierung besonders häufig statt, wie die Deutsche Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) feststellt. Besonders betroffen sind Frauen mit Kindern, ältere ArbeitnehmerInnen und MigrantInnen. Sie werden nachweislich weniger zu Vorstellungsgesprächen eingeladen.

Im ersten Schritt bei einem anonymisierten Bewerbungsverfahren lässt man das Foto, Name, Geburtsdatum, Familienstand und das Herkunftsland weg. Bei Ausbildungs- und Berufserfahrungen stehen keine Jahreszahlen. Die Personalverantwortlichen treffen nur aufgrund dieser Daten eine Auswahl. Nachdem  sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen haben, erhalten sie die vollständigen Unterlagen, um sich auf das Gespräch vorzubereiten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Diskriminierung ist in der ersten Bewerbungsphase so gut wie ausgeschlossen. Die Bestqualifizierten kommen zum Vorstellungsgespräch und neue Bewerbergruppen werden angesprochen.

Nun gibt es natürlich auch Einwände. Einige Personalverantwortliche meinen, auch Sympathie, Vertrauenswürdigkeit und Individualität sind ausschlaggebend. Dem steht entgegen, dass ja spätestens beim Vorstellungsgespräch die Anonymität vorbei ist und es keinen Schutz vor Diskriminierung gibt. Aber vielleicht erlebt so manche/r Verantwortliche, dass ein Kevin, eine Tülin, eine Mutter mit 3 Kindern oder ein 50jähriger doch zum Unternehmen passen. Ohne anonymisiertes Bewerbungsverfahren wäre es nicht zu so einer positiven Überraschung gekommen.

Darum bin ich schon gespannt auf das Pilotprojekt, das Ministerin Heinisch-Hosek präsentieren wird. Und ich hoffe, dass es viele NachahmerInnen gibt!

http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20120814_OTS0177/oesterreich-heinisch-hosek-plant-pilotprojekt-fuer-anonyme-bewerbungen

http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Leitfaden-anonymisierte-bewerbungsverfahren.html?nn=1735114

…und Z. auch. Abschieben, ich erkläre dieses Wort zum Unwort  2012. Täglich schiebt die Republik Österreich Menschen ab. Abschieben sagt sich so leicht, es schreibt sich auch so leicht. Aber für die Abzuschiebenden ist es alles andere als leicht. Es ist in vielen Fällen das Ende einer Hoffnung. Die Hoffnung darauf auch teilhaben zu können. Leben zu können in einem Land, das Sicherheit und eine Zukunft bietet.

Abschieben ist das Wegschieben von Tatsachen. Tatsache ist, dass Menschen eine Zukunft in Österreich erhoffen. Menschen, die aus Ländern kommen, die keine Zukunft bieten. Ich kenne viele Menschen, die Asyl in Österreich bekommen haben und ebenso viele die noch darauf hoffen. Die Asylgesetzgebung, beschlossen vom österreichischen Parlament, verschärft im Juli 2011, ist das Instrument des Staates scheinbar objektiv das Schicksal von Menschen zu entscheiden. Interessanterweise passiert es oft, dass BürgerInnen sich zusammentun, weil sie nicht akzeptieren wollen, Menschen abzuschieben. Menschen, die bei uns um Asyl angesucht haben, oft viele Jahre hier leben, unter uns und mit uns leben. Die Freunde, Arbeit und eine neue Heimat gefunden haben.

Wenn Mitmenschen für sie auf die Barrikaden steigen, heißt das, dass das Gesetz in seiner scheinbaren Objektivität Mitmenschlichkeit vermissen lässt. Das sollte eigentlich Anstoß genug sein, darüber nachzudenken, das Gesetz zu ändern- nämlich mitmenschlicher zu machen.

Seit fast 20 Jahren habe ich die Freude die deutsche Sprache zu lehren. Es ist eine wunderbare Aufgabe und jeder Kurs ist wieder eine spannende Herausforderung. Besonders die Begegnung mit Frauen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen  ist wunderbar. Ich lerne so viel und hoffe, dass ich genauso viel zurückgeben kann.

Was mir aber weniger Freude macht ist der Kampf gegen die Vorurteile, die mir immer wieder unterkommen. Da heißt es entweder „Die sollen endlich richtig Deutsch lernen!“ oder „Die wollen ja gar nicht Deutsch lernen!“. Tja man stellt sich das so einfach vor. Von der Bundesregierung abwärts denken viele, da reichen ein paar Kurse und schon kann man eine Sprache. Aber so einfach ist das nicht.

Deutsch ist voller Tücken

Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist als Erwachsene eine ganz neue Sprache zu lernen. Ich habe lange Zeit gebraucht, um meinen ersten korrekten türkischen Satz zu bilden, der über „Ich heiße Anja und komme aus Österreich“ hinausgeht. Mein Vorteil war, dass ich wusste wie man eine Sprache lernt. Dass ich wusste, wie man lernt. Dass ich wusste, wie meine eigene Muttersprache funktioniert. Das sind drei Voraussetzungen, die einem das Lernen einer Sprache erleichtern. Ich behaupte, dass viele Menschen diese Voraussetzungen nicht mitbringen. Am wenigsten wahrscheinlich die, die von den MigrantInnen verlangen innerhalb kürzester Zeit Deutsch zu lernen. Deutsch ist eine schöne Sprache, allerdings voller Tücken. Das geht los mit den berühmten Artikeln „der, die und das“. Welchen Sinn sie haben, hat sich auch mir noch nicht erschlossen, denn es gibt genug Sprachen, so wie das Englische, das mit einem Artikel auskommt oder das Türkische, das keinen bestimmten Artikel kennt. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass die Artikel bis auf wenige Ausnahmen, keiner Regel folgen. Ein Drama, wenn man Deutsch lernt! Aber nicht nur die Sprache hat es in sich.

Deutsch ist nicht gleich Deutsch

Es sind auch die Umstände, die den Lernerfolg mitbestimmen. Viele meiner Schülerinnen sind ja nicht zum Deutschstudium hier. Sie leben und arbeiten hier mit einem vielfach sehr stressigen Alltag. Arbeit, Kinder und Haushalt bestimmen den Tagesablauf. Wenn sie sich dann noch freiwillig in einen Deutschkurs setzen, dann verdient das großen Respekt. Eine weitere Hürde ist der große Unterschied zwischen dem Deutsch im Sprachkurs und dem Deutsch, dem sie im Alltag begegnen. Immer wieder erzählen sie mir, wie schwer es besonders am Anfang ist die ÖsterreicherInnen im Alltag zu verstehen. Ich tröste sie dann damit, dass es vielen deutschen MigrantInnen ähnlich geht und die können eigentlich Deutsch.

Also sollte euch jemand unterkommen mit den Vorurteilen „Die können ja kein Deutsch oder  die wollen es ja nicht lernen“, dann ladet sie ein es probeweise mal mit ein paar Kursstunden Arabisch, Serbokroatisch, Thai, Chinesisch, Türkisch, Albanisch, Persisch, Dari, Mongolisch, Georgisch, Russisch, Japanisch, Rumänisch, Vietnamesisch, Edo oder Ungarisch zu versuchen.

Der Integrations-Aufreger der Woche ist sicher das druckfrische Buch von Inan Türkmen „Wir kommen“. Die Medien stürzten sich darauf, also musste ich mir das Buch auch zulegen. Gerade habe ich es fertig gelesen. Ein durchaus erfrischendes Buch, finde ich.  Ein junger Mann  erzählt aus seinem Leben, was er sich so denkt, wenn das Mitteleuropäische auf das Türkische trifft und umgekehrt. Er genießt es „uns Europäern“ den Spiegel vorzuhalten, durchaus humorvoll, aber nicht ohne Ernsthaftigkeit. Natürlich schafft er es mit seinen Provokationen vor allem die Kommentarseiten der Onlinemedien zu füllen. Und das ist gut so.

http://derstandard.at/1330389965365/Vorzeigemigrant-Meine-Haare-sind-tuerkisch

 Ja dürfen’s das?

Ein Knackpunkt in der ganzen Integrationsdebatte ist ja, dass viele Nicht-Migranten schwer damit umgehen können, wenn sich ein Migrant, insbesondere der 2. Generation, unverblümt zu Wort meldet. Es schwingt immer ein „Ja, darf der denn das überhaupt?“ mit. Das ist mir in vielen Diskussionen schon untergekommen, dass einige sich darüber beschweren, wenn „die da“ auch mitreden. Inan Türkmens Buch ist so ein „Ich sage mal, was ich mir denke“-Buch.

Gewöhnlich lesen wir über unterdrückte Frauen, bildungsunwillige Kinder und nicht-arbeitswillige Männer. Jetzt schreibt Türkmen über „hungrige“ junge Menschen, die mehr wollen und dafür viel zu geben bereit sind.  Er sieht viele Potenziale in der 2. Generation, die in Österreich und Deutschland brach liegen. Er ist überzeugt davon,  es hier in Österreich oder in der Türkei zu schaffen.

Kein Anti-Sarrazin

Er verklärt an einigen Stellen die Türkei, sein Blick reicht hier in vielen Aspekten nicht über das moderne und pulsierende Istanbul hinaus. Was er fordert, ist der Türkei und ihren Menschen auf Augenhöhe zu begegnen und er bringt einige Beispiele, die vielen von uns den Spiegel vorhalten. Und das mag niemand so gerne. Als Beispiel sage ich nur: Frauen in Führungspositionen. Wenn wir seit Jahren über Quoten diskutieren und merken, dass die gläserne Decke nur langsam dünner wird, dann hat die Türkei hier wirklich eine andere Tradition. Eine weibliche Führungskraft, insbesondere in der Wirtschaft, ist nichts Ungewöhnliches. Am anderen Ende stehen aber natürlich Frauen, die nicht in den Genuss einer Führungsposition kommen, die nicht die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben haben. Aber dieses Thema behandeln andere, von Seyran Ates bis zu Necla Kelek.

Wenn Türkmen allerdings meint, sein Buch wäre ein Anti-Sarrazin, dann ist es gut für die Werbung, aber den Tatsachen entspricht es nicht. Was er leistet ist, aus einer persönlichen Perspektive den ganzen Integrationsdebatten  eine zusätzliche Stimme zu geben, die auch gehört werden soll!

Das Fremdenrecht  von Juli 2011, von der Regierung als Meilenstein gefeiert, war und ist eine Demonstration von angstbesetzter Integrationspolitik.  Auf der einen Seite wurde alles dazu getan bestehendes Recht zu verschärfen und Integration zu erschweren, Grenzen zu ist die Devise! Auf der anderen Seite träumt die Regierung davon mit der neu geschaffenen Rot-Weiß-Rot Card hoch qualifizierte Menschen nach Österreich zu locken. Aber sie hat wenig bis gar nichts dazu getan, die Rahmenbedingungen für die Zigtausende in Österreich ansässigen  MigrantInnen  zu verbessern, um leichter zu einer Anerkennung ihrer  hochqualifizierten Abschlüsse zu kommen. Ich kenne viele Männer und Frauen aus aller Welt, die eine gute Ausbildung haben. Menschen, die strebsam, fleißig und willens sind ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in Österreich einzusetzen.  Wollen sie aber ihre Abschlüsse anerkennen lassen, dann scheitern viele an den gesetzlichen und finanziellen Hürden. Das vermindert natürlich die Chancen auf einen besser qualifizierten Arbeitsplatz. Worüber wird aber in den wenigsten Fällen gesprochen? Die Nicht-Anerkennung bedeutet für den Einzelnen auch die Nicht-Anerkennung seiner erbrachten Leistung. Es geht schlicht auch um Respekt für das was man als Kind, Jugendlicher und junger Mensch gelernt hat. Das alles ist auf einmal nichts wert? Aber das hat natürlich keinen Platz in einem Gesetz!  Unser Bildungssystem steckt in einer Sackgasse, die Wirtschaft ruft nach qualifizierten MitarbeiterInnen und was passiert? 

 http://diepresse.com/home/panorama/integration/726571/Integration_Hindernislauf-zur-akademischen-Anerkennung?_vl_backlink=/home/index.do