Ein Beitrag von Andreas Praher:
Österreich hat sich lange Zeit in seiner Opfer-Rolle wohl gefühlt. Fast schon dogmatisch weigerte sich eine ganze Nachkriegsgesellschaft, seine eigene Beteiligung am nationalsozialistischen Regime einzugestehen. Das kollektive Bewusstsein der jungen Zweiten Republik wurde dafür mit Heimatkitsch und Kaiserschmarrn aufgefüllt.
Gerade die Festspielstadt Salzburg hat im Ausblenden der unschönen Vergangenheit eine bemerkenswerte Strategie entwickelt. Mit einem von Hollywood inszenierten filmischen Mythos gelang es, ein durchgehend harmonisches Bild von Stadt und Land zu zeichnen, das perfekt in die Nachkriegsjahre passte und bis heute mehrfach reproduziert wurde. „Sound Of Music“ ließ ein unbeschwertes Österreich aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs auferstehen. Julie Andrews im Dirndl auf der Almwiese verwischte die Spuren nationalsozialistischen Terrors in Salzburg und ein widerspenstiger, zur Auswanderung gezwungener Baron von Trapp bestärkte den Opfermythos.
Das Lager Glasenbach, in dem bis Jänner 1948 ehemalige Nationalsozialisten – darunter auch honorige Salzburger – einsaßen, hätte die Optik nur ins Gegenteilige verrückt. Der Ort ist in Vergessenheit geraten. Erst Jahrzehnte später fanden eine Auseinandersetzung mit dem Internierungslager und seiner Häftlinge statt. 20.000 verdächtige NSDAP-, SA- und SS-Mitglieder sowie mutmaßliche Kriegsverbrecher haben das von der amerikanischen Besatzungsmacht geführte Lager durchlaufen. Der VDU und die FPÖ rekrutierten aus einem Teil der Insassen später die politischen Führungskräfte. Doch dort, wo heute die Alpensiedlung steht, erinnert nichts mehr an jenes Kapitel österreichischer Zeitgeschichte – kein Hinweisschild, geschweige denn eine Gedenktafel.
Ähnlich verhält es sich auf dem Gelände des ehemaligen Rüstungsbetriebes Oberascher in Salzburg-Kasern, wo dutzende Fremdarbeiter und Kriegsgefangene zur Arbeit gezwungen wurden und zum Teil ums Leben kamen. Zumindest die Ermodung von vier entflohenen Ostarbeitern konnte der Salzburger Historiker Thomas Weidenholzer nachweisen. Sie wurden vor den Augen der Belegschaft am 20. August 1943 auf dem Vorplatz der Firma Oberascher gehängt. Heute befinden sich auf dem Areal, wo ab 1942 104 Ostarbeiter um ihr Überleben schufteten, eine Eventgastronomie und Modeboutiquen. Es gibt weder einen Verweis auf das damalige Fremdarbeiterlager, noch einen Gedenkstein, der an die Opfer erinnert. Als hätte es diese nie gegeben.
Stattdessen begnügt sich die Stadt Salzburg mit einem Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus am Hauptbahnhof, dessen Existenz kaum wahrgenommen wird und in seiner Erscheinung fast schon beschämend wirkt. Erinnerungskultur sieht anders aus. Sie braucht kein „Sound Of Music“ Museum, sondern begehbare Orte, wo die Geschichte auch für andere Generationen sichtbar und erlebbar wird, um nicht in Vergessenheit zu geraten.
Hinweis: Das zerstörte Euthanasie Denkmal in Salzburg: Zartbitter schaut hin!
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