Die Geschichte von Hugh Glass ist zur Volkslegende geworden. Ihm wurde eine Statue errichtet, Gedichte wurden über ihn geschrieben und auch Bücher. Er ist ein Musterbeispiel dessen, wozu der menschliche Wille imstande ist. Der Scout wurde 1823 auf einer Expedition für eine Fell-Handelsgesellschaft von einer Bärin angefallen und schwer verletzt. Von John Fitzgerald und Jim Bridger zum Sterben zurückgelassen, kroch und robbte er hunderte Kilometer durch die Wildnis von South Dakota, um ihnen zu folgen.
Wahrheit vs. Dichtung
Wie genau die Umstände waren, wie böswillig Fitzgerald und Jim Bridger handelten, ist unklar. Mit jeder Neuerzählung der Ereignisse wurden jedoch immer mehr Ausschmückungen dazugedichtet. Der Film The Revenant – Der Rückkehrer ist die neueste Version der Geschichte hat wohl die meisten Ausschmückungen dazuerhalten. Die Wild-West-Geschichte ist damit angereichert, dass Hugh Glass’ Sohn vor seinen Augen von John Fitzgerald ermordet wurde. Außerdem gibt es in der Geschichte noch eine Gruppe von Arikara-Kriegern, die auf der Suche nach einer entführten Stammestochter immer wieder auftauchen und alles niederschießen, was sich bewegt.
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Echte Größen am Werk
Der Film ist keine Dokumentation. Darum ist für mich der Wahrheitsgehalt nicht so wichtig. Der Film muss mir als solches gefallen. Wichtig ist, dass er unterhält und etwas in mir bewegt. Was bei mir am längsten nachhält ist sicher die unglaubliche, brillante Filmtechnik. Es sind wunderschöne Naturaufnahmen und wirklich atemberaubende Action-Szenen. Vom Bären-Angriff bis zum perfekt choreografierten Zweikampf-Showdown habe ich mich gefragt: Wie haben die das bloß gemacht? Für solche Aufnahmen holte sich der Regisseur Alejandro G. Iñárritu wieder den Kameramann Emmanuel Lubezki, der das Publikum schon mit Birdman und Gravity in Staunen versetzt hat. Für diese Filme wurde er auch mit je einem Oscar ausgezeichnet.
Zugegeben, ein toller Regisseur und ein großartiger Kameramann, sind wohl kaum die großen Kassenmagnete. Die Besetzung dürfte aber genug Breitenwirkung haben. Ich sag mal ganz flapsig und gender-stereotypisiert: Leonardo DiCaprio für die Mädels, Tom Hardy für die action-interessierten Jungs – beide hervorragend. Für Leonardo DiCaprio ist die körperliche und mentale Anstrengung des Drehs in Schnee, Eis und Wind auch Teil des Kampfs seiner Figur. Er wirkt dadurch sehr authentisch als unglaublich willensstarker und zäher Hugh Glass, denn ein solcher muss dieser gewesen sein. Vielleicht gelingt es ihm mit dieser Rolle, endgültig das vor 20 Jahren durch Titanic erworbene Frauenschwarm-Prädikat „süß“ abzulegen. Auch wenn er schon vorher öfter bewiesen hat, dass viel mehr als das in ihm steckt. Tom Hardy, hat sich schon mehrfach als tougher Typ bewährt.
Der perfekte Film?
Man merkt, ich möchte nur Gutes über diesen Film schreiben, weil ich so sehr wollte, dass er mich rundum einfach umwirft. Darum komme ich erst zuletzt auf die Geschichte zu sprechen. Am Drehbuch hat Regisseur Iñárritu mitgeschrieben. Das hat meine Erwartungen hochgeschraubt. Doch bei allen Anreicherungen der Geschichte mit Ereignissen, persönlichen Motiven und Erinnerungen ist der Stoff zu dürftig um mehr als 2,5 Stunden damit auszufüllen. Es gibt Längen, während derer man sich wenigstens an wunderbaren Aufnahmen ergötzen kann. So packend die actionreichen Schlüsselstellen sind, so distanziert begleitet das Bild den Protagonisten Hugh Glass. Die Weite der Landschaft in ständiger Kälte, Schnee und Eis, die Wortkargheit der Figuren und die Trostlosigkeit der Situation machen es schwer, nach dem Bärenangriff und dem Mord an dem Sohn weitere zwei Stunden lang den Überlebenswillen und den Zorn dieses Mannes auf stets gleich hohem Niveau mitzufühlen. Der Film bietet kein Auf und Ab der Emotionen. So kommt es, dass für mich die Gefühle des Protagonisten fern wirkten – trotz allen Drecks, Bluts und Leidens.
Meine Bewertung auf IMDB: 8 Punkte
Leonardo DiCaprio und Tom Hardy sind großartig. Ebenso versetzt die unglaubliche Kameraarbeit in Staunen. Allein die Geschichte und Regie von Alejandro Iñárritu gibt dem Publikum nicht genug, um emotional einzutauchen. Trotzdem zahlt sich der Weg ins Kino aus.