Seit fast 20 Jahren habe ich die Freude die deutsche Sprache zu lehren. Es ist eine wunderbare Aufgabe und jeder Kurs ist wieder eine spannende Herausforderung. Besonders die Begegnung mit Frauen aus vielen verschiedenen Ländern und Kulturen ist wunderbar. Ich lerne so viel und hoffe, dass ich genauso viel zurückgeben kann.
Was mir aber weniger Freude macht ist der Kampf gegen die Vorurteile, die mir immer wieder unterkommen. Da heißt es entweder „Die sollen endlich richtig Deutsch lernen!“ oder „Die wollen ja gar nicht Deutsch lernen!“. Tja man stellt sich das so einfach vor. Von der Bundesregierung abwärts denken viele, da reichen ein paar Kurse und schon kann man eine Sprache. Aber so einfach ist das nicht.
Deutsch ist voller Tücken
Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist als Erwachsene eine ganz neue Sprache zu lernen. Ich habe lange Zeit gebraucht, um meinen ersten korrekten türkischen Satz zu bilden, der über „Ich heiße Anja und komme aus Österreich“ hinausgeht. Mein Vorteil war, dass ich wusste wie man eine Sprache lernt. Dass ich wusste, wie man lernt. Dass ich wusste, wie meine eigene Muttersprache funktioniert. Das sind drei Voraussetzungen, die einem das Lernen einer Sprache erleichtern. Ich behaupte, dass viele Menschen diese Voraussetzungen nicht mitbringen. Am wenigsten wahrscheinlich die, die von den MigrantInnen verlangen innerhalb kürzester Zeit Deutsch zu lernen. Deutsch ist eine schöne Sprache, allerdings voller Tücken. Das geht los mit den berühmten Artikeln „der, die und das“. Welchen Sinn sie haben, hat sich auch mir noch nicht erschlossen, denn es gibt genug Sprachen, so wie das Englische, das mit einem Artikel auskommt oder das Türkische, das keinen bestimmten Artikel kennt. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass die Artikel bis auf wenige Ausnahmen, keiner Regel folgen. Ein Drama, wenn man Deutsch lernt! Aber nicht nur die Sprache hat es in sich.
Deutsch ist nicht gleich Deutsch
Es sind auch die Umstände, die den Lernerfolg mitbestimmen. Viele meiner Schülerinnen sind ja nicht zum Deutschstudium hier. Sie leben und arbeiten hier mit einem vielfach sehr stressigen Alltag. Arbeit, Kinder und Haushalt bestimmen den Tagesablauf. Wenn sie sich dann noch freiwillig in einen Deutschkurs setzen, dann verdient das großen Respekt. Eine weitere Hürde ist der große Unterschied zwischen dem Deutsch im Sprachkurs und dem Deutsch, dem sie im Alltag begegnen. Immer wieder erzählen sie mir, wie schwer es besonders am Anfang ist die ÖsterreicherInnen im Alltag zu verstehen. Ich tröste sie dann damit, dass es vielen deutschen MigrantInnen ähnlich geht und die können eigentlich Deutsch.
Also sollte euch jemand unterkommen mit den Vorurteilen „Die können ja kein Deutsch oder die wollen es ja nicht lernen“, dann ladet sie ein es probeweise mal mit ein paar Kursstunden Arabisch, Serbokroatisch, Thai, Chinesisch, Türkisch, Albanisch, Persisch, Dari, Mongolisch, Georgisch, Russisch, Japanisch, Rumänisch, Vietnamesisch, Edo oder Ungarisch zu versuchen.