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„Es gibt so viel coole Storys, die man verfilmen könnte. Fällt denen nichts mehr ein? Es gibt so viel echte Helden auf dieser Welt, warum pikt [sic] man sich da niemanden heraus?“ So lautete einen Kommentar, den jemand unter meinen Filmbericht über Die glorreichen Sieben setzte.

Hier sind gleich zwei Beschwerden enthalten:
1. Es gibt keine neuen Storys.
Meine Antwort: Stimmt überhaupt nicht.
2. Niemand macht Filme über Menschen, die echt was geleistet haben.
Meine Antwort: Die gibt es doch. Aber das Marketing dafür ist nicht so stark.

Darum möchte ich diesmal ein paar neue Filme über Helden des echten Lebens vorstellen.

 Sully

Am 15. Jänner 2009 machte ein Mann weltweit Schlagzeilen: Der Pilot Chesley „Sully“ Sullenberger. Nach einem Vogelschlag waren beide Triebwerke seiner Maschine ausgefallen. Anstatt zu versuchen zum Flughafen umzukehren, beschloss er, auf dem Hudson River notzuwassern. Alle 155 Passagiere überlebten.

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Der Film Sully erzählt keine hochdramatisierte Geschichte, die im „Absturz“ des Flugzeugs gipfelt. Vielmehr wird betrachtet, wie Sullenberger es nach der aufsehenerregenden Notlandung erging. Denn einerseits rissen sich die Medien und die Öffentlichkeit um den Helden, während gleichzeitig ein Untersuchungsverfahren eingeleitet wurde. Ihm wurde vorgeworfen, er habe immensen Sachschaden verursacht und das Leben der Passagiere gefährdet.

Der Film erzählt sehr unaufgeregt und neutral, aber dennoch spannend. Sully wirkt sehr authentisch – selbst in den Szenen, wo der Absturz gezeigt wird. Es gibt keine kreischenden oder sich irrational verhaltenden Passagiere, wie man sie in so manchen Katastrophenfilmen sieht.

Tom Hanks ist in der Rolle des Sully perfekt besetzt. Wieder einmal. Er hat auch schon früher Helden des echten Lebens verkörpert, wie James B Donovan in Brige of Spies oder Richard Philops in Captain Philips – beide Filme ebenfalls sehr sehenswert.

Sully läuft bei uns ab 1. Dezember im Kino

The White Helmets

Die Weißhelme sind eine syrische Zivilschutz-Organisation. Über 1000 Menschen sind im ganzen Land zur Stelle, wenn Bomben fallen und Hilfe benötigt wird. Sie retten Menschen aus Trümmern, bergen Leichen und löschen Brände. Sie begeben sich täglich für andere in höchste Gefahr. Dafür haben sie im September den Right Livelyhood Award erhalten – den alternativen Nobelpreis.

Die 40-minütige Dokumentation wurde 2016 gedreht und folgt drei Männern, die in Aleppo bei den Weißhelmen täglich im Einsatz sind. Sie kommen aus allen möglichen Berufen, wie Schneider oder Bauarbeiter. Schon wenn sie ein Flugzeug hören, springen sie auf und tatsächlich fallen bereits kurz darauf die Bomben. Sie retten, suchen, weinen – oft vor Schmerzen, oft vor Glück. Manchmal da lachen sie auch – oder sie reden über Hoffnung. Auch das ist bewundernswert.

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Authentischere Einblicke in die Zustände in Aleppo bekommt man selten. Es ist mitunter unbequem, sich das anzusehen. Doch gerade dann ist es wichtig nicht wegzuschauen, denn sonst werden wir uns die verheerenden Zustände nie annähernd vorstellen können.

Zu sehen auf Netflix

Hacksaw Ridge

Kann man Soldat und Pazifist sein? Desmond Doss konnte das. Er und nur zwei weitere US-Soldaten verweigerten im zweiten Weltkrieg den Dienst an der Waffe. Vom Kriegsdienst zurückgestellt wollte er trotzdem nicht werden. Er diente seinem Land ohne Waffe – und rettete dennoch im Schlachtfeld vielen Kameraden das Leben. Dafür erhielt er als erster Soldat, der keinen einzigen Schuss abgefeuert hatte, die höchste Auszeichnung für Verdienste um die USA.

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Bisher habe ich nur den Tailer gesehen. Andrew Garfield scheint eine gute Wahl für die Figur des Desmond Doss. Insgesamt dürfte die Geschichte recht sehenswert sein, auch wenn der Film nicht ganz ohne Pathos auskommt.

Ab November läuft Hacksaw Ridge in den USA (möglicherweise folgt dann schon ein detaillierter Bericht), ab Jänner ist er dann auch in Deutschland und Österreich zu sehen.

Und die Frauen?

Dieses Jahr ist mir erst ein einziges Biopic über eine Frau aufgefallen: Joy mit Jennifer Lawrence. Joy Magnano war die Erfinderin des ersten Wischmops, den man nicht per Hand auswringen musste. Das kann nicht die einzige weibliche Heldentat gewesen sein. Ich mache mich gleich auf die Suche, nach weiteren neuen Filmen über wahre Heldinnen. Wenn jemand Tipps dafür hat, dann freue ich mich. Schreibt mir doch.

(Beitragsbild: Bill Kirkpatrick
https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/legalcode)

Ich liebe Anwaltsserien. Amerikanische Serienanwälte sind gewitzt und aalglatt. Oder sie sind so hochkonzentriert und beherrscht wie meine absolute TV-Heldin: Alicia Florrick [Juliana Margulies] aus The Good Wife. Ihre Fälle sind oft an neuere aufsehenerregende Gerichtsfälle angelehnt oder beschäftigen sich mit Rechtsfragen, die aktuell diskutiert werden – nicht nur in den USA.

Dokumentationen stehen bei mir hingegen selten auf dem Programm. Aber die am 18. Dezember auf Netflix veröffentlichte Dokumentation Making a Murderer hatte sofort mein Interesse. Es ist eine Dokumentation über einen zehn Jahre alten Gerichtsfall – in zehn einstündigen Folgen. Ich war von Folge 1 an gefesselt.

Da Hofa wars vom 20er Haus*
Die Familie Avery betreibt außerhalb von Manitowoc, Wisconsin einen Autoschrottplatz und wohnt dort auch. Sie sind völlige Außenseiter der Gemeinde. Nach einer Vergewaltigung war für den Sheriff gleich klar: Der Täter ist einer der Averys. Und zwar der nicht besonders helle, 23-jährige Steven Avery. 1985 verurteilt, gelang es ihm erst 2003, seine Unschuld zu beweisen. Nach 18 Jahren zu unrecht im Gefängnis wurde er entlassen.

Doch das ist erst der Anfang einer aufwühlenden Geschichte. Steven Avery hatte nicht viel Zeit seine wiedererlangte Freiheit zu genießen und auf eine Entschädigung für die Gefängniszeit zu hoffen. Denn bald darauf verschwindet die junge Fotografin Teresa Halbach und die schreckliche Befürchtung, sie könnte tot sein, bestätigt sich nur Tage später. Avery war sofort wieder im Fokus der Ermittlungen. Theresa Halbach hatte bei ihm ihren letzten Geschäftstermin, bevor sie verschwand. Wieder verfolgt die Polizei keine andere Spur.

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Eine Verschwörung?

Zugegeben: Die Anzahl der gesammelten Beweisstücke am Avery-Gelände sind erdrückend. Doch es scheint vieles nicht zusammenzupassen. Hatte die Polizei wieder denselben Tunnelblick wie bei ihren Ermittlungen im Jahr 1985? Wurden Beweise untergeschoben? Auf jeden Fall arbeiten die Ermittler wieder unsauber, mitunter vorschriftswidrig.

Zehn Stunden lässt sich die Dokumentation Zeit, den Fall aufzurollen. Das hört sich nach langatmiger Sache an. Doch Langeweile kommt nie auf. Das Publikum erhält einen Eindruck von der langwierigen und akribischen Arbeit, die bei so einem Fall nötig ist. Es folgen Gerichtsverhandlungen mit aufwühlenden Plädoyers, schonungslosen Befragungen der Zeugen und überraschenden Wendungen. Making a Murderer hat alles, was ich auch aus meinen geliebten Anwaltsserien kenne. Aber es ist um vieles aufwühlender. Über große Strecken ist die Dokumentation sogar wirklich unbequem anzuschauen, ja schon fast unerträglich. Denn immerhin geht es hier um das Schicksal eines Mannes, der bereits sein halbes Leben unschuldig hinter Gittern verbracht hatte.

Begründete Zweifel
Möglicherweise führt die Verteidigungsstrategie, dass Beweise bei den auffällig vielen Durchsuchungen untergeschoben wurden, beim Publikum ebenfalls zu einem Tunnelblick. Doch es gibt genügend Momente, die diese Annahme untermauern.

Derzeit wird in den USA heftig diskutiert. Viele Amerikaner sind schockiert oder wütend, andere finden das alles einfach deprimierend. Es laufen zwei Petitionen für die Freilassung von Steven Avery – gemeinsam zählen diese bereits rund 500,000 Unterschriften. Es werden hoffentlich auch politisch noch Diskussionen folgen.

Fernsehen kann mehr als unterhalten. Es ist ein mächtiges Instrument zur Meinungsbildung. Und das ist gut so, wenn es für die richtigen Zwecke eingesetzt wird. Dass Fernsehen Druck erzeugen und etwas bewirken kann, hat 2015 John Oliver mit seiner satirischen Informationssendung Last Week Tonight schon bewiesen.

Vielleicht kann auch Making a Murderer etwas für Steven Avery bewirken. Hundertausende hoffen es.

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*… der schaut ma so verdächtig aus. [Georg Danzer in Lied Da Hofa]