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„Mach es einfach!“, sagt die junge Frau im Schloss Mirabell zu mir. Ich hatte ihr gerade erzählt, dass ich Pflichtuntersuchungen von Mädchen fordern möchte. Mädchen, die gefährdet sind an den Genitalien verstümmelt zu werden. Die Eltern der jungen Frau sind aus einem ostafrikanischen Land. Ihre Mutter wurde verstümmelt, ihrer Tochter hat sie diese grausame Misshandlung nicht angetan.

„Mach es einfach! Mach es einfach!“, so hallt es in meinem Kopf nach. Die ganzen nächsten Tage. Jahrelang ist Genitalverstümmelung schon ein Thema in Österreich. Es gibt eine Plattform gegen FGM (female genital mutilation), wie Genitalverstümmelung international heißt. Hunderte Millionen Frauen in vielen Ländern sind davon betroffen. Auch bei uns in Österreich. Genitalverstümmelung ist kein religiöses Gebot, aber eine uralte Tradition, die Muslime, aber auch Christen und Juden praktizieren. Es ist eine abartige, kriminelle Tradition. Besonders Mädchen aus Somalia, dem Sudan, Ägypten, aber auch aus dem Nordirak oder Senegal sind betroffen. Auch hier in Österreich. Genitalverstümmelung ist in Österreich strafbar, es können bis zu 10 Jahre Gefängnis darauf stehen.

Wir müssen ungeduldiger werden

Aber es gab nach meinen Recherchen noch nie eine Anzeige, geschweige denn eine Verurteilung. Obwohl wir davon wissen. Und obwohl wir in Österreich versuchen, durch Information und Aufklärung diese perverse Praktik zu verhindern. Maßnahmen, die sicher schon zu einem Rückgang  geführt haben. Aber es muss schneller gehen. Ein bisschen mehr Ungeduld tut gut. Und hilft dabei, die Unversehrtheit von noch mehr Mädchen zu bewahren. „Mach es einfach!“, hat die junge Frau zu mir gesagt. Sie hat recht. Aufklärung und Information alleine können FGM nicht stoppen. Auch nicht bei uns. Wir brauchen auch Kontrollen. Und wenn sich der Verdacht bestätigt: Anzeigen. Solange die Eltern die Gewissheit haben, dass niemand sie anzeigt, dass wir alle wegschauen – zwar mit Empörung, aber wegschauen – so lange gibt es für die Mädchen keine Sicherheit.

Messer für die Beschneidung (c) Foto: (I)NTACT e V.

Du hast mir nicht geholfen

In den all den Tagen, in denen mir das „Mach es einfach!“ durch den Kopf gegangen ist, hab ich mir immer wieder folgende Szene vorgestellt: Es ist das Jahr 2030. Ich treffe auf einem Multikulti-Fest eine junge Frau, deren Großeltern aus Somalia stammen. Wir plaudern über dies und das, sie fragt mich nach meiner beruflichen Vergangenheit. Als ich ihr erzähle, dass ich einmal Vizebürgermeisterin war und auch für Kinder und Jugendliche in der Stadt Salzburg zuständig, schwindet ihr Lächeln und sie fragt mich: „Was hast du damals getan für mich? Ich bin in Salzburg aufgewachsen. Ich bin hier zur Schule gegangen. Und sie haben mich beschnitten. Du hast mir nicht geholfen. Du hast weggeschaut, wie alle anderen auch.“

Anja Hagenauer: Wir dürfen nicht mehr wegschauen!

Was tun gegen Genitalverstümmelung?

  • Es braucht noch mehr Aufklärung und Information für betroffene Mädchen und Frauen
  • Männer – ob Ehemänner, Väter oder Brüder – müssen in die Aufklärungsarbeit mit einbezogen werden
  • Ärztinnen, Lehrer, Sozialarbeiterinnen brauchen mehr Sensibilisierung
  • Mädchen zwischen 0 und 14 Jahren, die von Genitalverstümmelung betroffen sein können, müssen in regelmäßigen Abständen von Kinderärzten untersucht werden
  • Dem geringsten Verdacht auf Genitalverstümmelung muss nachgegangen werden. Das Jugendamt muss informiert werden
  • Wenn der Verdacht sich bestätigt, müssen die verantwortlichen Erwachsenen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden

Wer immer noch wegschauen möchte, dem sei ein Satz von Waris Dirie, der berühmtesten Kämpferin gegen Genitalverstümmelung ans Herz gelegt:

„FGM ist ein Verbrechen und niemand darf das tolerieren. Falsche Toleranz und Ignoranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung, ist die härteste Form von Rassismus, die es gibt.“

Fotos: http://www.stop-fgm-now.com/de/presse und Arne Müseler