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Von Kindesbeinen an lernt man in Österreich etwas über Geheimisse. Das erste Geheimnis, was mir in Erinnerung ist, ist das Beichtgeheimnis. Vor der ersten Kommunion mussten wir alle zur Beichte und dann regelmäßig zweimal im Jahr. Unser Pfarrer meinte damals, wir könnten alles sagen, das bleibe im Beichtstuhl, nur Gott wisse dann davon. Er, der Pfarrer, darf nichts weitersagen. Ich fand das damals sehr cool. Ich erzählte von den kleinen Streichen, die man so als Kind halt spielt, die die Eltern aber tunlichst nicht wissen sollten. Nach dem Beichten war das Gewissen leichter und man konnte sich den nächsten Streichen widmen. sparbuch

Als ich dann älter wurde habe ich gelernt, dass auch ein Doktor nie etwas über meine Krankheiten weitersagen darf. Er muss schweigen. Und irgendwann hörte ich dann auch etwas vom Bankgeheimnis. Man lernt ja in Österreich, dass man über Geld nicht spricht. Ganz wichtig ist es niemandem zu sagen, wie viel Geld man hat. Der Staat darf es sowieso nicht wissen, darum gibt es das Bankgeheimnis. Man nimmt das als gegeben hin, hinterfragt es nicht, sondern akzeptiert es. Dass das Bankgeheimnis eigentlich jene schützt, die ihr Geld steuerschonend anlegen wollen oder gar das Geld aus kriminellen Geschäften haben, wurde selten diskutiert.

Seit die Europäische Union ernsthaft beginnt Steuerhinterziehung und Steuerflucht zu bekämpfen ist auch das Bankgeheimnis nicht mehr unantastbar. Und Österreich ist bekanntermaßen immer noch eine Steueroase. Der Experte Friedrich Schneider schätzt, dass bis zu 10 Milliarden Euro ausländisches Schwarzgeld in Österreich versteckt sind. Nachdem jetzt Luxemburg seine Informationen an die Herkunftsländer der Anleger unaufgefordert weitergeben will, bleibt nur mehr Österreich als letztes Bollwerk in der EU. Hoffentlich nicht mehr lange. Das berühmte Sparbücherl der Oma ist nicht gefährdet, da liegt schon versteuertes Geld oben.

Fürchten müssen sich die ausländischen Kontoinhaber, die Schwarzgeld in Österreich bunkern wollen. Da hilft auch eine Beichte nicht, denn die macht aus schwarzem kein versteuertes Geld.

 

Ich lese gerne Krimis und Thriller, grusle mich dabei und bin froh, dass es immer ein gutes Ende nimmt. Frank Schirrmachers neues Buch hat alle Qualitäten eines Krimis, allerdings schaut es noch nicht nach einem guten Ende aus. „EGO-Das Spiel des Lebens“ ist ein Sachbuch, das einem das wahre Gruseln lehrt. Schirrmacher, Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen, zeichnet ein Bild unserer Gesellschaft, das sich nicht einmal Orwell in seinen kühnsten Träumen ausdenken hätte können. ego

Er schildert die Erfindung des modernen „Homo oeconomicus“. Begonnen hat alles zu Beginn des Kalten Krieges, als das amerikanische Militär mit Hilfe der Physik und Mathematik das Gleichgewicht des Schreckens herstellte. Zentral war in diesem Modell, dass der Mensch nur seinen eigenen Vorteil sucht, ein Gemisch aus Egoismus, Misstrauen und Angst. Das menschliche Verhalten wird in mathematische Modelle und Formeln gegossen. Und bald drang dieses Menschenbild, gesteuert vom Militär, dem Markt und Computern in die Zivilgesellschaft ein. Mit Ende des Kalten Krieges kommen die Mathematiker und Physiker an die Wallstreet und entwickeln ihre Modelle weiter. Und hier erst wird ein Monster erschaffen, das gefährlicher, weil unsichtbarer ist, als das von Frankenstein. Computer berechnen die Entwicklung des Marktes immer schneller und liefern dazu auch die Interpretation. Der Mensch handelt nicht mehr aus freien Stücken und eigenen Überlegungen, der Computer, also der Markt, zwingt ihm das Handeln auf. Ersichtlich ist das, wenn Banken damit drohen, dass ihr Untergang zum Untergang des gesamten Systems führt. So wie keiner im Gleichgewicht des Schreckens bis 1989 den Knopf für die Atombombe gedrückt hat (was positiv war), so riskiert keiner einen einzelnen Spieler des Finanzsystems untergehen zu lassen. „To big to fail“ nennt man diese Strategie. Wenn Angela Merkel von einer „marktkonformen“ Demokratie spricht, dann heißt es, alles soll den Marktgesetzen unterliegen, wirtschaftlich, politisch und sozial.

Was Schirrmacher in seinem Rundumschlag vergisst sind die vielen Menschen, die nicht gewillt sind, sich der Diktatur der Informationsökonomie und dem Monster des alles bestimmenden Marktes zu unterwerfen. Denn mit Occupy Wallstreet, alternativen Finanzierungsformen und dem Ruf nach einer nachhaltigen Gesellschaft gibt es eine Bewegung, die sich Gerechtigkeit, Fairness und Solidarität auf die Fahnen heftet. Kein Computer kann den freien und kritischen Geist berechnen, wie auch er selbst mit dem Schreiben dieses Buches bewiesen hat.

Frank Schirmmacher: „Ego- Das Spiel des Lebens“ –empfehlenswert!

http://www.perlentaucher.de/buch/frank-schirrmacher/ego.html