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Patriarch Ignatius Aphrem und emeritierter Erzbischof Alois Kothgasser

Es passiert nicht oft, dass man bei einem besonderen Moment dabei sein darf, der sehr viel Geschichte atmet. Ich hatte das Glück. Heute hat die katholische Fakultät der Universität Salzburg einen Lehrstuhl für „Syrische Orthodoxe Theologie“ eingerichtet. Erstmals außerhalb des Nahen Ostens und erstmals können Priester, Mönche und LehrerInnen außerhalb von Klostermauern ausgebildet werden. Finanziert von der Erzdiözese Salzburg und der Bischofskonferenz. Undenkbar noch vor 100 Jahren, dass Ökumene so möglich ist. Die Festredner von Dekan Winkler bis zu Patriarch Ignatius Aphrem sprechen von einem Zeichen der Solidarität mit den Schwesterkirchen. Das ist besonders wichtig in unserer aktuellen Situation. Der syrisch orthodoxe Patriarch spricht vom Exodus der Christen aus dem Nahen Osten. Alleine in Syrien gibt es jetzt 40% weniger Christen, im Heiligen Land, in der Türkei, im Irak, überall schwindet die christliche Bevölkerung. Die Kirche ist nicht gebunden an ein Land, aber es braucht Orte, wie hier in Salzburg, an dem das religiöse und kulturelle Erbe weitergelebt wird, so der Patriarch. Auch die Sprache Aramäisch, die laut TheologInnen die wahrscheinliche Sprache Jesu war.

Während der Zeremonie in der großen Aula der Salzburger Universität musste ich immer an meine Reise nach Edessa denken, das heutige Sanliurfa, fünftheiligste Stadt des Islam. Abraham soll hier geboren sein. Und es ist die Wiege der Syrisch-Orthodoxen Kirche, hier sollen Reliquien des Apostel Thomas liegen, der bis Indien gekommen, um zu missionieren. Und hier ist in der Antike eine bedeutende theologische Schule entstanden, ein Zentrum christlichen und nichtchristlichen Wissens:

Ich erinnere mich gerne an die Reise, die wunderbare Landschaft rund um Sanliurfa im Südosten der Türkei an der syrischen Grenze. Hier findet sich der älteste Tempel der Welt, genannt Göbekli Tepe, laut Archäologen 11.000 Jahre alt! Es ist hier fruchtbares Land, in der Antike als Teil Mesopotamiens, in der Nähe des Euphrat. In der Stadt waren Türken, Araber und Kurden. Die Menschen, ihre Religionen, Kulturen und Sprachen mischen sich. Im Kaffeehaus ist von jedem Nachbartisch eine andere Sprache zu hören. Multikulturell nennt man das. Aber es geht verloren, in der Türkei, im Irak in Syrien. Umso wichtiger ist es Teile davon zu bewahren, weiter zu tragen, auch hier in Salzburg, an der Universität.

Diese Frage versucht der Historiker Ian Morris in seinem Werk mit dem Untertitel „Warum Zivilisationen herrschen oder beherrscht werden“ zu beantworten.

Wer auch immer meint, dass Geschichte langweilig sei und nur aus Zahlen bestünde, der wird in diesem Buch eines Besseren belehrt.  Morris ist nicht nur Historiker sondern auch Archäologe und sein Zugang umfasst mehr als 10.000 Jahre Geschichte. Die Entwicklung von Gesellschaften wird unter anderem von Faulheit, Angst und Habgier mitbestimmt, so Morris. Bestimmend für die Entwicklung ist aber auch die Geographie und somit die klimatischen Bedingungen. Tiere, die sich als Haustiere eignen und somit die Sesshaftwerdung des Menschen ermöglichen, finden sich nicht überall. Eine Giraffe oder  Löwen als Haustiere  im Vorgarten zu haben, ist wohl eher unwahrscheinlich. Die Gegend um Euphrat und Tigris, Wiege auch unserer Zivilisation, hatte eine Fauna und auch Flora, die den Menschen das Sesshaftwerden erleichterte. Morris Analyse geht bis ins 21. Jahrhundert. Er schafft es Denkweisen und Kulturen aus anderen Winkeln zu beleuchten und uns vor Augen zu führen wie relativ fragil die Macht einer Kultur zu jeder Zeit sein kann. „Wer regiert die Welt“ macht Geschichte erfahrbar und spannender als jeden Krimi. Eigentlich ein Muss für jeden Geschichteunterricht.

Göbekli TepeIm Sommer erlebte ich Geschichte hautnah. Ich besuchte Göbekli Tepe In der Nähe von Urfa in der Südosttürkei. Dort fand man die bis dato älteste Tempelanlage der Welt- 12.000 Jahre alt! Dort zu stehen, wo schon vor Urzeiten Menschen tonnenschwere Steine des Glaubens wegen auf einen Berg schleppten, war ein besonderes Gefühl.  Die Reliefs auf den Steinen stellen Tiere und Wesen dar, unheimlich und schön zugleich. Mit welchen Wünschen und Hoffnungen die Menschen damals wohl dort hingekommen sind? Der deutsche Archäologe Klaus Schmidt, Ausgrabungsleiter in Göbekli Tepe, vertritt die gewagt aber diskussionswürdige These: „Zuerst kam der Tempel und dann die Stadt“. Das würde eine ganz neue Sicht auf die Entwicklung des Menschen werfen.